Ein Testament ist nur gültig, wenn es unbeeinflusst vom Willen Dritter entstanden ist und der Verfasser testierfähig war. Psychische Erkrankungen wie Demenz können zu einer Testierunfähigkeit führen.
Kommt es im Erbfall zu Streitigkeiten, weil die Erben bzw. Enterbten auf eine Testierunfähigkeit des Erblassers hoffen, muss ein medizinisches Gutachten klären, ob eine Person testierunfähig ist oder nicht.
Die Testierfähigkeit ist die Fähigkeit, ein rechtsgültiges Testament aufzusetzen. Dazu muss die Person die Tragweite ihrer Entscheidungen und deren Auswirkungen einschätzen können.
Grundsätzlich gelten alle volljährigen Personen als testierfähig, sofern sie unter keiner krankhaften Störung der Geistestätigkeit, Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörung leiden.
Ist eine Person testierfähig, besitzt sie gleichzeitig Testierfreiheit. Während die Testierfähigkeit über die Rechtswirksamkeit eines Testaments entscheidet, regelt die Testierfreiheit die inhaltliche Gestaltung. Der Erblasser kann seine letztwillige Verfügung frei nach seinen Wünschen erstellen und damit sämtliche Erben und Auflagen selbst bestimmen.
Bei der Verteilung des Nachlasses muss man sich nicht an gesetzliche Regeln halten. Dadurch lassen sich z. B. unliebsame Angehörige enterben, denen sonst gemäß gesetzlicher Erbfolge ein Teil des Erbes zusteht. Wichtig: Enterbte können meist einen Pflichtteilsanspruch geltend machen.
Das Gesetz unterscheidet zwischen Testierfähigkeit und Geschäftsfähigkeit. Beide Fähigkeiten fragen danach, ob die Person ihren Willen frei formulieren und die Tragweite ihrer Entscheidungen erkennen kann. Für die Aufsetzung eines Testaments muss eine Person testierfähig, für einen Erbvertrag geschäftsfähig sein.
Grundsätzlich kann ein Mensch entweder testierfähig oder testierunfähig sein – eine beschränkte Testierfähigkeit gibt es nicht. Es ist nicht möglich, dass die Testierfähigkeit nur auf einen Teil des Testaments beschränkt ist.
Bedingungen für Testierfähigkeit nach § 2229 BGB:
Hat eine Person das 16. Lebensjahr erreicht, ist sie beschränkt testierfähig. Möchte sie noch vor der Volljährigkeit eine letztwillige Verfügung erstellen, ist dies durch ein notarielles Testament möglich. Dieses muss durch einen Notar beurkundet werden. Der gesetzliche Vertreter – in der Regel sind das die Eltern – muss hingegen nicht gesondert zustimmen.
Bei der Aufsetzung der letztwilligen Verfügung sollten zudem Ort und Datum vermerkt werden. Dies kann bei späterer Testierunfähigkeit dabei helfen, herauszufinden, ob zum Zeitpunkt der Testamentserstellung noch Testierfähigkeit bestand.
Wird zu einem späteren Zeitpunkt nachgewiesen, dass der Erblasser beim Aufsetzen seines letzten Willens testierunfähig war, ist das Testament ungültig.
Zusammengefasst können für eine fehlende Testierfähigkeit verschiedene Voraussetzungen vorliegen:
Wurde das Testament vor Auftreten der Krankheit erstellt, ist es weiterhin gültig. Rechtswirksame Änderungen kann derjenige jedoch nicht mehr vornehmen.
Können Personen nicht schreiben, lesen und sprechen, fehlt ihnen die Testierfähigkeit. Das Gesetz geht in diesen Fällen davon aus, dass die Person ihren letzten Willen nicht selbständig verfassen und die Konsequenzen dessen nicht einschätzen kann.
Nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19.01.1999 ist der generelle Ausschluss von Personen, die nicht schreiben oder sprechen können, jedoch verfassungswidrig. Kann eine stumme Person beispielsweise mithilfe von Gebärdensprache kommunizieren, ist sie testierfähig.
Die Testierfähigkeit ist daher immer vom Einzelfall abhängig.
Personen, die im Alltag nicht geschäftsfähig sind, werden durch einen Sachwalter betreut. Für betreute Personen gelten für die Testierfähigkeit die gleichen Bedingungen wie für andere Menschen – sie können prinzipiell testierfähig sein.
Da die Testierfähigkeit ein persönliches Recht des Betreuten ist, kann sie nicht auf die Sachwalterschaft übertragen werden. Sachwalter dürfen daher nicht stellvertretend für die betreute Person eine letztwillige Verfügung aufsetzen. Damit soll auch verhindert werden, dass Betreuer ihren eigenen Willen in den letzten Willen des Betreuten einfließen lassen können.
Allerdings kann das Pflegschaftsgericht anordnen, dass eine betreute Person nur öffentlich vor Notar oder Gericht testieren darf. Das Gericht muss sich in diesem Fall davon überzeugen und schriftlich festhalten, dass der Erblasser testierfähig ist.
Das Gericht kann die Testierfähigkeit verneinen, wenn es davon ausgeht, dass die Person ihren Willen nicht mehr frei von Einflüssen Dritter darlegen kann. Dieser Einfluss kann durch einen Betreuer oder ein Familienmitglied ausgeübt werden, die sich um die betreffende Person kümmern, weil sie selbst nicht mehr dazu in der Lage ist.
Bei alters- oder krankheitsbedingter Demenz ist das Gehirn der betroffenen Person erkrankt, wodurch Gedächtnis und Urteilsvermögen eingeschränkt sind.
Dementsprechend kann Demenz dazu führen, dass eine erkrankte Person testierunfähig ist. In einigen Fällen kommt es dann zu Streitigkeiten, weil der Erblasser im Alter an Demenz erkrankt ist und beispielsweise Enterbte die Testierfähigkeit zum Zeitpunkt der Testamentserstellung infrage stellen.
Bei einer Demenzerkrankung wird zunächst von der Testierfähigkeit des Erblassers ausgegangen. In folgenden Fällen kann jedoch auch angezweifelt werden, dass die Person noch testierfähig ist bzw. war:
Demente Personen können sogenannte lichte Momente haben. In diesen besitzen sie vorübergehend die geistige Fähigkeit, sich ein klares Urteil über den Nachlass zu bilden. Während dieser Zeit gelten Demenzerkrankte als testierfähig.
Ficht ein benachteiligter Erbe den letzten Willen an, wird zunächst trotz Demenz von der Testierfähigkeit des Erblassers ausgegangen. Der Erbe selbst muss vor Gericht Beweise für die Testierunfähigkeit vorlegen.
Die Beweise müssen zeigen, dass der Erblasser bei der Erstellung des Testaments nicht entsprechend seines „normalen“ Verhaltens und Denkens entschieden hat und er kein klares Urteil über den Testamentsinhalt treffen konnte.
Nur in diesem Fall würde er als nicht testierfähig gelten. Kann eine fehlende Testierfähigkeit nicht bewiesen werden, ist der letzte Wille rechtswirksam.
Laut § 2229 Abs. 4 BGB ist eine Person nicht testierfähig, wenn sie wegen einer psychischen Störung, Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörung die Bedeutung eines Testamentes und dessen Auswirkungen nicht nachvollziehen kann.
Neben der Demenzerkrankung gibt es weitere Krankheitsbilder, die Testierunfähigkeit zur Folge haben können.
Dabei gilt:
Wurde die letztwillige Verfügung zu einem Zeitpunkt verfasst, zu dem der Erblasser faktisch nicht testierfähig war (siehe oben), ist diese ungültig. Wurde ein früheres, gültiges Testament erstellt, so gilt dieses – andernfalls greift die gesetzliche Erbfolge.
Wer sich unsicher über seine rechtlichen Möglichkeiten und Beschränkungen ist, kann mithilfe eines Notars oder Anwalts ein Testament erstellen lassen oder das Testament prüfen lassen.
Oftmals ist nicht direkt zu erkennen, ob eine Person testierfähig ist oder nicht. Wird der letzte Wille mithilfe eines Notars angefertigt, so muss dieser sich davon überzeugen, dass bei der Erstellung die Testierfähigkeit beim Erblasser vorliegt.
Dies geschieht üblicherweise in einem Gespräch und muss anschließend schriftlich in der letztwilligen Verfügung festgehalten werden.
Allerdings kann der Notar keine endgültige Entscheidung über die Testierfähigkeit eines Erblassers treffen. Ob eine Person testierfähig ist oder nicht, muss in Zweifelsfällen ein medizinisches Gutachten klären.
Ein gerichtliches Verfahren, um die Testierfähigkeit zu Lebzeiten festzustellen, ist unzulässig und wird durch die Gerichte geblockt.
Ein medizinisches Gutachten kann ein Psychiater oder ein Neurologe erstellen. Andere Ärzte wie beispielsweise Allgemeinärzte oder Internisten sind für die Aufgabe des Sachverständigen nicht geeignet – sie können allerdings als Zeugen aussagen.
Auch wenn eine Person laut medizinischem Gutachten testierunfähig ist, entscheidet letztlich das örtliche Nachlassgericht über die Testierfähigkeit der betroffenen Person. Eine medizinische Einschätzung kann das Urteil also beeinflussen, aber nicht festlegen.
Wird die Testierfähigkeit des verstorbenen Erblassers angezweifelt, prüft das Nachlassgericht den Fall. Um eine mögliche Testierunfähigkeit nachzuweisen, zieht das Gericht einen Sachverständigen hinzu. Dieser stellt in zwei Schritten fest, ob der Erblasser testierfähig war:
Das Gericht entscheidet auf Grundlage der Einschätzung des Sachverständigen, ob die betroffene Person testierfähig war und ihr letzter Wille rechtskräftig ist.
Dafür werden neben medizinischen Gutachten auch Zeugen zu Verhaltensweisen des Erblassers befragt. Auch die Krankenakten des Erblassers können Aufschluss über mögliche krankheitsbedingte Beeinträchtigungen geben.
Solch eine gerichtliche Begutachtung des Erblassers durch das Nachlassgericht darf nicht zu dessen Lebzeiten durchgeführt werden. Dementsprechend ist es häufig schwer, eine Testierfähigkeit festzustellen, wenn keine sachlichen Gutachten (siehe Kapitel 3) zum Zeitpunkt der Erstellung der letztwilligen Verfügung vorliegen.
Ein advocado Partner-Anwalt erläutert Ihnen in einer kostenlosen Ersteinschätzung Ihre Optionen.
Hat ein Nachlassgericht entschieden, dass ein Erblasser keine Testierfähigkeit besaß, können Sie das Testament anfechten. Für eine Anfechtung müssen Sie folgende Fristen beachten:
Sind Sie erfolgreich, verliert die letztwillige Verfügung ihre Gültigkeit. Wurde ein früherer letzter Wille verfasst, tritt dieser in Kraft – ansonsten gilt die Erbfolge ohne Testament. Das bedeutet, dass Erben ihren im Testament zugesprochenen Erbteil verlieren und das Erbe auf alle gesetzlichen Erben verteilt wird.
Da grundsätzlich von einer Testierfähigkeit des Erblassers ausgegangen wird, ist derjenige, der den letzten Willen anfechtet, in der Beweispflicht.
Wurden Sie enterbt und vermuten, dass der Erblasser nicht mehr testierfähig war, können Sie das Testament möglicherweise beim Nachlassgericht anfechten. Ein Anwalt für Erbrecht kann Ihnen dabei helfen, herauszufinden, ob der Erblasser testierfähig war.
Er kann das Gericht auf Ihre Zweifel an einer Testierfähigkeit des Erblassers aufmerksam machen und darauf hinwirken, dass ein Gutachten eingeholt wird. Da Sie in der Beweispflicht sind, wenn Sie die Testierfähigkeit anfechten wollen, sollten Sie Ihre Zweifel zunächst mithilfe des Anwalts ausführlich begründen.
Gemeinsam mit einem Anwalt können Sie folgende Aspekte klären:
Können Sie Ihre Zweifel nachvollziehbar begründen, ist das Nachlassgericht verpflichtet, diesen nachzugehen. Bestätigt das Gericht Ihre Zweifel, ist die angefochtene letztwillige Verfügung ungültig.
advocado findet für Sie den passenden Anwalt aus einem Netzwerk mit über 550 Partner-Anwälten. Dieser kontaktiert Sie innerhalb von 2 Stunden* für eine kostenlose Ersteinschätzung zu Ihren Handlungsoptionen und Erfolgsaussichten.
Ein advocado Partner-Anwalt erläutert Ihnen in einer kostenlosen Ersteinschätzung Ihre Optionen.
Als Teil der juristischen Redaktion von advocado strebt Sophie Suske jeden Tag danach, komplexe Rechtsprobleme des Marken- und Versicherungsrechts für jeden Leser verständlich aufzubereiten. Grundlage ihrer lösungsorientierten Arbeit ist ihr Masterstudium der Sprach- und Kommunikationswissenschaft.