Kommt es in Unternehmen zu betriebsbedingten Kündigungen, greifen Sozialpläne: Individuell festgelegte Sozialplan-Abfindungen sollen die Nachteile für betroffene Arbeitnehmer abmildern und den Wiedereinstieg ins Berufsleben erleichtern. Neben der Abfindung sind Zuschüsse zum Arbeitslosengeld oder Kostenerstattungen für Umschulungen möglich.
Um die Folgen von Betriebsänderungen oder betriebsbedingten Kündigungen für Arbeitnehmer auszugleichen, fordert der Gesetzgeber einen Interessenausgleich und Sozialpläne für betroffene Mitarbeiter.
Mit einem Interessenausgleich vereinbaren Betriebsrat und Arbeitnehmer, ob eine Betriebsänderung durchgeführt wird, welchen Umfang sie hat und in welcher Zeit sie abgeschlossen sein soll.
Ein Interessenausgleich ist gemäß § 112 BetrVG durchzuführen, wenn
Typische Inhalte eines Interessenausgleichs sind:
Sind im Betrieb mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt, müssen Arbeitgeber und Betriebsrat neben dem Interessenausgleich einen Sozialplan beschließen. Dieser soll helfen, die Folgen der Kündigung abzufangen.
Das regelt ein Sozialplan:
Die Regelungen eines Sozialplans sind verpflichtend und einklagbar. Weigern sich Arbeitgeber, eine Abfindung zu zahlen oder zahlen eine zu geringe Summe aus, können Arbeitnehmer Klage einreichen. Damit lässt sich der Leistungs- bzw. Zahlungsanspruch vor dem Arbeitsgericht durchsetzen.
Bei der Festlegung einer Sozialplan-Abfindung beziehen Arbeitgeber und Betriebsrat individuelle Faktoren und Lebensumstände der gekündigten Mitarbeiter ein.
Häufige Bemessungskriterien sind:
Während bei einem Sozialplan jeder gekündigte Arbeitnehmer eine einheitlich berechnete Abfindung erhält, gelten Sonderregelungen für bestimmte Arbeitnehmergruppen:
Wenn Arbeitgeber und Betriebsrat einen verbindlichen Sozialplan erstellen, sind leitende Angestellte und Führungskräfte nach § 5 BetrVG grundsätzlich nicht anspruchsberechtigt.
Das bedeutet, dass Mitarbeitern in Führungspositionen keine Abfindung aus dem Sozialplan zusteht.
Die verpflichtenden Leistungs- und Zahlungsansprüche des Sozialplans können ein Unternehmen finanziell stark belasten. Deshalb entschied das BAG im Juli 2019 (Az.: 1 AZR 842/16), dass Arbeitgeber die verfügbaren Mittel so einsetzen dürfen, dass sie den Mitarbeitern zugute kommen, die am meisten darauf angewiesen sind.
Demnach ist es zulässig, dass jüngere Arbeitnehmer höhere Abfindungen als rentennahe Jahrgänge erhalten. Ältere Mitarbeiter müssen eine Kürzung oder sogar den Ausschluss von Sozialplan-Abfindungen hinnehmen, wenn
Schwerbehinderte Mitarbeiter, die Schwerbehindertenrente beziehen, dürfen laut eines Urteils des Bundesarbeitsgerichts (1 AZR 938/13) nicht schlechter gestellt werden als nicht behinderte Mitarbeiter. Ihr Rentenanspruch rechtfertigt keine geringere Abfindung im Sozialplan.
Wurden falsche Bemessungskriterien angenommen oder Ihre Sozialplan-Abfindung durch falsche Einordnung in einen Sonderfall reduziert, können Sie Ihre Abfindung von einem Anwalt prüfen lassen.
Der Anwalt kann Einsicht in den Sozialplan fordern, diesen arbeitsrechtlich prüfen und maßgebliche Bemessungskriterien identifizieren. Anhand dieser kann er mit Ihrem Arbeitgeber eine höhere Abfindung verhandeln. Jetzt Anspruch prüfen lassen.
Die Höhe der Abfindung wird je nach Sozialplan individuell festgelegt – Sozialplan-Rechner können daher nur bedingt Auskunft geben.
Bei der Berechnung sind die Kriterien relevant, die auch bei der Sozialauswahl des Kündigungsschutzgesetzes gelten:
Je nach Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erfolgt die Berechnung der Abfindung dann nach
Mit einer Abfindungsformel lässt sich der Abfindungsgrundbetrag jedes Mitarbeiters nach den vom Betriebsrat und dem Arbeitgeber vereinbarten Faktoren berechnen.
Als Faustformel gilt: Abfindungshöhe = Bruttomonatsgehalt x 0,5 x Betriebszugehörigkeit
Berechnungsbeispiel:
Eine 45-jährige Mitarbeiterin verdient monatlich 2.800 € brutto und ist seit 12 Jahren im Unternehmen tätig.
Die Berechnung der Abfindung ist abhängig von der Betriebszugehörigkeit der Mitarbeiterin und ihrem Gehalt. Als Abfindung nach Sozialplan erhält sie ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr. Ab 6 Monaten wird auf ein ganzes Jahr aufgerundet.
Folgender Rechenweg ergibt sich für die Mitarbeiterin:
Abfindungshöhe = Bruttomonatsgehalt x 0,5 x Betriebszugehörigkeit
Abfindungshöhe = 2.800 € x 0,5 x 12 = 16.800 €
Gilt für die Mitarbeiterin zusätzlich ein Sonderfall – z. B. weil sie an einer Schwerbehinderung leidet –, erhöhen sich die 16.800 € um einen Sozialbetrag. Dieser ist im Sozialplan festgelegt.
Die Faustformel ist nicht gesetzlich vorgegeben und deshalb nicht für alle Sozialpläne bindend. Daher kann die Berechnung in Ihrem konkreten Einzelfall abweichen.
Bei ca. 18 % der Sozialpläne greifen Arbeitgeber und Betriebsrat für die Abfindungsberechnung auf ein Punkteverfahren zurück. In dem Fall gibt es eine vorab festgelegte Höchstsumme an insgesamt auszuzahlenden Abfindungen. An diesem „Topf” wird jeder zu kündigende Mitarbeiter zu einem bestimmten Prozentsatz beteiligt.
Der Prozentsatz der einzelnen Mitarbeiter ergibt sich aus
Je einschlägigem Kriterium vergibt der Betriebsrat eine im Sozialplan festgelegte Punktzahl.
Abschließend werden die Punktzahlen aller Mitarbeiter zusammengerechnet. Die Abfindungshöchstsumme wird durch die Gesamtpunktzahl geteilt – damit steht der Geldwert eines Punktes fest.
Berechnungsbeispiel:
Das Unternehmen kann insgesamt 50.000 € für Abfindungen (Gesamtbudget) ausgeben und will 5 Mitarbeiter entlassen.
2 der 5 Mitarbeiter erreichen jeweils 8 Punkte, 1 Mitarbeiter 12 Punkte und 2 weitere jeweils 15 Punkte. Es ergibt sich eine Gesamtpunktzahl von 58.
Folgende Berechnung schließt sich an:
Gesamtbudget für Abfindungen / Gesamtpunktzahl = Wert eines Punktes
50.000 € / 58 Punkte = 862,07 €
Hat ein Mitarbeiter also z. B. 8 Punkte erreicht und ist ein Punkt 862,07 € wert, beträgt seine Abfindung 8 * 862,07 = 6.896 ,56 €
Hat ein anderer Mitarbeiter 15 Punkte erreicht, beträgt seine Abfindung 15 * 862,07 € = 12.931,05 €
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Wer eine Abfindung erhält, muss unter Umständen Abgaben leisten:
Der Gesetzgeber behandelt Abfindungen als steuerpflichtigen Arbeitslohn. Die Zahlung taucht als „außerordentliche Einnahme” auf der Lohnsteuerbescheinigung auf und ist deshalb voll einkommensteuerpflichtig:
Abgefundene Arbeitnehmer können aber unter Umständen von der sogenannten Fünftelregelung profitieren. Vor allem Arbeitnehmer, die eine hohe Abfindung erhalten und keinen hohen Steuersatz zahlen, können dadurch Geld sparen.
In diesen Fällen ist die Fünftelregelung möglich:
Sind die notwendigen Voraussetzungen gegeben, können Sie die Fünftelregelung beim Finanzamt beantragen. Der Steuerbetrag berechnet sich dann wie folgt:
Mit dem kostenlosen Abfindungssteuer-Rechner (Stand 2020) können Sie die fälligen Steuern berechnen, die Sie auf Ihre Abfindung nach Sozialplan leisten müssen:
Da es sich bei einer Sozialplan-Abfindung um eine einmalige Sonderzahlung handelt, fallen keine Sozialabgaben an. Sie müssen also keine Beiträge zur Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung zahlen.
Dafür müssen Aufhebungsvertrag oder Kündigung allerdings eine Formulierung wie „Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes“ enthalten.
Achten Sie bei Erhalt des Aufhebungsvertrags bzw. der Kündigung darauf, dass die richtige Formulierung vorhanden ist. Ist z. B. von einer „Abfindung für geleistete Dienste“ die Rede, gilt Ihre Abfindung als „verdecktes Arbeitsentgelt”. Dann wird die Zahlung wie ein Arbeitslohn behandelt und löst entsprechende Sozialabgaben aus.
Haben Sie eine betriebsbedingte Kündigung erhalten, steht Ihnen die unverzügliche Auszahlung von Arbeitslosengeld I (ALG I) zu. Eine Abfindung nach Sozialplan wird darauf nicht angerechnet.
Haben Sie hingegen keine betriebsbedingte Kündigung erhalten, sondern Ihre Arbeitslosigkeit durch Abschluss eines Aufhebungsvertrags oder Eigenkündigung selbst herbeigeführt, kommt es beim Arbeitslosengeld I zu einer Sperrfrist.
Das heißt, dass Sie bis zu 12 Wochen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kein Geld erhalten.
Basierend auf dem Sozialplan können Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Abfindung in Verbindung mit einem Aufhebungsvertrag anbieten. Dieser kann auch mit dem Ausspruch einer ordentlichen Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt verbunden sein.
Wenn Sie sich mit Ihrem Arbeitgeber auf einen Aufhebungsvertrag einigen, können mit der Abfindungszahlung aber Ihre Ansprüche auf Auszahlung der Boni, Überstunden und Resturlaub bei Kündigung entfallen. Das liegt daran, dass Sie mit Unterzeichnung des Aufhebungsvertrags auf Restansprüche verzichten.
Um Restansprüche nicht zu verlieren, können Sie vor der Unterschrift eine Klausel verhandeln, die die Abfindungssumme um die Ihnen entgehenden Restansprüche erhöht.
Sozialpläne gelten für alle betroffenen Mitarbeiter gleichermaßen und beinhalten einheitliche Rechenwege und Bemessungskriterien für Abfindungen. Dennoch gibt es im Einzelfall Verhandlungsspielraum: Mithilfe geschickter Argumentation können Arbeitnehmer eine höhere Abfindung verhandeln, als vom Arbeitgeber angeboten.
Zeigt sich der Arbeitgeber nicht kooperativ und verweigert weitere Verhandlungen, kann ein Anwalt für Arbeitsrecht helfen. Indem er eine Angriffsfläche findet und Druck auf Ihren Arbeitgeber ausübt, kann er eine Neuberechnung Ihrer Abfindung veranlassen.
Der Anwalt kann dafür u. a. folgende Aufgaben übernehmen:
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Als Mitglied der juristischen Redaktion von advocado widmet sich Jasmin Leßmöllmann komplexen Fragestellungen aus dem Arbeits-, Medizin- und Erbrecht. Dabei ist sie bestrebt, dem Leser schwierige juristische Sachverhalte verständlich aufzubereiten und die beste Lösung anzubieten.