In diesem Artikel erfahren Sie alles Wichtige zum Thema Arbeitsunfähigkeit im Arbeitsrecht. Sie erfahren, welche Rechte und Pflichten Arbeitnehmer bei Arbeitsunfähigkeit haben, was Arbeitgeber bei Arbeitsunfähigkeit zahlen müssen und was zu beachten ist, sollten Sie als arbeitsunfähig aus der Reha entlassen werden.
Arbeitsunfähig ist, wer seine arbeitsvertraglich geschuldete Leistungspflicht aufgrund einer Erkrankung nicht mehr oder nur unter Verschlechterung des Gesundheitszustandes nachkommen kann. Hierbei geht es stets um die zuletzt ausgeübte Tätigkeit – der Mitarbeiter eines Callcenters wird also eher wegen Heiserkeit arbeitsunfähig erklärt als ein Arbeitnehmer ohne Kundenkontakt. Eine gesetzliche Definition von Arbeitsunfähigkeit gibt es nicht, allerdings nennt die geltende Rechtsprechung einen „durch Krankheit oder Unfall hervorgerufenen Körper- und Geisteszustand“ als Grundlage für die Krankschreibung (Bundessozialgericht). Nicht arbeitsunfähig ist jemand, der statt seiner eigentlichen Arbeit eine ähnliche, qualitativ gleichwertige und dabei körperlich leichtere Arbeit ausüben kann. Eine teilweise Arbeitsfähigkeit gibt es nicht. Die oft gehörte prozentuale bzw. stufenweise Einteilung gilt lediglich für die Wiedereingliederung nach der Arbeitspause (§ 74 SGB V). Für Rentner und Behinderte gelten dieselben Maßstäbe. Sogar Arbeitslose können arbeitsunfähig sein, wenn sie eine leichte Tätigkeit bei der Agentur der Arbeit vornehmen oder bei Beginn eines neuen Beschäftigungsverhältnisses arbeitsunfähig werden.
Grundsätzlich ist die Arbeitsunfähigkeit ein vorübergehender Zustand. Bei längerer Dauer spricht man von Berufsunfähigkeit. Um die Kriterien zu erfüllen, muss der Arbeitnehmer gemäß § 240 SGB VI wegen Krankheit oder Behinderung weniger als sechs Stunden täglich arbeiten können. Der Arbeitnehmer muss voraussichtlich dauernd – mindestens aber sechs Monate – außerstande sein, seiner Arbeit nachzugehen. Als nicht berufsunfähig gilt derjenige, dem eine andere Tätigkeit von mindestens sechs Stunden täglich zuzumuten ist. Zumutbar ist sie, wenn sie auf der gleichen oder der nächst niedrigen Stufe angesiedelt ist:
Wer berufsunfähig ist, ist nicht zwangsläufig auch erwerbsunfähig. Berufsunfähigkeit bedeutet nur, dass die Person einem bestimmten Beruf nicht mehr nachgehen kann (z. B. Bauarbeiter wegen Rückenprobleme). Eine Erwerbsunfähigkeit gibt es rein formell seit 2001 nicht mehr – es gibt nur noch die Erwerbsminderung. Erwerbsgemindert ist, wer auf nicht absehbare Zeit maximal drei Stunden am Tag (100%ige Erwerbsminderung) bzw. mehr als drei, aber weniger als sechs Stunden (teilweise Erwerbsminderung) erwerbstätig sein kann oder wegen einer starken Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt untergebracht werden kann.
Sofort nach Bekanntwerden der Arbeitsunfähigkeit müssen Sie Ihrem Arbeitgeber informieren, um ihm die Möglichkeit zu geben, Ersatz zu finden. Ihm ist mitzuteilen, wie lange Sie voraussichtlich ausfallen. Tun Sie das nicht, können Sie eine Abmahnung bekommen und bei wiederholtem Fehlverhalten sogar verhaltensbedingt gekündigt werden. Der Krankheitsgrund ist in der Regel nicht zu nennen, es sei denn ,die Krankheit hat Einfluss auf die Betriebsabläufe (so bei meldepflichtigen Krankheiten wie beispielsweise einer Salmonellenerkrankung im Lebensmittelbereich oder bei Masern). Nach spätestens drei Tagen – es sei denn, es gibt individuelle Absprachen – ist dem Arbeitgeber ein Attest, also eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, vorzulegen. Wie Sie Ihrem Chef das Dokument übermitteln, ist egal, Mail, Fax oder sonstige Mittel kommen infrage. Lediglich der Postweg ist stets ausgeschlossen, da die Übermittlung zu lange dauert. Ist das erste Attest abgelaufen, ist eine Folgebescheinigung (sog. Muster 52) vom Arzt notwendig.
Befinden Sie sich zum Zeitpunkt der Erkrankung bzw. Verletzung im Ausland, müssen Sie Ihrem Chef dennoch unmittelbar mitteilen, dass Sie krank sind und eine bestimmte Zeit ausfallen. Zudem ist ihm die Adresse des gegenwärtigen Aufenthaltsorts zu nennen und ein ärztliches Gutachten zu übergeben, die Kosten für dieses hat der Arbeitgeber zu tragen. Zudem ist der ausländischen Krankenversicherung (Adressen der nächstgelegenen Krankenversicherung gibt es bei der Polizei oder an der Hotelrezeption) eine Anspruchsbescheinigung (European Health Insurance Card (EHIC) oder Ersatzausweis, den Sie bei Ihrer deutschen Krankenkasse erhalten) vorzulegen.
Während Sie krankgeschrieben sind, sollen Sie sich von Ihrer Krankheit erholen, um möglichst schnell wieder arbeiten zu können. Dennoch sind Sie nicht eingesperrt. Was während der Arbeitsunfähigkeit erlaubt ist, hängt von der Art der Erkrankung und Empfehlung Ihres Arztes ab. Sofern die Genesung nicht gefährdet ist, dürfen Sie sogar während der Krankschreibung in den Urlaub fahren (wichtig: Fragen Sie Ihren Arzt und denjenigen, von dem Sie das Gehalt beziehen – in den ersten sechs Wochen also den Arbeitgeber, nach 6 Wochen Krankheit die Krankenkasse – nach Erlaubnis). Einkaufen und Autofahren stellt in den seltensten Fällen ein Problem dar, da Sie schließlich darauf angewiesen sind. Ein feuchtfröhlicher Discoabend hingegen birgt die Gefahr eines Rückfalls und sollte daher unterlassen werden.
Wenn Sie sich bereits vor Ablauf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wieder gesund fühlen und vorzeitig wieder zur Arbeit möchten, können Sie das machen. Das Attest ist nämlich kein Arbeitsverbot. Allerdings dürfen Sie nicht, während Sie in einem Job krankgeschrieben sind, einer anderen bezahlten Tätigkeit nachgehen, sonst begehen Sie Lohnfortzahlungsbetrug.
Es muss vorweggesagt werden, dass Sie grundsätzlich nur dann einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung haben, wenn die Krankheit unverschuldet entstanden ist. Überschätzt sich der Arbeitnehmer bei einer Sportart leichtsinnig und verletzt sich dadurch, kann der Arbeitgeber Zahlungen ablehnen. Ihr Chef hat allerdings keine Berechtigung, Ihnen bestimmte Sportarten oder einen Urlaub an einem gefährlichen Ort zu verbieten, um Sie vor einer eventuellen Arbeitsunfähigkeit zu schützen.
Bei Arbeitsunfähigkeit muss der Arbeitgeber Ihren gewöhnlichen Lohn sechs Wochen weiterzahlen – vorausgesetzt Sie sind mindestens seit vier Wochen im Unternehmen und haben die Arbeitsunfähigkeit nicht selbst verschuldet (§ 3 EntgFG). In der Elternzeit oder bei bereits ausgesprochener Kündigung besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung.
Wer länger als sechs Wochen krank ist, kann ab dem 43. Tag Kranken- oder Verletztengeld beantragen. Privatversicherten steht das sogenannte Krankentagegeld zu, das solange gezahlt wird wie nötig. Das Krankengeld hingegen wird maximal 78 Wochen bzw. 546 Tage (in einem Zeitraum von drei Jahren) ausgezahlt und beträgt zwischen 70 % des Bruttogehalts bzw. bis zu 90 % des Nettoeinkommens. Die Drei-Jahresfrist zählt für jede Art von Erkrankung neu – zum Beispiel für eine Arbeitsunfähigkeit wegen eines Bandscheibenvorfalls und für einen Autounfall erneut. Für einen Neubeginn der Drei-Jahresfrist nach den vollausgeschöpften 78 Wochen Krankengeldbezug muss der Antragsteller zwischenzeitlich mindestens sechs Monate erwerbstätig oder arbeitssuchend gewesen sein. Wer länger als 78 Wochen krank ist, kann sich bei der Agentur für Arbeit, der Rentenversicherung und der Berufsunfähigkeitsversicherung über das weitere Vorgehen informieren.
Eine Arbeitsunfähigkeitsrente gibt es lediglich im Volksmund – sie ist eigentlich die Erwerbsminderungsrente. Um sie zu bekommen, müssen Sie zu jung für die normale Altersrente sein und mindestens fünf Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt haben. Darüber hinaus muss ein Arzt bestätigen, dass Sie teilweise oder vollwertig nicht mehr erwerbsfähig sind (Kriterien s. o.).
Bezüglich der Arbeitsunfähigkeit für Selbstständige sind die Regeln etwas anders. Sie müssen für den Fall einer Krankheit oder eines Unfalls vorsorgen, indem sie sich entweder gesetzlich oder privat versichern. Ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit bekommen Sie dann Krankengeld – ebenso wie ein Angestellter auch. Das Krankengeld beträgt dann 70 % des Einkommens, auf dessen Grundlage Sie Ihren Krankenkassenbeitrag gezahlt haben, aber maximal 101,50 Euro am Tag.
Während Sie sich aufgrund von Arbeitsunfähigkeit in einer Reha behandeln lassen, ruht das Arbeitsverhältnis. Das bedeutet, dass die arbeitsvertraglichen Pflichten entfallen – für Sie also die geschuldete Arbeitsleistung und für Ihren Chef die Lohnzahlung. Werden Sie nun als erwerbsgemindert entlassen – d. h. Sie können auf nicht absehbare Zeit weniger als 6 Stunden täglich arbeiten –, können Sie die oben erwähnte Erwerbsminderungsrente beantragen.
Bei einer teilweisen – ehemals Erwerbsunfähigkeitsrente genannten – Zahlung ruht das Arbeitsverhältnis weiterhin, sodass ein Wiedereinstieg zu einem späteren Zeitpunkt möglich ist. Möchten Sie Ihren Job wegen der Krankheit kündigen, gibt es mehrere Möglichkeiten. Von der Eigenkündigung wäre u. U. in den meisten Fällen abzuraten, da die Agentur für Arbeit eine Sperrzeit für das Arbeitslosengeld verhängen könnte – es sei denn, sie erkennt die Krankheit als wichtigen Kündigungsgrund an. Ein Aufhebungsvertrag, der eventuell sogar mit einer Abfindung verbunden ist, kann zunächst mit der Rentenversicherung abgesprochen werden, um sich finanziell abzusichern.
Laut DAK Gesundheitsreport 2016 waren im Jahr 2015 mehr als die Hälfte (50,9 %) aller Erwerbstätigen in Deutschland mindestens ein Mal krankgeschrieben. Häufigste Ursache: Muskel- und Skeletterkrankungen. Auf den Plätzen folgen psychische Erkrankungen, Atemwegsbeschwerden, Verletzungen und Unfälle, Probleme mit dem Kreislauf- oder Nervensystem. Unter engen Voraussetzungen können Sie sich sogar wegen eines Todesfalles arbeitsunfähig erklären lassen. Allerdings nur, wenn Sie durch die Trauer tatsächlich nicht in der Lage sind, klar zu denken und zu arbeiten. Ansonsten gibt es für diese schwere Zeit Sonderurlaub oder die Möglichkeit, sich freistellen zu lassen.
Voraussetzungen der Arbeitsunfähigkeit:
Bei der Krankschreibung beziehungsweise Arbeitsunfähigkeit gibt es vieles zu beachten. Ein Anwalt für Arbeitsrecht kann offene Fragen klären.
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