Diebstahl, Betrug und andere Pflichtverstöße berechtigen zur Kündigung. Haben Arbeitgeber nur einen dringenden Tatverdacht, aber keine Beweise, dürfen sie eine Verdachtskündigung aussprechen. Um den Vorwurf aufzuklären, ist eine Anhörung des Arbeitnehmers notwendig. Ohne Anhörung und Beweise hat die Kündigung keinen Bestand. Erfolgt die Entlassung aufgrund eines Verdachts, haben Arbeitnehmer gute Chancen, erfolgreich gegen die Kündigung vorzugehen.
Arbeitnehmer, die in erheblichem Maße gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen, riskieren eine Kündigung.
Kann der Arbeitgeber den Verdacht auf eine vertrags- oder rechtswidrige Tat des Arbeitnehmers eindeutig beweisen, ist eine sogenannte Tatkündigung zulässig. Zu unterscheiden sind fristlose (auch außerordentliche Kündigung genannt) und ordentliche Kündigung.
Eine fristlose Kündigung setzt voraus, dass Beweise für die Pflichtverletzung vorliegen.
Hat der Arbeitgeber einen dringenden Verdacht, aber noch keine Beweise für Diebstahl, falsche Spesenabrechnung oder Verrat von Betriebsgeheimnissen, ist der Mitarbeiter für das Unternehmen womöglich untragbar – und eine Kündigung auf Verdacht kommt in Frage.
Die für Gerichtsprozesse und den Staat geltende Unschuldsvermutung gilt in der Arbeitswelt übrigens nicht. Sprechen Arbeitgeber eine Verdachtskündigung jedoch zu Unrecht aus, haben Arbeitnehmer Anspruch auf Wiedereinstellung.
Eine Kassiererin fand im Jahr 2008 zwei nicht eingelöste Leergutbons im Wert von 1,30 Euro. Der Filialleiter wies sie an, die Belege bis zur Abholung durch die Eigentümer aufzubewahren. Die Kassiererin legte die Bons in eine für alle Mitarbeiter zugängliche Ablage.
Tage später löste die Kassiererin selbst 2 Leergutbons bei einem privaten Einkauf ein. Da diese Belege mit den ihr anvertrauten übereinstimmten, wurde sie des Diebstahls verdächtigt.
Die Kassiererin erhielt eine Verdachtskündigung. Die Belege sind ihr anvertraut worden. Es gab jedoch keine eindeutigen Beweise dafür, dass sie die Leergutbons gestohlen hat.
Das Arbeitsgericht Berlin bestätigte nach einer Kündigungsschutzklage durch die Kassiererin zunächst die Verdachtskündigung. Das Bundesarbeitsgericht gab der Kassiererin Emmely letztlich jedoch Recht, zwei Jahre nach der Kündigung auf Verdacht kehrte sie im Jahr 2010 als Kassiererin an ihren Arbeitsplatz zurück.
Eine Verdachtskündigung ist nur zulässig, wenn der Verdacht stark genug ist, dass auch eine fristlose Tatkündigung möglich wäre.
Bei Diebstahl ist eine fristlose Tatkündigung möglich. Ohne Beweise kann die Wahrscheinlichkeit jedoch groß sein, dass der Arbeitnehmer erfolgreich gegen die Kündigung vorgehen kann.
Deshalb kann es in einigen Fällen aus Arbeitgebersicht sinnvoll sein, zunächst auf die Verdachtskündigung zurückzugreifen. Mit der Anhörung des Arbeitnehmers klärt sich der Tatverdacht und der Arbeitgeber erhält gegebenenfalls Beweise für den Diebstahl.
Auch bei der Verdachtskündigung hat der Arbeitgeber die Wahl, eine außerordentliche oder ordentliche Entlassung auszusprechen.
Die außerordentliche Verdachtskündigung ist der Regelfall. Oft verbinden Arbeitgeber diese mit einer ordentlichen Kündigung wegen des Tatverdachts. Falls der Arbeitnehmer der außerordentlichen Kündigung widerspricht und das Gericht sie als unwirksam ansieht, ist die Entlassung durch die ordentliche Verdachtskündigung abgesichert.
Die Verdachtskündigung ist eine personenbedingte Kündigung. Der Arbeitnehmer ist bei dringendem Tatverdacht als Mitarbeiter untragbar.
Für eine Verdachtskündigung bestehen folgende Voraussetzungen:
Ein dringender Verdacht besteht, wenn der Arbeitnehmer die Pflichtverletzung mit hoher Wahrscheinlichkeit begangen hat. Der Verdacht muss aufgrund objektiver Tatsachen bestehen. Eine Vermutung reicht nicht aus.
Beispiel: Es sind Gelder oder Waren abhanden gekommen, auf die nur dieser Arbeitnehmer Zugriff hatte.
Der Arbeitgeber braucht in diesem Fall keine Aussagen von Mitarbeitern, die den Diebstahl gesehen haben. Es ist klar, wer Zugriff hatte, und nahezu ausgeschlossen, dass ein anderer Mitarbeiter den Rechtsverstoß begangen hat.
Gibt es 3 mögliche Täter, aber nur bei einem der Arbeitnehmer sichere Argumente für den Pflichtverstoß, darf der Arbeitgeber nicht „zur Sicherheit“ 3 Verdachtskündigungen aussprechen. Der Tatverdacht ist nicht konkret genug (Bundesarbeitsgericht 06.09.2007, Az. 2 AZR 722/06).
Festangestellte, die länger als 6 Monate im Unternehmen arbeiten, stehen unter Kündigungsschutz. Der Arbeitgeber benötigt für eine ordentliche Kündigung Beweise. Bei einer Verdachtskündigung gibt es diese Beweise noch nicht.
Um die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) trotzdem zu erfüllen, gilt Folgendes:
Die Verdachtskündigung muss verhältnismäßig sein. Es darf nach dem Fehlverhalten keine andere Option als die Entlassung geben. Dies ist der Fall, wenn das Vertrauensverhältnis für den Arbeitgeber gebrochen ist. Eine Zusammenarbeit ist nicht mehr zumutbar.
Berücksichtigen Arbeitgeber bei der Entscheidung über eine Kündigung die Interessen des Arbeitnehmers und die des Unternehmens, muss die Abwägung zugunsten der Unternehmensinteressen ausfallen.
Das Fehlverhalten muss die Unternehmensinteressen in einem Maße schädigen, dass Rücksicht auf die Situation des Arbeitnehmers nicht zumutbar ist. Der Tatverdacht muss stark genug sein, damit eine Verdachtskündigung zulässig ist.
Wenn diese Bedingungen bestehen, müssen Arbeitgeber zur rechtskonformen Verdachtskündigung ein bestimmtes Vorgehen und Fristen erfüllen.
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Sind vorgeworfene Pflichtverletzung und Verdachtsmomente stark genug, können Arbeitgeber zur Entlassung folgendes Vorgehen beachten:
Arbeitgeber haben 2 Wochen Zeit, um die außerordentliche Verdachtskündigung auszusprechen. Die Frist beginnt, sobald Verdachtsmomente für den Kündigungsgrund bestehen.
Innerhalb dieser 2 Wochen muss dem Arbeitnehmer eine angemessene Frist zur Vorbereitung auf die Anhörung bleiben. Üblich ist eine Woche. Ist der vorgeworfene Pflichtverstoß länger her, die Bedenkzeit aber zu kurz, dann kann die Verdachtskündigung unwirksam sein.
Die 2-wöchige Kündigungserklärungsfrist verlängert sich, wenn der Arbeitnehmer Urlaub hat oder krank ist.
Bei einer ordentlichen Verdachtskündigung gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen für Arbeitnehmer.
Die Anhörung des Arbeitnehmers vor der Kündigung dient dazu, den Verdacht aufzuklären. Der Arbeitnehmer muss die Chance haben, sich gegen den Vorwurf zu verteidigen. Die Verdachtskündigung darf keinen Unschuldigen treffen.
Die Anhörung des Arbeitnehmers verläuft wie folgt:
Arbeitnehmer können in Vorbereitung auf die Anhörung einen Anwalt kontaktieren. Der Anwalt prüft den Tatvorwurf und weiß, ob die Kündigung berechtigt ist. Er kann je nach Einzelfall beurteilen, welches Vorgehen geeignet ist, um den Vorwürfen entgegenzutreten. Der Anwalt kann auch während der Anhörung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vermitteln.
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Die Anhörung findet oft im Rahmen eines Personalgesprächs statt. Ein Protokoll des Gesprächsverlaufs ist sinnvoll. Kommt es zu einem Gerichtsverfahren, dient die Mitschrift als Beweismittel.
Zusätzlich zur Anhörung des Arbeitnehmers ist eine Anhörung des Betriebsrats zur geplanten Verdachtskündigung notwendig. Der Arbeitgeber muss Situation und Tatverdacht so schildern, dass der Betriebsrat sich ohne Nachforschungen ein eigenes Bild machen kann. Alle belastenden und entlastenden Fakten sind zu benennen. Erst mit Zustimmung der Mitglieder ist die Entlassung möglich.
Besteht der Tatverdacht nach der Anhörung weiterhin, darf der Arbeitgeber die außerordentliche Verdachtskündigung aussprechen. Es ist keine Abmahnung erforderlich.
Da die Anhörung den Verdacht bestätigt hat, ist auch eine Tatkündigung möglich. Die Tatkündigung stützt sich auf neue Beweise, die Ergebnis der Anhörung sind.
Trotzdem besteht das Risiko, dass der Arbeitnehmer den Vorwurf bestreitet und Klage einreicht. Die Beweise für die Tatkündigung müssen vor Gericht standhalten.
Um die Entlassung abzusichern, können Arbeitgeber 4 Kündigungen aussprechen:
Reichen die Beweise für die außerordentliche Tatkündigung vor Gericht nicht, gilt ersatzweise die außerordentliche Verdachtskündigung.
Zusätzlich kann der Arbeitgeber eine ordentliche Tat- und Verdachtskündigung aussprechen. Damit ist die Entlassung auch dann möglich, wenn das Gericht eine außerordentliche Kündigung als ungerechtfertigt beurteilt.
Die 4 Kündigungen kann der Arbeitgeber in einem Kündigungsschreiben zusammenfassen.
Vorgaben für das Kündigungsschreiben:
Wie jede Kündigung hat auch eine Verdachtskündigung Konsequenzen. Mit Ende des Arbeitsverhältnisses ist Folgendes zu klären:
Bestreitet der Arbeitnehmer die ihm vorgeworfene Tat, kann er Kündigungsschutzklage einreichen und gegen die Verdachtskündigung vorgehen. Die Klage muss innerhalb von 3 Wochen nach der Kündigung beim Arbeitsgericht eingehen.
Wichtig ist, dass die Beteiligten eindeutige Beweise vorlegen können, die ihre Position stärken. 2-Wochen-Frist der Kündigung, Anhörung und die 3-Wochen-Frist für die Einreichung der Klage geben Zeit, Beweise zu sammeln.
Vor Gericht stehen sich gegensätzliche Interessen und Argumente gegenüber. Ein Anwalt hilft dabei, vor Prozessbeginn Beweise zu beschaffen und eine Verteidigungsstrategie zu entwickeln.
Stichhaltige Argumentation erleichtert dem Gericht die Urteilsfindung. Ein schnelles Ende des Klageverfahrens ist im Sinne aller Beteiligten. Mit anwaltlicher Unterstützung lässt sich der Tatvorwurf anhand der geltenden Rechtslage klären.
Mit der Klage hat der Arbeitnehmer die Chance auf eine Abfindung nach der Kündigung. Bestätigt das Gericht, dass die Verdachtskündigung unzulässig ist, besteht ein Anspruch auf Entschädigung für die grundlose Verdächtigung. Dies schließt Angestellte staatlicher Einrichtungen ein, die Anspruch auf eine Abfindung im öffentlichen Dienst besitzen.
Eine Verdachtskündigung z. B. aufgrund eines Diebstahls hat für Arbeitnehmer keine Auswirkungen auf den Arbeitslosengeld-Anspruch.
Nach der außerordentlichen Kündigung ist aber eine Sperre des Arbeitslosengeldes möglich. Bei selbstverschuldeter Kündigung darf die Arbeitsagentur für bis zu 12 Wochen die Zahlung verweigern.
Nach Diebstahl, Betrug oder Geheimnisverrat muss der Arbeitgeber einen Strafantrag stellen. Die Ermittlungen im Strafverfahren laufen unabhängig vom Kündigungsprozess.
Ein Anwalt für Strafrecht kann Akteneinsicht im Strafverfahren beantragen und die Verteidigung des Arbeitnehmers vor Gericht übernehmen.
Arbeitgeber dürfen die Verdachtskündigung nicht leichtfertig nutzen, um Mitarbeiter loszuwerden. Die Kündigung ist aufgrund fehlender Beweise riskant.
Für eine gültige Verdachtskündigung ist eine Anhörung des Arbeitnehmers zwingend notwendig. Das Kündigungsschreiben muss formal korrekt und wahrheitsgemäß sein.
Hält Ihr Arbeitgeber sich nicht an die Vorgaben für die Kündigung oder hält trotz fehlender Beweise an der Entlassung, haben Sie gute Aussichten für die Anfechtung der Kündigung.
Ein Anwalt hilft Ihnen dabei, mit einer Kündigungsschutzklage gegen die widerrechtliche Kündigung vorzugehen.
Je nach Einzelfall müssen Sie bis zu 4 Kündigungen entkräften. Ein Anwalt setzt die vorhandenen Beweise so ein, dass dem Gericht Sachlage und Fehleinschätzungen des Arbeitgebers ersichtlich sind.
Mit aussagekräftiger Klageschrift und der richtigen Verteidigungsstrategie kann es gelingen, die Weiterbeschäftigung im Unternehmen zu erreichen.
Da das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber durch die grundlose Verdächtigung gestört ist, kann ein Anwalt zwischen Ihnen und dem Arbeitgeber vermitteln und eine Abfindung erreichen.
Gegen eine angemessene Entschädigung beenden beide Parteien das Arbeitsverhältnis einvernehmlich.
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Komplexe Rechtsthemen für Rechtsuchende verständlich aufzubereiten, braucht sprachliches Feingefühl. Als Teil der juristischen Redaktion von advocado gelingt es Julia Pillokat dank Germanistikstudium und ihrer Arbeit als Lektorin, für jedes Anliegen klare Lösungen zu formulieren, die dem Leser weiterhelfen.