Der besondere Kündigungsschutz besteht für Schwangere, Schwerbehinderte, Arbeitnehmervertreter, Schutzbeauftragte, Auszubildende, Wehrdienstleistende und Mitarbeiter in Pflege- oder Elternzeit. Der Gesetzgeber schützt sie vor Entlassungen – daher ist ihre Kündigung nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen möglich.
Missachtet der Arbeitgeber die gesetzlichen Vorgaben, können Arbeitnehmer die unzulässige Kündigung anfechten und eine angemessene Abfindung verhandeln oder ihre Wiedereinstellung im Unternehmen fordern.
Der Begriff Kündigungsschutz bezeichnet eine Vielzahl gesetzlicher Vorgaben, die Arbeitnehmer vor willkürlichen Entlassungen durch den Arbeitgeber schützen. Dabei ist zwischen dem allgemeinem und dem besonderen Kündigungsschutz zu unterschieden.
Verstößt eine Kündigung gegen das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) ist sie unzulässig und damit anfechtbar. Für eine rechtskonforme Kündigung durch den Arbeitgeber müssen folgende Punkte zutreffen:
Finden sich in Arbeits- oder Tarifverträgen abweichende Fristen, gilt nach § 4 TVG (= Tarifvertragsgesetz) die Frist, die sich für den Mitarbeiter als günstiger erweist.
Einige Arbeitnehmergruppen gelten als besonders schützenswert. Sie sind entweder wegen ihrer persönlichen Situation (z. B. bei Schwangerschaft) oder ihrer Stellung im Unternehmen (z. B. als Datenschutzbeauftragter) stärker vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes zu bewahren als andere Arbeitnehmer.
Möchte ein Unternehmen einen Mitarbeiter mit Sonderkündigungsschutz entlassen, muss er strenge gesetzliche Voraussetzungen erfüllen: Die Kündigung eines Schwerbehinderten erfordert beispielsweise die Zustimmung des Integrationsamtes. Ansonsten ist eine Schwerbehindertenkündigung ausnahmslos unzulässig.
Arbeitnehmer dürfen jederzeit kündigen. Allerdings ist bei Eigenkündigung eine Arbeitslosengeld-Sperre möglich.
Ist ein unzumutbares Arbeitsverhältnis der Kündigungsgrund (z. B. bei Beleidigungen, Nötigung, Belästigung oder Mobbing am Arbeitsplatz), verhängt die Bundesagentur für Arbeit i. d. R. keine Sperrfrist.
Der besondere Kündigungsschutz gilt für folgende Arbeitnehmer:
Menschen mit einem Grad der Behinderung (GdB) von mind. 50 gelten als schwerbehindert. Arbeitnehmer mit einem GdB von 30 oder 40 können bei der Bundesagentur für Arbeit ihre Gleichstellung beantragen.
Gleichgestellte haben denselben Status wie Menschen mit einem GdB von 50 und profitieren ebenfalls vom besonderen Kündigungsschutz Schwerbehinderter.
Im Einstellungsgespräch darf ein Arbeitgeber nicht nach einer Schwerbehinderung fragen (LAG BW 2010; Az. 4 Sa 18/10) oder einen Arbeitsplatz aufgrund eines Handicaps verweigern (= Diskriminierung).
Weiß der Arbeitgeber nichts von der Behinderung seines Mitarbeiters, besteht auch kein besonderer Kündigungsschutz.
Eine Schwerbehindertenkündigung – egal ob ordentlich, fristlos oder als Änderungskündigung – muss neben den allgemeinen Anforderungen laut KSchG folgende Voraussetzungen erfüllen:
Dank des Mutterschutzgesetzes gilt Kündigungsschutz in der Schwangerschaft ab dem Zeitpunkt der Empfängnis bis 4 Monate nach der Entbindung (= Mutterschutz). Ist der Arbeitgeber informiert, besteht ein Kündigungsverbot für werdende Mütter.
Der besondere Kündigungsschutz während der Elternzeit gilt, sobald die Mütter oder Väter den Antrag auf Elternzeit stellen bzw. frühestens 8 Wochen vor ihrer Freistellung. Auch Arbeitnehmer, die eine Eltern-Teilzeit beantragen, genießen besonderen Kündigungsschutz.
Wegen ihrer bedeutenden Rolle im Unternehmen stehen Arbeitnehmervertreter wie Betriebsratsmitglieder unter besonderem Kündigungsschutz und sind nicht ordentlich kündbar.
Denn die Vertreter und Schutzbeauftragten kämpfen für die Einhaltung Ihrer Arbeitnehmerrechte: Der Betriebsrat wacht beispielsweise darüber, dass das Unternehmen die gesetzlichen Vorgaben einhält.
Neben Betriebsratsmitgliedern genießen diese Mitarbeiter Sonderkündigungsschutz:
Auch ein mehrfacher Sonderkündigungsschutz ist möglich. Eine schwerbehinderte, schwangere Betriebsrätin hätte beispielsweise
Für Auszubildende gilt eine Probezeit zwischen 4 Wochen und maximal 4 Monaten. Entscheidet sich der Ausbildungsbetrieb gegen den Azubi, ist eine fristlose Kündigung in der Probezeit problemlos möglich.
Nach Ablauf der Probezeit genießt der Azubi besonderen Kündigungsschutz nach § 22 BBiG (= Berufsbildungsgesetz).
Wenn Wehr- bzw. Ersatzdienstleistende ihren Einberufungsbescheid erhalten, sind laut § 2 ArbPlSchG (= Arbeitsplatzschutzgesetz) Kündigungen bis zum Ende des Grundwehr- bzw. Zivildienstes ausgeschlossen. Eine während dieser Schutzfrist ausgesprochene Kündigung ist in jedem Fall unzulässig.
Gemäß § 5 PflegeZG (= Pflegezeitgesetz) besteht besonderer Kündigungsschutz für Arbeitnehmer, die ihre Angehörigen pflegen. Hat der Mitarbeiter die Pflegezeit beim Arbeitgeber schriftlich angemeldet, besteht Kündigungsverbot.
Ein Mitarbeiter weiß im Januar 2019, dass er ab Mitte Juli seine Mutter pflegen muss. Er setzt seinen Arbeitgeber umgehend in Kenntnis und genießt bereits 6 Monate vor Eintreten der Pflegezeit besonderen Kündigungsschutz.
Nach § 34 TVöD (= Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst) besteht für Beschäftigte im öffentlichen Dienst, die älter als 40 und seit mehr als 15 Jahren angestellt sind, Kündigungsverbot.
Eine Kündigung ist nur aus triftigen Gründen möglich (z. B. als krankheitsbedingte Kündigung wegen häufigen Kurzzeiterkrankungen) und resultiert für Angestellte oftmals in einer Abfindung im öffentlichen Dienst.
Das bedeutet, dass im öffentlichen Dienst vor allem ältere Menschen (ab 55 Jahren) durch Unkündbarkeit vom besonderen Kündigungsschutz profitieren.
Vereinbarungen zur Unkündbarkeit sind u. a. hier zu finden:
Möchte ein Unternehmen gleichzeitig mehreren Arbeitnehmern kündigen, ist gemäß § 17 KSchG eine Massenentlassungsanzeige bei der Arbeitsagentur erforderlich.
Beschäftigt ein Unternehmen beispielsweise zwischen 21 und 59 Mitarbeiter, handelt es sich um eine Massenentlassung, wenn mindestens 5 Arbeitnehmer innerhalb eines Monats Kündigungen erhalten sollen.
Dann besteht für mindestens 1 Monat eine Entlassungssperre. Das Unternehmen darf Kündigungen aussprechen, jedoch sind diese frühestens nach Fristablauf wirksam.
Außerdem ist der Betriebsrat zu informieren über
Ein advocado Partner-Anwalt erläutert Ihnen in einer kostenlosen Ersteinschätzung Ihre Handlungsoptionen.
Trotz verbindlichen gesetzlichen Vorgaben ist es möglich, dass Arbeitnehmer ihren besonderen Kündigungsschutz verlieren.
Dann gilt kein besonderer Kündigungsschutz:
Wenn Sie eine unzulässige Kündigung erhalten, müssen Sie diese nicht hinnehmen: Sie können um eine angemessene Bedenkzeit bitten und Ihre Optionen prüfen.
Sie können Folgendes tun:
Gemäß § 38 SGB III sind Sie verpflichtet, sich binnen 3 Tagen nach Erhalt Ihrer Kündigung bei der Arbeitsagentur arbeitssuchend zu melden. Ihr Kündigungsschreiben dient dabei als Nachweis.
Der Gang zur Arbeitsagentur ist auch vonnöten, wenn Ihre Kündigung unzulässig ist, Sie widersprechen möchten oder ein Kündigungsschutzverfahren anstreben. Denn sonst sperrt Ihnen die Arbeitsagentur das Arbeitslosengeld für bis zu 3 Monate.
Der Arbeitgeber hat die Möglichkeit, Sie von der Arbeit freizustellen – damit sind Ihre Ansprüche auf Resturlaub oder Überstunden abgegolten.
Erhalten Sie keine Freistellung, müssen Sie bis zum Ablauf der Kündigungsfrist Ihrer Arbeit nachgehen.
Haben Sie alle Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten bis zum Ende Ihres Arbeitsverhältnisses erfüllt, darf Ihnen Ihr Arbeitgeber kein negatives Arbeitszeugnis ausstellen. Sind Sie sich unsicher, ob das Zeugnis fair ist, können Sie Ihr Arbeitszeugnis prüfen lassen.
Neben den Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes müssen Arbeitgeber eine Vielzahl von Voraussetzungen erfüllen, damit die Kündigung rechtswirksam ist.
Folgendes muss ein Kündigungsschreiben enthalten:
Unterlaufen dem Arbeitgeber inhaltliche oder formale Fehler, ist die Kündigung anfechtbar. Ob im individuellen Fall ein gerichtliches Kündigungsschutzverfahren Erfolg verspricht oder nicht, kann ein Anwalt rechtssicher einschätzen.
advocado findet für Sie den passenden Anwalt. Er kontaktiert Sie für eine kostenlose Ersteinschätzung zu Ihrem Anliegen.
Verdeutlichen Sie gegenüber Ihrem Vorgesetzten, dass Sie die Kündigung nicht akzeptieren, indem Sie z. B. Ihre Unterschrift auf einem angebotenen Aufhebungsvertrag verweigern.
Informieren Sie auch den Personal- oder Betriebsrat über die Unrechtmäßigkeit der Kündigung, gegen welche Sie Kündigungsschutzklage einreichen möchten.
Klageziel ist die Überprüfung Ihrer Kündigung. Ist sie unrechtmäßig, muss das Unternehmen Sie weiterhin beschäftigen. Da die Wiedereinstellung vermutlich nicht im beiderseitigen Interesse ist, sind viele Arbeitgeber zu einer gütlichen, außergerichtlichen Einigung bereit – auch um eine teure Auseinandersetzung vor dem Arbeitsgericht zu vermeiden.
Wenn Sie die Klage zurückziehen, erhalten Sie im Gegenzug häufig eine einmalige Abfindung in Verbindung mit einem Aufhebungsvertrag.
Ist keine Einigung möglich, ist ein gerichtliches Kündigungsschutzverfahren die letzte Option für Arbeitnehmer. Die Klagefrist ist kurz – binnen 3 Wochen müssen Sie beim zuständigen Arbeitsgericht Klage einreichen.
Der Grund: Nach Fristablauf besteht keine Möglichkeit mehr, gegen die Kündigung Widerspruch einzulegen und eine angemessene Abfindung geltend zu machen.
Mit unserem Abfindungsrechner können Sie ganz einfach per Klick herausfinden, welche Abfindungssumme in Ihrem Fall möglich wäre:
In der 1. Instanz eines Kündigungsschutzprozesses besteht kein Anwaltszwang. Das bedeutet, Sie können die Klageschrift einreichen und sich im Prozess selbst gegen Ihren Arbeitgeber vertreten. Das spart Gerichts- und Anwaltskosten.
Da sich die Arbeitgeberseite arbeitsrechtlich vertreten lassen wird, kann es sinnvoll sein, einen Anwalt für Arbeitsrecht zu beauftragen. Er kann für Chancengleichheit sorgen und Ihre Kündigung auf Unzulässigkeiten prüfen.
Der Anwalt kann der Kündigung widersprechen und Sie gegen Ihren Arbeitgeber vertreten, bis er eine faire Abfindung oder Ihre Wiedereinstellung erfolgreich durchgesetzt hat.
Er kann Sie bei folgenden Aufgaben unterstützen:
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Als Mitglied der juristischen Redaktion von advocado widmet sich Jasmin Leßmöllmann komplexen Fragestellungen aus dem Arbeits-, Medizin- und Erbrecht. Dabei ist sie bestrebt, dem Leser schwierige juristische Sachverhalte verständlich aufzubereiten und die beste Lösung anzubieten.