Nicht immer kommen Ärzte ihrer Auskunftspflicht ordnungsgemäß nach. Der sogenannte Aufklärungsfehler erfolgt noch vor der eigentlichen Behandlung. 2017 verzeichneten die Krankenkassen mehr als 2.200 Verstöße gegen die ärztliche Aufklärungspflicht. In rund 80 % der Fälle wurden betroffene Patienten dafür entschädigt. Um Schmerzensgeld bzw. Schadensersatz nach einem Aufklärungsfehler zu erhalten, müssen Patienten umfassende Nachweispflichten erfüllen und die entstandenen Schäden genau beziffern.
Mit Unterstützung vom Anwalt:
Es gibt den Grundsatz der ärztlichen Aufklärungspflicht. Patienten haben das Recht auf die umfassende Besprechung eines Eingriffs bevor sie in eine Behandlung einwilligen.
Das Aufklärungsgespräch schafft die Grundlage für die spätere, fundierte Entscheidung des Patienten. Deshalb muss der behandelnde Arzt den Patienten über Folgendes informieren:
Erfolgt ein Eingriff ohne Aufklärung oder Einverständnis des Patienten, liegt eine Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht vor. Hat dieser Aufklärungsfehler nachweislich gesundheitliche Beeinträchtigungen verursacht, kann der betroffene Patient den behandelnden Arzt verklagen.
Betroffene Patienten haben gegenüber dem Verursacher einen Anspruch auf finanzielle Entschädigung in Form von Schadensersatz oder Schmerzensgeld.
Patienten haben nach einem Aufklärungsfehler ein Recht auf Entschädigung. Um Schmerzensgeld bzw. Schadensersatz zu erhalten, müssen sie den Arztfehler unter Einhaltung der Verjährungsfrist als Schadensursache benennen. Handfeste Beweise sind nicht notwendig. Der behandelnde Arzt muss nachweisen, alles richtig gemacht zu haben.
Im Gegensatz zum Diagnose-, Kunst- oder Befunderhebungsfehler steht im Falle eines Aufklärungsfehlers der behandelnde Arzt oder das Krankenhaus in der alleinigen Beweispflicht. Diese müssen nachweisen, dass auch nach korrekter Aufklärung eine spätere Einwilligung seitens des Patienten erfolgt wäre.
Verläuft die Besprechung des therapiegerechten Verhaltens zur Sicherung des Heilungserfolgs (= Sicherungsaufklärung) fehlerhaft, ist dies ein Behandlungsfehler: Der Patient steht in der Beweispflicht.
Normalerweise sichern sich Ärzte und medizinisches Personal mit Einverständniserklärungen gegen einen Schmerzensgeldanspruch oder Schadensersatzanspruch von Patienten ab.
Haben Patienten eine solche Einwilligung unterzeichnet, sind Nachlässigkeiten bei der Aufklärung, die Behandlung sowie gesundheitliche Schäden umfassend zu dokumentieren.
Die Ansprüche auf Schmerzensgeld bzw. Schadensersatz verjähren nach 3 Jahren. Die Frist beginnt dabei mit Ende des Jahres, in dem Aufklärungsfehler und gesundheitliche Schäden entstanden sind und der Patient Kenntnis von diesen Schäden erlangt hat.
Hier gibt es allerdings 2 Sonderregelungen:
Um nach einem Aufklärungsfehler oder bei Verletzung der Aufklärungspflicht eine Entschädigung zu erhalten, sind die konkreten Schäden zu bestimmen. Aus diesen leitet sich eine angemessene Forderung ab.
Ein Patient kann Schmerzensgeld beantragen, wenn ihm infolge eines durch Ärztepfusch verursachten Aufklärungsfehlers immaterielle Schäden entstanden sind. Die Höhe des Schmerzensgeldes richtet sich dabei nach den individuellen Beeinträchtigungen und wird u. a. durch folgende Faktoren beeinflusst:
Um eine angemessene Schmerzensgeldforderung zu bestimmen, kann auf sogenannte Schmerzensgeldtabellen zurückgegriffen werden. Diese bieten einen Überblick über Gerichtsurteile ähnlicher Fälle und dienen als eine erste grobe Orientierungshilfe.
In der folgenden Schmerzensgeldtabelle finden Sie relevante Urteile zu Schmerzensgeldern nach Aufklärungsfehlern:
Sachverhalt |
Schmerzensgeld |
Urteil |
Bandscheibenprothese per Neulandmethode eingesetzt |
20.000 € |
OLG Hamm 2014 |
Dauerhafter Haarverlust durch Medikament (Brustkrebs) |
20.000 € |
OLG Köln 2016 |
Medikamentenabhängigkeit (Benzodiazepine) |
30.000 € |
OLG Dresden 2018 |
Entfernung weiblicher Geschlechtsorgane bei intersexueller Patientin |
100.000 € |
LG Köln 2009 |
Fehlerhafte Lymphknotenentfernung |
120.000 € |
LG Dortmund 2016 |
Oberschenkel-Amputation nach Nervenverletzung bei Knie-OP |
125.000 € |
OLG Köln 2017 |
Schwere Hirnschäden nach Herz-OP |
125.000 € |
OLG Frankfurt (Main) 2009 |
Darmperforation & Bauchfellentzündung, Folge-OPs, Intensivaufenthalt, Frührente mit 48 Jahren |
220.000 € |
OLG Hamm 2017 |
Während Schmerzensgeld physische und psychische Schäden ausgleichen soll, kompensiert Schadensersatz materielle Verluste. Die Berechnung der genauen Entschädigungssumme für einen Aufklärungsfehler erfolgt auf Grundlage tatsächlich entstandener Kosten. Dabei kommen infrage:
Für die gesetzlichen Krankenkassen besteht ebenfalls die Option, Schadensersatz einzufordern, wenn diese die Kosten der durch den Aufklärungsfehlers notwendigen zusätzlichen Behandlung zu tragen haben.
Eine Entschädigung nach einem Aufklärungsfehler kann zunächst außergerichtlich angestrebt werden. Dafür ist eine schriftliche Forderung an Arzt oder Krankenhaus bzw. deren Versicherung zu richten.
In diesem Schreiben sind die Entschädigungsforderung und die Ansprüche nach einem Aufklärungsfehler umfassend zu begründen. Alle dafür relevanten Dokumente und Beweise sind dem Schreiben beizulegen. Außerdem ist eine angemessene Frist zur Auszahlung zu bestimmen.
Bei außergerichtlichen Verhandlungen unterstützen die Schlichtungsstelle des betroffenen Krankenhauses, die Unabhängige Patientenberatung Deutschland, der Deutsche Patientenbund, jede gesetzliche Krankenversicherung und die Ärztekammern. Diese Schlichtungsverfahren können allerdings bis zu zwei Jahre dauern – bei offenem Ausgang.
Ist keine außergerichtliche Einigung mit der Gegenseite möglich, kann der betroffene Patient Klage einreichen. Auch vor Gericht müssen Aufklärungsfehler, Gesundheitsschäden und Entschädigungsansprüche zweifelsfrei nachgewiesen werden.
Bei der Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen können Kosten entstehen.
So sind bei der gerichtlichen Durchsetzung von Schmerzensgeld bzw. Schadensersatz nach einem Aufklärungsfehler u. a. Kosten für Folgendes möglich:
Um die Erfolgsaussichten der Durchsetzung einer Entschädigung zu erhöhen, ziehen betroffene Patienten häufig einen spezialisierten Anwalt hinzu. Dessen Tätigkeit löst auf Grundlage des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) zusätzliche Kosten aus.
Aufgrund der Einzigartigkeit jedes Aufklärungsfehlers lassen sich diese Kosten nicht konkret beziffern. Aber: Die Gegenseite übernimmt bei erfolgreicher Durchsetzung einer Entschädigung sämtliche Anwalts- und Gerichtskosten.
Darüber hinaus lässt sich eine juristische Durchsetzung von Schmerzensgeld bzw. Schadensersatz nach einem Aufklärungsfehler durch folgende Möglichkeiten finanzieren:
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Fehler sind menschlich – betreffen sie die medizinische Behandlung, können Sie gravierende Folgen für Patienten haben. Um die negativen Auswirkungen zu kompensieren, besteht ein Anspruch auf Schmerzensgeld bzw. Schadensersatz.
Wenn Sie davon ausgehen, dass einem Arzt ein Aufklärungsfehler unterlaufen ist oder die Aufklärungspflicht verletzt wurde, können Sie wie folgt vorgehen:
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Als Mitglied der juristischen Redaktion von advocado widmet sich Jasmin Leßmöllmann komplexen Fragestellungen aus dem Arbeits-, Medizin- und Erbrecht. Dabei ist sie bestrebt, dem Leser schwierige juristische Sachverhalte verständlich aufzubereiten und die beste Lösung anzubieten.