Falsche Diagnosen, unnötiges Ziehen von Zähnen oder eine fehlerhafte Wurzelbehandlung: In diesen und anderen Fällen können Patienten für zahnmedizinische Fehler Ersatz der Aufwendungen, finanzielle Wiedergutmachung oder Schmerzensgeld verlangen. Möchten Sie Ihren Zahnarzt verklagen? Wie Sie dazu vorgehen können, lesen Sie in diesem Artikel.
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Nicht jedem Patienten stehen Schadensersatz oder Schmerzensgeld aufgrund von Behandlungsfehlern zu. Um seinen Zahnarzt verklagen zu können, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein und einige Fragen vorab geklärt werden.
Beklagter bei Zahnarztbesuch in ambulanter Behandlung:
Gem. § 630 a ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) wird ein Behandlungsvertrag eingegangen, sobald ein Arzt in seiner eigenen Praxis Patienten behandelt. Nach diesem muss der Arzt für sein Fehlverhalten oder ggf. für Fehler seines Personals (z. B. einer Arzthelferin) haften.
Beklagter bei Klinikaufenthalt in stationärer Behandlung:
Je nach Vertragsart (totaler Krankenhausaufnahmevertrag, totaler Krankenhausaufnahmevertrag mit Arztzusatzvertrag, gespaltener Krankenhausaufnahmevertrag) zwischen Klinik und Patient ist zu entscheiden, wer bei fehlerhafter Behandlung haftet. Mit jedem Vertrag ändert sich auch die Art der Haftung.
Neben der Definition des Beklagten ist es weiterhin essenziell festzustellen, ob ein Behandlungsfehler vorliegt, um seinen Zahnarzt verklagen zu können. Für einen durchsetzbaren Anspruch auf Schadensersatz muss grundsätzlich ein Fehlverhalten begangen worden sein.
Gemäß § 630a Abs. 2 BGB hat die Behandlung nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen, soweit keine andere Vereinbarung zwischen Zahnarzt und Patient getroffen wurde. Hält sich ein Zahnarzt bei einer medizinischen Behandlung nicht an diese Standards oder weicht von ihnen ab, liegt ein Behandlungsfehler vor. So auch in einem Fall aus dem Jahr 2006: Als ein Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf, liegt ein grober Behandlungsfehler vor (Urteil, 2006, Az.: VI ZR 172/95). Hierbei handelt es sich dann sogar um einen groben Behandlungsfehler, denn er hat gemäß § 630 h Abs. 5 BGB eine Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit herbeiführt, die ursächlich für den eingetretenen Schaden war.
Behandlungsfehler, die auch als ärztliche Kunstfehler bezeichnet werden, können medizinischer Art sein – durch z. B. Fehler während einer Operation oder durch das Verschreiben eines falschen Medikaments. Ebenso kann eine mangelhafte Organisation oder fehlerhaftes Verhalten des ärztlichen oder medizinischen Personals als Behandlungsfehler gelten.
Der behandelnde Zahnarzt ist gem. § 630e BGB zudem dazu verpflichtet, den Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären. Hier spielen insbesondere
eine Rolle.
Zur Aufklärung gehört jedoch nicht nur die Nennung der vorgeschlagenen Methode, sondern auch der Hinweis auf alternative Behandlungsmaßnahmen, die gleichermaßen unterschiedliche Belastungen, Risiken oder Heilungschancen haben. Ein Behandlungsfehler kann dann ebenfalls vorliegen, sobald der Zahnarzt dieser Verpflichtung nicht nachkommt.
Damit Sie Ihren Zahnarzt verklagen können, muss das beschriebene Fehlverhalten dem Behandelnden auch zuzuschreiben sein. Der vom behandelnden Arzt verursachte Behandlungsfehler muss also kausal zur Verletzung des Patienten geführt haben. Der Behandelnde muss ebenfalls schuldhaft – also unter Verstoß gegen die verkehrsübliche Sorgfalt – gehandelt haben (gem. § 276 Abs. 2 BGB).
Weiterhin muss ein Schaden vorliegen, um Schadensersatz geltend machen zu können. Folgende Schadensarten gibt es:
Im Fall eines Behandlungsfehlers muss in den meisten Fällen – nämlich bei einfachen behandlungsfehlern – der Patient beweisen, dass der Zahnarzt einen Fehler gemacht hat. Die objektive Beweislast liegt also beim Kläger und führt deshalb häufig zu Schwierigkeiten. Handelt es sich jedoch um einen groben Behandlungsfehler, kehrt sich die Beweislast um. Der behandelnde Zahnarzt muss hier also selber beweisen, dass er keinen Fehler gemacht hat.
Nach § 630f BGB ist der behandelnde Zahnarzt dazu verpflichtet, seine Befunde, Diagnosen und Behandlungen zu dokumentieren. Die Dokumentationspflicht stellt in einem Arzthaftungsprozess zwar noch keine Anspruchsgrundlage dar, es kann jedoch zu einer Beweiserleichterung bzw. zu einer Beweislastverschiebung zugunsten des Patienten kommen.
Die Höhe des Schadensersatzes kann gemindert werden, wenn der Patient eine Mitschuld trägt. Diese besteht, wenn Sie die Anweisungen Ihres Arztes nicht oder nur teilweise befolgen oder wichtige medizinische Vorbelastungen verschweigen.
Generell liegt die Verjährungsfrist eines Schadensersatzanspruches bei drei Jahren. Sie beginnt am Ende des Jahres, in dem der Geschädigte und der Schädiger Kenntnis vom Behandlungsfehler erlangt haben. Ein Patient erfährt beispielsweise im Sommer 2016, dass er einen Schaden durch einen Behandlungsfehler erlitten hat. Seine Verjährungsfrist läuft demnach zum 31. Dezember 2019 ab.
Die Erlangung der Kenntnis des Schadens auf beiden Seiten steckt voller rechtlicher Schwierigkeiten. So beginnt die Verjährungsfrist z. B. bereits dann, wenn Kenntnis entsteht, ohne dass jedoch die Tragweite des Schadens erkennbar ist.
Wenn Patienten z. B. das Recht auf Einsicht in die Patientenakte verweigert wird, beginnt die Verjährungsfrist nicht. Weiterhin kann die Verjährungsfrist durch z. B. Verhandlungen zwischen Schädiger und Geschädigtem durch die Beantragung einer Schlichtung bei einer ärztlichen Schlichtungsstelle gehemmt werden. Das bedeutet, dass diese Zeit dann nicht zur Frist hinzuzählt. Wenn Verhandlungen oder Schlichtungen dann nicht erfolgreich waren, gelten unterschiedliche Fristen.
Bevor Patienten ihren Zahnarzt verklagen, können sie sich über die eigenen Ansprüche und Rechte informieren:
Bei Pfusch an den Zähnen können sich Patienten wehren, denn Behandlungsfehler können zur Verschlechterung des allgemeinen Gesundheitsstandes und über kurz oder lang auch zu finanziellen Belastungen führen.
Wenn Sie einen Behandlungsfehler des Zahnarztes feststellen, können Sie im ersten Schritt das Gespräch mit ihm suchen und ihn auf sein (Fehl-)Verhalten ansprechen. Kann ein Patient z. B. durch ein Implantat nicht richtig beißen, kann er vom Zahnarzt Nacherfüllung verlangen und ihn damit konfrontieren. Der Zahnarzt entscheidet, ob er in diesem Fall nachbessert oder einen Ersatz anfertigt.
Bringt ein Gespräch Patienten nicht weiter, weil der Zahnarzt notwendige Verbesserungen verweigert oder der Zahnersatz völlig unbrauchbar ist, kann der Patient die Behandlung abbrechen und seinen Zahnarzt wechseln. Ist der Patient gesetzlich versichert, kann in diesem Fall Rücksprache mit der zuständigen Krankenkasse gehalten werden. Der erstbehandelnde Arzt muss für die Nachbehandlung durch einen Kollegen Schadensersatz übernehmen. Dieser Zahnarzt muss dann zwei Jahre lang gratis nachbessern oder durch den Pfusch entstandene Schäden wie eine Zweitbehandlung ersetzen, wenn die Arbeit bereits von Beginn an mangelhaft war.
Wenn das Gespräch mit dem Zahnarzt nicht weiterführt und Sie nicht wissen, was Sie nun tun sollen, kann der nächste Schritt der kostenlose Anruf bei einer von den Zahnärztekammern und Kassenärztlichen Vereinigungen eingerichteten Patientenberatungsstellen sein.
Sollten Beratungsangebote nicht zu einer Einigung mit dem Zahnarzt oder seiner Haftpflichtversicherung führen, ist der Kontakt zur Krankenkasse für gesetzlich Versicherte unbedingt notwendig. Diese kann die Arbeit des Zahnmediziners durch ein internes Gutachten des medizinischen Dienstes prüfen. Läuft das Ergebnis auf einen Behandlungsfehler hinaus, kann der gesetzlich versicherte Patient ein Gutachterverfahren einleiten. Dieses wird zwischen Kassenärztlicher Vereinigung und den Krankenkassen vereinbart. Das Ergebnis des Gutachtens ist eine Empfehlung, die z. B. eine Nachbesserung beinhaltet. Das Gutachter- oder auch Schlichtungsverfahren können Sie nur einleiten, wenn Sie nicht bereits geklagt haben.
Alle vom Gutachterverfahren nicht Erfassten sowie privat versicherte Patienten sollten sich an Schlichtungsstellen wenden, die unverbindlich Empfehlungen aussprechen.
Haben die bereits erläuterten Schritte keine Einigung ergeben, können Sie Ihren Zahnarzt verklagen. Vorab sollten Patienten jedoch wissen, dass der Gang vor Gericht und die Strategie von Anwälten die Auseinandersetzung verkompliziert, ihnen aber auch Recht zugesprochen werden kann. Behandlungsfehler können im Zweifel nur Gutachter beweisen, die während des Prozesses vom Gericht gestellt werden. Zu beachten ist hier: Wurde der Pfusch an den Zähnen bereits behoben, ist das wichtigste Beweismittel vernichtet. Wer also nach der Behandlung eines Zahnarztes Probleme hat, kann diese deshalb vor der Weiterbehandlung durch einen anderen Arzt begutachten lassen. Zur Vorbereitung einer Klage können Sie dafür ein Privatgutachten bestellen, dessen Kosten Sie im Falle eines Prozesses wiederbekommen können. Der vom Patienten berufene Privatgutachter hat vor Gericht jedoch nicht denselben Wert wie ein vom Gericht beauftragter.
Eine schnelle Beweissicherung ohne Klage ermöglicht das sogenannte selbstständige Beweisverfahren. Dieses Verfahren wird beim zuständigen Amtsgericht beantragt. Daraufhin wird ein neutrales Gutachten beauftragt. Dieses gilt häufig als Basis einer Einigung oder kann im Falle eines Gerichtsprozesses später verwendet werden. Das Gutachten entscheidet, wer im Unrecht ist und dementsprechend zahlen muss. Generell gilt: Die Kosten des Verfahrens müssen vom Antragsteller oder der Rechtsschutzversicherung vorgeschossen werden, können aber bei positivem Ausgang wieder zurückgefordert werden.
Wenn sich Patienten und Zahnärzte außergerichtlich nicht einigen können, können Sie Klage einreichen. Bei Forderungen über 5.000 Euro ist der Weg zum Anwalt essenziell, da diese Klage dann beim Landgericht eingereicht werden muss. Verfahren mit niedrigeren Streitwerten können am Amtsgericht ohne anwaltliche Betreuung bestritten werden – trotzdem ist juristische Unterstützung zu empfehlen.
Von Klägern, die eine Rechtsschutzversicherung haben, werden sämtliche Kosten übernommen. Patienten ohne Rechtsschutzversicherungen können versuchen, einen Prozessfinanzierer zu finden, der die gesamten Kosten trägt. Häufig ist dies aber auf Streitwerte von mindestens 50.000 Euro begrenzt und sie fordern eine Gewinnbeteiligung von meist rund 30 Prozent.
Auch für Opfer, die ihren Zahnarzt verklagen wollen und kein ausreichendes Einkommen beziehen, gibt es Lösungswege. Beim zuständigen Gericht kann z. B. Prozesskostenhilfe beantragt werden. Im Falle eines Rechtszuspruchs übernimmt dann der Staat einkommensabhängig einen Teil – manchmal sogar die gesamten Verfahrenskosten.
Schmerzensgeld hat sowohl eine Ausgleichs- als auch eine Genugtuungsfunktion und soll erlittenen immateriellen Schaden – im Gegensatz zum finanziellen Schaden – angemessen ausgleichen. Gem. § 253 BGB ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten. Im Falle eines Behandlungsfehlers wurde widerrechtlich in Ihre Gesundheit eingegriffen, sodass ein solcher Anspruch gerechtfertigt ist. Um vor Gericht letztendlich Schmerzensgeld zugesprochen zu bekommen, muss der Behandlungsfehler auch tatsächlich erlebte Schmerzen verursacht haben, so das Oberlandesgericht Koblenz 2004 (Az. 5 U 331/04).
Die Höhe des Schmerzensgeldes wird von den Gerichten meistens anhand sog. Schmerzensgeldtabellen bestimmt. In diesen Tabellen sind bereits von Gerichten zugesprochene Schmerzensgeldbeträge sowie die dazugehörigen Verletzungsarten aufgelistet – sie sind daher eine gute Referenz. Auch die inflationsbedingte Verzerrung des Preisniveaus spielt bei der Bestimmung des Schmerzensgeldes eine Rolle.
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