Widerrufsbelehrungen von Darlehens- oder Kreditverträgen können fehlerhaft sein. Wurden Darlehensnehmer nicht ordnungsgemäß belehrt, ist ein Widerruf des Vertrages ggf. noch Jahre später möglich. Verbraucher können so ihren hochzinsigen Kreditvertrag widerrufen und auf ein günstigeres Darlehen umschulden.
Vor Abschluss einer Versicherung, eines Darlehens- oder Leasingvertrages sowie Immobilien- oder Autokredits müssen Kreditinstitute ihre Kunden klar und unmissverständlich über ihr 14-tägiges Widerrufsrecht belehren. Vielen Banken sind jedoch über Jahre hinweg Fehler in ihren Widerrufsbelehrungen unterlaufen.
Wenn wichtige Pflichtinformationen fehlen, Inhalte mehrdeutig sind oder von den gesetzlichen Vorgaben abweichen, ist die Widerrufsbelehrung ungültig.
Dann gilt die 14-tägige Widerrufsfrist nicht. Kreditnehmer können dann ihren sogenannten Widerrufsjoker ausspielen und ihren Vertrag auch Jahre später noch widerrufen und sich mit einem günstigeren Kreditvertrag Zinsvorteile sichern.
Von fehlerhaften Widerrufsbelehrungen sind u. a. Verträge folgender Kreditinstitute betroffen:
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In seinem Urteil vom 26.03.2020 räumte der Europäische Gerichtshof (EuGH) ein, dass eine Widerrufsbelehrung ungültig ist, wenn sie den sogenannten Kaskadenverweis enthält (C-66/19). Der Kaskadenverweis besagt, dass die Widerrufsfrist einsetzt, wenn der Verbraucher alle Pflichtangaben vorliegen hat. Welche Pflichtangaben das sind, sagt der Kaskadenverweis aber nicht – dadurch ist er zu unbestimmt.
Der Meinung des EuGH steht noch dies Bundesgerichtshofs entgegen – dieser hält Widerrufsbelehrungen trotz Kaskadenverweis für zulässig. Künftige Gerichtsverfahren werden zeigen, ob sich die Meinung des EuGH oder die des Bundesgerichtshofs durchsetzt.
Die folgenden Beispiele für fehlerhafte Widerrufsbelehrungen eines Darlehensvertrages zeigen besonders häufige Fehler, die Gerichte in verschiedenen Urteilen als unzulässig einstuften.
Fallen Ihnen diese Fehler in der Widerrufsbelehrung Ihres Vertrages auf, bestehen gute Chancen für einen erfolgreichen Widerruf:
Seit 30. Juli 2010 sind folgende Pflichtangaben im Verbraucherdarlehensvertrag unverzichtbar. Fehlen diese, können Verbraucher ihren Vertrag widerrufen:
Wird der Beginn der Widerrufsfrist angegeben mit „Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“, ist die Widerrufsbelehrung fehlerhaft und der Vertrag widerrufbar.
Das Wort „frühestens“ beurteilt die Rechtsprechung als verwirrend für Darlehensnehmer – die Frist ist nicht eindeutig benannt und könnte theoretisch auch später beginnen.
Viele Bankverträge verweisen in ihrer fehlerhaften Widerrufsbelehrung auf eine zuständige Aufsichtsbehörde, ohne sie konkret zu benennen. Benennt die Bank die Behörde nicht, beginnt die Widerrufsfrist nicht. Der Widerruf ist dadurch viel später möglich (BGH 2016 Az. XI ZR 434/15).
Beispiel der fehlerhaften Widerrufsbelehrung: „Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB (z. B. Angabe des effektiven Jahreszinses, Angaben zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrags, Angabe der für den Darlehensgeber zuständigen Aufsichtsbehörde) erhalten hat.“
Die Widerrufsbelehrung muss Darlehensnehmer über die möglichen Folgen eines Widerrufs aufklären. Fehlt der Textabschnitt „Widerrufsfolgen“, ist die Widerrufsbelehrung fehlerhaft.
Die Formulierung „Soweit das Darlehen bereits ausbezahlt wurde, haben Sie es [...] zurückzuzahlen“ wurde in einem Urteil als fehlerhafte Widerrufsbelehrung eines Autokredits gewertet, da sie nicht eindeutig genug über die Rechtsfolgen aufklärt (LG Ravensburg 2019 Az. 2 O 90/19).
Auch falsche Formulierungen zu den Widerrufsfolgen machen eine Widerrufsbelehrung fehlerhaft. Steht darin z. B., dass „Zahlungen innerhalb von 30 Tagen nach Absenden der Widerrufsbelehrung“ zu erstatten sind, ist dies falsch. Es müsste nach Absenden der Widerrufserklärung heißen (KG Berlin 2015, 4 W 16/15 zur DKB).
Haben Sie neben dem Immobiliendarlehen weitere Verträge mit ihrem Kreditinstitut abgeschlossen – z. B. eine Restschuld- oder Gebäudeversicherung –, muss die Bank Sie darüber aufklären, welche Folgen bei einem Widerruf der Versicherung möglich sind. Andernfalls ist die Widerrufsbelehrung fehlerhaft.
Die Formulierung „Der Darlehensnehmer hat dem Darlehensgeber auch die Aufwendungen zu ersetzen, die der Darlehensgeber gegenüber öffentlichen Stellen erbracht hat und nicht zurückverlangen kann.“ suggeriert Verbrauchern unbekannte Mehrkosten im Falle eines Widerrufs. Da der Hinweis verwirrend ist, ist solch eine Widerrufsbelehrung fehlerhaft.
Aufwendungen an öffentliche Stellen sind z. B. Gebühren für Notar und Grundbucheintrag, die immer der Kreditnehmer trägt.
Einige Widerrufsbelehrungen enthalten die Fußnote „Bitte Frist im Einzelfall prüfen“. Diese Fußnote wurde in mehreren Urteilen als fehlerhafte Widerrufsbelehrung (z. B. LG Kiel 2016, Az. 8 O 150/15) eingestuft.
Sie suggeriere Kunden, dass die angegebene Frist unter Umständen nicht verlässlich ist und von ihnen selbst zu überprüfen sei. Sie ist unnötig verwirrend und daher ungültig.
Die Widerrufsbelehrung muss sich stets auf den individuellen Vertrag beziehen.
Führt die Widerrufsbelehrung verschiedene vertragliche Möglichkeiten auf, die in keinem Zusammenhang mit dem konkreten Darlehensvertrag stehen, ist sie fehlerhaft.
Gibt es mehrere Widerrufsbelehrungen, kann das gegen das Deutlichkeitsgebot verstoßen, weil Verbraucher nicht wissen, welche Widerrufsinformationen gültig sind.
Der Bundesgerichtshof (2016 Az. 21 O 475/12) urteilte jedoch, dass eine Widerrufsbelehrung mit Ankreuzoptionen den Anforderungen des Gesetzes entsprechen kann – solange die Gestaltung für Verbraucher noch verständlich ist (LG Lüneburg 2016 Az. 5 O 262/14).
Kreditverträge mit fehlerhafter Widerrufsbelehrung sind nicht immer ewig widerrufbar. Je nachdem, wann der Vertrag geschlossen wurde, ergeben sich unterschiedliche Fristen:
Haben Sie bis zum 21. Juni 2016 gegen Ihren Kreditvertrag Widerspruch eingelegt oder enthält Ihr Vertrag gar keine Widerrufsbelehrung, gilt das uneingeschränkte Widerrufsrecht trotzdem weiterhin.
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Einige Kreditverträge sind vom Widerrufsrecht ausgeschlossen. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) nennt in § 491 Abs. 2 folgende Verträge:
Wurde ein Darlehensvertrag durch Fernabsatz abgeschlossen – etwa via Telefon, Fax, Internet oder postalisch – und von beiden Seiten bereits erfüllt, ist nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 11. September 2019 (C-143/18) kein Widerruf mehr möglich.
Ist die Widerrufsbelehrung fehlerhaft, können Verbraucher durch einen Widerruf ohne finanzielle Nachteile aus dem Kreditvertrag aussteigen.
Akzeptiert die Bank Ihren Widerruf, wird der Vertrag rückabgewickelt – d. h. Sie müssen innerhalb von 30 Tagen bereits erhaltenes Geld an den Kreditgeber zurückzahlen.
Vor dem Widerruf kann es deshalb helfen, wenn Sie Ihre Zahlungsfähigkeit sichern – z. B. durch eine alternative Anschlussfinanzierung mit günstigerem Zinssatz.
Die Bank muss Ihnen im Gegenzug alle bereits geleisteten Zahlungen plus Zinsen erstatten. Haben Sie Ihrer Bank höhere Zinsen gezahlt, als zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses marktüblich waren, müssen Sie nach erfolgreichem Widerruf nur den Marktzinssatz auf die Restschuld bezahlen. Die Bank muss Ihnen zu viel gezahlte Zinsen erstatten.
Bei der Deutschen Bundesbank finden Sie die üblichen Zinssätze der letzten Jahre.
Ein Widerruf eines Immobiliendarlehens bei einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung kann Verbrauchern finanzielle Vorteile bringen.
Wer aufgrund einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung einen teuren Altvertrag widerruft und in ein günstigeres Darlehen mit besseren Zinskonditionen umschuldet, kann Geld sparen.
Ein Anwalt für Verbraucherrecht kann Ihren Anspruch auf Widerruf rechtssicher prüfen. Und er kann Ihrem Widerruf gegenüber dem Kreditinstitut den notwendigen Nachdruck verleihen.
Widerrufsinformationen dürfen Darlehensnehmer nicht verwirren – aber schon kleinste Nuancen in der Formulierung können eine Mehrdeutigkeit bedeuten und eine Widerrufsbelehrung unwirksam machen.
Um eine falsche Widerrufsbelehrung zu erkennen und den Widerrufsjoker zu Ihrem finanziellen Vorteil zu nutzen, kann die Unterstützung eines Anwalts sinnvoll sein.
Ein Anwalt kann Sie wie folgt unterstützen:
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Nach einem Urteil des BGH (2013 IV ZR 23/12) muss Ihre Rechtsschutzversicherung (RSV) die Kosten für den Rechtsstreit mit der Bank tragen – sofern Ihre Versicherungspolice dies abdeckt. Das gilt auch, wenn Sie die Versicherung später als den Darlehensvertrag abgeschlossen haben.
Damit Ratsuchende nachhaltige Lösungen für ihr Anliegen finden, legt Fiona Schmidt als Teil der juristischen Redaktion von advocado größten Wert auf die Verständlichkeit komplexer Sachverhalte. In ihren Beiträgen informiert sie u. a. zu passenden Handlungsoptionen im Marken- oder Internetrecht.