Wer sich mit der Verteilung seines Nachlasses im Falle seines Todes beschäftigt, könnte vor der schwierigen Frage stehen, ob er ein Testament schreiben oder einen Erbvertrag aufsetzen sollte. Welche Vor- und Nachteile ein Erbvertrag haben kann und was Sie sonst über den Erbvertrag wissen sollten, erläutern wir Ihnen im folgenden Beitrag.
Der Erbvertrag ist wie das Testament eine Verfügung von Todes wegen. In ihm wird folglich der letzte Wille des Erblassers bezüglich der Erbeinsetzung, möglicher Vermächtnisse und Auflagen sowie ggf. die Wahl des anzuwendenden Erbrechts festgehalten. Während im Testament der Nachlass lediglich unter den Erben verteilt wird, ist die Wirkung eines Erbvertrages deutlich umfangreicher. Zudem handelt es sich bei ihm um einen gegenseitig verpflichtenden Vertrag. Das bedeutet, dass sich der Erblasser zur Überlassung (eines Teils) seines Nachlasses verpflichtet, aber im Gegenzug auch etwas erhält – zum Beispiel eine Pflegeleistung o. ä. Der Erbvertrag muss im Beisein aller Vertragsparteien notariell beurkundet werden und kann nur persönlich vom Erblasser – und nicht von einem Vertreter oder Betreuer – geschlossen werden.
Verstirbt eine Person, die einen Erbvertrag hinterlassen hat, wird dieser als letztwillentliche Verfügung vom Nachlassgericht eröffnet.
Nach einer Statista-Umfrage von 2016 (innerhalb der deutschen Bevölkerung) haben bereits 25,80 % der befragten Personen ein Testament oder einen Erbvertrag abgeschlossen, während 73,70 % noch keine Nachlassregelungen getroffen haben.
Bei einem Erbvertrag müssen mindestens zwei Personen beteiligt sein – zum Beispiel der zukünftige Erblasser und ein Vermächtnisnehmer oder der künftige Alleinerbe. Beim Abschluss beim Notar müssen beide Parteien anwesend sein (§ 2276 BGB), zudem müssen die Personen testierfähig und voll geschäftsfähig sein, was der Notar durch die Beurkundung bestätigt. Im Inhalt ist der Verfasser eines Erbvertrages völlig frei, solange es um die Benennung von Erben, Vermächtnisnehmern oder die Bestimmung von Auflagen geht – also ausschließlich um erbrechtliche Angelegenheiten.
Zu unterscheiden sind der einseitige Erbvertrag (nicht zu verwechseln mit einer einseitigen Verfügung s. u.) und der zwei- bzw. mehrseitige Erbvertrag. Beim einseitigen Erbvertrag trifft nur eine Person erbrechtliche Verfügungen, indem der Mann beispielsweise seine Frau als Alleinerbin einsetzt. Ob diese dafür z. B. Pflegeleistungen vollbringen muss, ist unerheblich für die Einseitigkeit. Entscheidend ist, dass nur eine Person seinen Nachlass aufteilt. Verfügt die Frau hingegen, dass im Gegenzug der Mann auch ihr Alleinerbe werden soll, handelt es sich um einen zweiseitigen Erbvertrag. Innerhalb eines Erbvertrages können zudem einseitige Verfügungen wie beispielsweise die Benennung eines Testamentsvollstreckers oder Teilungsanordnungen getroffen werden. Diese sind nicht bindend und können jederzeit von einer einzigen Vertragspartei widerrufen werden.
In vielen Situationen kann es sinnvoll sein, einen Erbvertrag dem Testament vorzuziehen. Beispielsweise können Sie so die Erbschaft an bestimmte Bedingungen knüpfen, die bei Vertragsbruch zur Enterbung führen würden. Gibt es dann keine andere letztwillige Verfügung, tritt die gesetzliche Erbfolge in Kraft. Im Gegenzug kann der künftige Erbe aber auch darauf vertrauen, dass seine vertraglichen Leistungen im Erbfall definitiv vergütet werden – denn die Gefahr einer spontanen Abänderung kurz vor dem Tod ist hier nicht gegeben.
Einen weiteren Vorteil bietet der Erbvertrag für unverheiratete Paare, die an Stelle eines Ehegattentestaments bzw. Berliner Testaments einen Erbvertrag schließen und sich so gegenseitig als Erben einsetzen können. Auch im Zuge einer Unternehmensnachfolge kann ein solcher Vertragsschluss sinnvoll sein. Damit sich der spätere Erblasser sicher sein kann, die richtige Wahl bezüglich seiner Nachfolge getroffen zu haben, lassen sich auch hier vertragliche Auflagen an das Erbe koppeln. Bei Erfüllung dieser geht der Betrieb nach und nach an den Nachfolger über, bis er letztendlich nach dem Ableben des Erblassers die gesamte Unternehmensnachfolge antritt.
Die Bindungswirkung des Erbvertrages kann sowohl als Vorteil als auch als Nachteil ausgelegt werden. Denn die Aufhebung oder Änderung des Vertrages gestaltet sich im Vergleich zum Testament deutlich schwieriger. Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten, einen Erbvertrag aufzuheben. Erstens durch einen Aufhebungsvertrag, der von beiden Parteien unterzeichnet und vom Notar beurkundet wird – dies setzt allerdings das Einverständnis beider voraus. Zweitens können sich die Parteien schriftlich ein Rücktrittsrecht vorbehalten. Eine dritte Möglichkeit stellt hier zudem der Vertragsbruch (§ 2295 BGB) dar. Der Erblasser darf außerdem vom Erbvertrag zurücktreten, wenn sich der Vertragspartner Verfehlungen erlaubt hat, die auch zum Entzug des Pflichtteils führen würden. Dazu zählen z. B. ein Mordversuch oder der Aufenthalt im Gefängnis oder einer psychiatrischen Klinik (vgl. § 2333 BGB).
Ein Testament kann jederzeit spontan und einseitig verändert werden, während der Erbvertrag eine stärkere Bindungswirkung hat. Änderungen an einem Erbvertrag – wie bei jedem anderen Vertrag auch – sind nur möglich, wenn beide Vertragsparteien zustimmen. Zudem wird der Erbvertrag in der Regel in besondere amtliche Verwahrung gegeben (§ 34 Abs. 2 Beurkundungsgesetz) oder mindestens beim Notar hinterlegt (§ 34 Abs. 3 BeurkG), weshalb dieser stets in Veränderungen involviert ist.
Eine Aufhebung ist – wie oben beschrieben – z. B. durch einen Aufhebungsvertrag möglich. Grundsätzlich kann ein Erbvertrag aber auch durch Testament unwirksam gemacht werden. Dies allerdings nur, wenn alle Vertragsparteien zustimmen und dies vom Notar beglaubigt wird. Eine Ausnahme bildet hierbei das Ehegattentestament. Durch das Aufsetzen der gemeinschaftlichen letztwilligen Verfügung wird der Erbvertrag automatisch ungültig (§ 2292 BGB). Achtung: Für Testamente gelten andere Formvorschriften.
Bei der Formulierung des Erbvertrages sollten Sie also darauf achten, sich schriftlich einen Änderungsvorbehalt bzw. ein Rücktrittsrecht vorzubehalten.
Der Erbvertrag kann an andere Verträge gekoppelt sein – beispielsweise an einen Ehevertrag. Dabei gelten für den Erbvertrag die gleichen Formvorschriften wie für den anderen Vertrag (§ 2276 Abs. 2 BGB). Sollte dieser Zusatzvertrag nicht eingehalten werden, führt dies jedoch nicht zwangsläufig zur Nichtigkeit des Erbvertrages. Rechtsanwalt Uwe Block rät diesbezüglich: „Wenn Verträge miteinander kombiniert werden, ist zu prüfen, inwieweit eine Abhängigkeit zueinander besteht“. Ähnlich wie beim Testament wird der Erbvertrag nämlich grundsätzlich unwirksam, wenn die Ehe geschieden wurde oder die Voraussetzungen für eine Scheidung vorliegen (§ 2077 BGB). Andere Wünsche im Falle der Scheidung können aber im Erbvertrag vereinbart werden.
Einen Erbvertrag kann man ebenso wie ein Testament anfechten. Um erfolgreich anzufechten, muss ein Anfechtungsgrund wie Täuschung, Irrtum oder Drohung vorliegen. Zudem muss die Anfechtungserklärung notariell beurkundet werden. Die Anfechtung kann nur vom Erblasser selbst vorgenommen werden. Es sei denn, das Betreuungsgericht hat die Anfechtung durch den Betreuer eines geschäftsunfähigen Erblassers genehmigt. Dritte dürfen nicht den Notarvertrag anfechten, wenn das Anfechtungsrecht des Erblassers zur Zeit des Erbfalls beispielsweise durch Zustimmung oder Verjährung erloschen ist. Verjährung tritt ein Jahr nach Kenntnis des Anfechtungsgrundes ein.
Für die notarielle Beurkundung eines Erbvertrages werden natürlich Gebühren fällig. Die Höhe ist dabei abhängig vom Geschäftswert – also dem aktuell vorhandenen Vermögen abzüglich der Hälfte der Schulden. Je nachdem wie hoch dieser ausfällt, wird nach dem GNotKG die zweifache Gebühr berechnet.
Auszug aus dem GNotKG Anlage 2 – Tabelle B:
Geschäftswert |
Einfache Gebühr |
Bis 500 Euro |
15 Euro |
501–1.000 Euro |
19 Euro |
9.001–10.000 Euro |
75 Euro |
10.001–13.000 Euro |
83 Euro |
50.001–65.000 Euro |
165 Euro |
200.001–230.000 Euro |
485 Euro |
500.001–550.000 Euro |
1.015 Euro |
1.000.001–1.050.000 Euro |
1.815 Euro |
Außerdem fallen im geringen Umfang Umsatzsteuer und ein Betrag für Auslagen wie Porto- oder Papierkosten an. Für die besondere amtliche Verwahrung nach § 34 Abs. 2 BeurkG wird zudem einmalig eine Gerichtsgebühr von 75 Euro fällig.
Bei Änderungen des Erbvertrages muss der Notar den Wert der Veränderung beziffern (beispielsweise das Hinzufügen eines Vermächtnisses in Höhe von 60.000 Euro) und anhand dieser seine Vergütung berechnen.
Wer einen Erbvertrag aufsetzt, kann aber auch Geld einsparen. Denn er ersetzt die Notwendigkeit eines Erbscheins, der ebenfalls Geld kosten würde.Zudem kann ein teurer Rechtsstreit verhindert werden, da die notarielle Beurkundung kaum Zweifel zulässt.
Der Erbvertrag verhindert keine Pflichtteilsansprüche. Ebenso wie beim Testament können Sie durch den Erbvertrag Personen von einer Erbschaft ausschließen. Sind diese allerdings mit Ihnen verwandt, können sie einen Pflichtteilsanspruch geltend machen. Dies ist eine geldliche Mindestbeteiligung am Nachlass. Wie Sie sogar den Pflichtteil umgehen können, erfahren Sie in unseren Beiträgen:
Der Erblasser darf trotz Erbvertrags zu Lebzeiten nach wie vor frei über sein Vermögen verfügen (§ 2286 BGB). Auch Schenkungen (vorweggenommene Erbfolge) sind möglich, es sei denn die Schenkung wurde in der Absicht gemacht, dem bzw. den Vertragserben zu beeinträchtigen. Dann kann dieser, nachdem ihm die Erbschaft angefallen ist, von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verlangen (§ 2287 BGB).
Der Erbvertrag ist eine Alternative zum Testament, da die darin getroffenen Verfügungen nicht einseitig verändert werden können und er somit eine hohe Bindungswirkung ausübt. Er eignet sich besonders für unverheiratete Paare oder Patchwork-Familien, die im Falle der gesetzlichen Erbfolge eher schlecht gestellt sind. Allerdings ist die Verbindlichkeit, die mit einem Erbvertrag einhergeht, nicht zu unterschätzen. Ein Anwalt kann hier helfen.
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