In diesem Beitrag erfahren Sie alles zu Ihren Rechten und Handlungsmöglichkeiten, wenn Sie enterbt wurden. Außerdem klären wir, wie Sie trotz einer Enterbung an Ihren Pflichtteil kommen und ob Sie eine Enterbung anfechten können.
Der Erblasser hat das Recht, jeden gesetzlichen Erben von der Erbfolge auszuschließen und damit zu enterben. Dazu zählen unter anderem Ehegatten, eingetragene Lebenspartner, Kinder, Enkel, Eltern, Geschwister, Großeltern sowie Onkel und Tanten.
Nicht alle Genannten haben gleichzeitig auch einen durchsetzbaren Anspruch auf das Erbe. Vielmehr existiert eine Rangfolge zwischen den verschiedenen Ordnungen. Erben der 1. Ordnung schließen alle anderen Erben aus. Erben der 2. Ordnung schließen wiederum Erben der 3. Ordnung aus. Anders ausgedrückt: Wenn es Erben der 1. Ordnung gibt, erbt niemand sonst.
Ordnung der gesetzlichen Erbfolge | |
1. Ordnung | Alle Abkömmlinge des Verstorbenen, also Kinder und Enkelkinder des Verstorbenen |
2. Ordnung | Eltern, Geschwister, Nichten und Neffen des Verstorben |
3. Ordnung | Großeltern des Verstorbenen und Personen, die von den Großeltern abstammen |
4. Ordnung | Alle anderen lebenden Verwandten |
Der Ehepartner nimmt in der gesetzlichen Erbfolge übrigens eine Sonderstellung ein. Ihm steht neben den Erben der verschiedenen Ordnungen immer ein Erbanteil zu. Zudem fallen ihm gemäß § 1371 BGB im Erbfall die Gegenstände im gemeinsamen Haus sowie die Hochzeitsgeschenke zu. Neben Erben der 2. Ordnung kann der Partner die Herausgabe dieser Dinge verlangen. Gegen Erben der 1. Ordnung hat er diesen Anspruch nur, wenn er sie „zur Führung eines angemessenen Haushalts benötigt“.
Um die gesetzliche Erbfolge (auch Erbfolge ohne Testament genannt) auszuhebeln und damit rechtssicher enterben zu können, muss der Erblasser in seinem Testament oder Erbvertrag lediglich verfügen, dass eine oder mehrere Personen ausdrücklich von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen werden.
Um jemanden im Testament ausdrücklich zu enterben, genügt im Grunde also eine einfache und verständliche Formulierung im Testament. Einen Grund für die Enterbung müssen Sie nie angeben.
Neben diesem sogenannten Negativtestament gibt es noch eine weitere Möglichkeit der Enterbung: Der Erblasser kann einen Alleinerben bestimmen. Obwohl andere gesetzliche Erben hier nicht explizit genannt und damit nicht direkt enterbt werden, kommt es in diesem Fall dennoch zur Enterbung.
Sie könnten in Ihr Testament beispielsweise schreiben: "Meine Tochter ist Alleinerbin." In diesem Fall erhält die Tochter das gesamte Erbe und alle anderen Angehörigen gelten als enterbt.
Sie haben also folgende Möglichkeiten, Angehörige zu enterben:
Werden Sie enterbt, so sind Sie von der Vermögensnachfolge ausgeschlossen. Mit dem Tod des Erblassers und Eintritt des Erbfalls haben Sie demzufolge keinen Anspruch auf das Erbe bzw. einen Teil des Erbes. Dies heißt aber nicht, dass Sie völlig leer ausgehen, denn als Pflichtteilsberechtigter haben Sie durchaus einen Anspruch.
Ob Sie trotzdem Geld bekommen, wenn Sie enterbt wurden, erläutern wir Ihnen im nächsten Absatz.
Einigen nahstehenden Verwandten steht trotz Enterbung ein Teil des Erbes zu. Hierbei handelt es sich um den sogenannten Pflichtteil. Dieser ist eine finanzielle Mindestbeteiligung am Erbe und steht enterbten Personen zu, die durch ein Testament und Erbvertrag enterbt wurden. Allerdings ist nicht jede enterbte Person auch automatisch pflichtteilsberechtigt.
Pflichtteilsberechtigt sind nur diejenigen, die zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten gehören. Dazu zählen:
Nicht alle der aufgelisteten Angehörigen haben zugleich einen Anspruch. Direkte Abkömmlinge sowie der Ehe- bzw. Lebenspartner haben gegenüber den weiterentfernten Abkömmlingen ein Vorrecht.
Wer in welcher Familienkonstellation pflichtteilsberechtigt ist und wie hoch dieser Anspruch ist, erklären wir Ihnen in unseren Beiträgen "Wer ist pflichtteilsberechtigt" und "Pflichtteil berechnen: Wie hoch ist der Pflichtteil".
In seltenen Fällen kann enterbten Pflichtteilsberechtigten jedoch auch der Pflichtteilsanspruch entzogen werden. Für die Entziehung des Pflichtteils muss es jedoch einen triftigen Grund geben. Mögliche Gründe sind im § 2333 BGB explizit benannt.
Damit der Erblasser einem Pflichtteilsberechtigten wirksam seine Anspruchsgrundlage entziehen kann, ist es notwendig, dass er eindeutige Angaben über die Gründe macht, die etwaige Straftat schriftlich festhält und im Testament erläutert, warum es für ihn unzumutbar ist, den Pflichtteilsberechtigten am Nachlass teilhaben zu lassen.
Des Weiteren gibt es Gestaltungsmöglichkeiten mit denen der Pflichtteil umgangen werden kann. Mehr dazu erfahren Sie in unseren Beiträgen "Enterben & Pflichtteil – völlig enterben ohne Pflichtteil" und "Pflichtteil umgehen".
Wenn Sie enterbt wurden, so können sich Fragen nach der Rechtmäßigkeit der Enterbung stellen. Zum einen kann hinterfragt werden, ob Testament oder Erbvertrag, die zur Enterbung geführt haben, überhaupt wirksam sind. Zum anderen kann in Erfahrung gebracht werden, ob der letzte Wille unter Umständen gegen Gesetze verstoßen hat und damit unwirksam ist. Ebenfalls relevant ist, ob der Erblasser zum Zeitpunkt des Verfassens des Testaments überhaupt testierfähig war und ob sich das Testament nicht wegen Irrtums oder Drohungen anfechten lässt.
Folgende Umstände führen dazu, dass eine Enterbung unrechtmäßig ist:
Ausführlichere Informationen dazu finden Sie in unseren Beiträgen Testierfähigkeit (wann ist man testierfähig und wann nicht?) und Testament anfechten (15 Gründe, aus denen man ein Testament anfechten kann).
Damit ein Testament oder ein Erbvertrag seine Wirksamkeit entfalten kann, müssen strenge Formvorschriften erfüllt sein. So ist ein Testament eigenhändig zu verfassen und gilt nur mit Unterschrift. Ein Erbvertrag bedarf zusätzlich sogar der notariellen Beglaubigung.
Verstößt der Erblasser gegen diese gesetzlichen Vorschriften, so sind Testament oder Erbvertrag unwirksam. Sofern keine andere letztwillige Verfügung existiert, die formwirksam ist, so ist die Enterbung naher Angehöriger unwirksam.
Ausführlichere Informationen dazu finden Sie in unserem Beitrag „Testament prüfen“.
Eine testamentarisch verfügte Enterbung kann unter Umständen nichtig sein, wenn die letztwillige Verfügung gegen ein Gesetz oder die guten Sitten verstößt. Ein gesetzlicher Verstoß würde beispielsweise vorliegen, wenn der Erblasser einen Begünstigten testamentarisch zu einer strafbaren Handlung anstiftet. Ein Verstoß gegen die guten Sitten kann vorliegen, wenn der Erblasser Zuwendungen an einen Begünstigten mit höchstpersönlichen Lebensentscheidungen wie Religionswechsel oder Heirat verknüpft hat.
Ist ein Erblasser testierunfähig, so kann sowohl die letztwillige Verfügung als auch die im Testament enthaltene Enterbung einer Person unwirksam sein.
Testierfähig ist nur, wer:
Grundsätzlich testierunfähig sind Personen, die die Konsequenzen ihrer Entscheidungen nicht einschätzen können. Krankheiten wie Demenz oder die Einnahme von Medikamenten können zur Testierunfähigkeit führen. Personen, die nicht testierfähig sind, können kein Testament aufsetzen. Das Testament darf dann auch nicht von einer dritten Person verfasst werden.
Achtung: Wenn Sie die Testierfähigkeit eines Erblassers infrage stellen, kann es helfen, wenn Sie sich bewusst sind, dass Sie die Beweislast tragen. Mehr dazu erfahren Sie in unserem Beitrag zum Thema Testierfähigkeit.
Eine im Testament oder Erbvertrag verfügte Enterbung kann unter Umständen auch wegen Irrtums oder Drohung unwirksam sein. In diesem Fällen kann die Enterbung angefochten werden, sofern die vom Gesetz vorgesehenen Anfechtungsgründe vorliegen.
Ein Anfechtungsgrund ist z. B. der sogenannte Inhalts- und Erklärungsirrtum. Hierbei gibt der Erblasser eine Erklärung ab, die er so nicht abgeben wollte. Geht der Erblasser beispielsweise davon aus, dass sein schriftlich verfasstes Testament unwirksam ist, da er glaubt, ein Testament muss stets von einem Notar beurkundet werden, so liegt ein inhaltlicher Irrtum vor, welches das Testament anfechtbar macht.
Ein Testament ist ebenfalls anfechtbar, wenn es aufgrund widerrechtlicher Drohungen von Dritten zur Abfassung des Testaments kam. Hat ein Erblasser beispielsweise aufgrund von Zwang nahe Verwandte enterbt, so ist das Testament anfechtbar und die Enterbung mit großer Wahrscheinlichkeit nichtig.
Auch ein Motivirrtum kann dazu führen, dass ein Testament anfechtbar ist. Benennt ein Erblasser eine Person zum Alleinerben in der Annahme, dass sich beide bis zu seinem Lebensende blendend verstehen werden, beide zerstreiten sich jedoch noch zu Lebzeiten des Erblassers, so kann ein Anfechtungsgrund gegeben sein.
Anfechtungsgründe sind:
Darüber hinaus gibt es aber noch viele weitere Gründe, um ein Testament anzufechten. Sofern einer dieser Gründe vorliegt, können Sie eine letztwillige Verfügung und damit die Enterbung anfechten. Ausführlichere Informationen zum Thema finden Sie in unserem Beitrag Testament anfechten (15 Gründe, aus denen man ein Testament anfechten kann).
Sie wurden enterbt und haben Zweifel an der Rechtmäßigkeit, wissen aber nicht, was nun zu tun ist?
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