Wer bestimmte Verwandte von seinem Erbe ausschließen möchte, hat sicher schon einmal über eine Enterbung nachgedacht. Doch einer vollkommenen Enterbung steht der Pflichtteil im Weg – er garantiert enterbten Angehörigen einen Teil am Nachlass. Wie Sie trotzdem enterben, ohne Pflichtteilsansprüche auszulösen, und wie Sie Pflichtteile reduzieren können, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Enterben Sie Angehörige – z. B. mittels Testament –, gehen diese nicht leer aus: Sie haben Anspruch auf einen Pflichtteil. Dieser beläuft sich auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.
Verwandte können auf zweierlei Weise enterbt werden. Eine Möglichkeit ist das Enterben per Testament. Der Erblasser drückt dabei seinen Willen zur Enterbung im Testament explizit durch entsprechende Formulierungen aus:
Eine Person kann aber auch von der Erbfolge ausgeschlossen werden, indem andere Angehörige als Erben genannt werden. Wird das Testament entsprechend formuliert, ist nicht einmal eine gesonderte Erwähnung über die Enterbung nötig. Möchte Herr Mustermann seine Tochter enterben und das Erbe nur auf seine Ehefrau und seinen Sohn verteilen, kann er dies folgendermaßen im Testament verfügen:
Da lediglich die Ehefrau und der Sohn als Erben genannt wurden, ist die Tochter von der Erbfolge ausgeschlossen.
Weitere Informationen zur Erstellung von Testamenten finden Sie im Beitrag „Testament schreiben“.
In einem Negativtestament bestimmt der Erblasser – im Gegensatz zum normalen Testament – diejenigen Angehörigen, die von der Erbfolge ausgeschlossen werden sollen. Er nimmt also eine negative Bestimmung der Erben vor.
Wollen Sie mit einem Negativtestament enterben, führt die Aufsetzung eines solchen Testaments zum Eintritt der gesetzlichen Erbfolge, wobei dann nur nicht enterbte Verwandte ein Anrecht auf ihren Nachlass haben.
Wenn Sie einen Angehörigen enterben wollen, sollten Sie sich im Klaren darüber sein, ob Sie auch dessen Nachkommen von der Erbfolge ausschließen wollen. Unklarheiten oder Konflikte sollten deshalb durch richtige Formulierungen des Testaments vermieden werden. Wollen Sie beispielsweise nur eines Ihrer Kinder enterben, nicht aber dessen Kinder, muss dies explizit im Testament genannt sein – genauso wie im gegensätzlichen Fall.
Auch wenn Sie einen nahen Verwandten per Testament von der Erbfolge ausschließen – und damit enterben –, geht dieser bei der Verteilung des Nachlasses nicht vollkommen leer aus. Von der Erbfolge ausgeschlossene Familienangehörige können einen Pflichtteilsanspruch gegenüber den Erben geltend machen, weswegen ein Enterben ohne Pflichtteil nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist. Dieser Pflichtteil beträgt grundsätzlich die Hälfte der gesetzlichen Erbquote. Der Anspruch kommt den Berechtigten dabei nicht automatisch zu – er muss die Auszahlung ausdrücklich einfordern.
Wenn Sie mehr über den Pflichtteilsanspruch erfahren wollen, lesen Sie unseren Beitrag „Pflichtteilsanspruch geltend machen“.
Trotz des Pflichtteilanspruchs von nahen Angehörigen können diese vom Erblasser unter bestimmten Umständen vollkommen von der Erbfolge ausgeschlossen werden. Um zu enterben ohne Pflichtteil bieten sich folgende Möglichkeiten:
Nach § 2333 BGB kann der Erblasser einen Pflichtteilsberechtigten vollkommen enterben ohne Pflichtteil, wenn von Seiten des Berechtigten ein schuldhaftes Vergehen gegenüber dem Erblasser vorliegt. Solches liegt unter anderem bei einem schweren vorsätzlichen Vergehen oder einem Tötungsversuch vor. Darüber hinaus stellt auch eine Gefängnisstrafe, der Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik oder Entzugsanstalt eine Unzumutbarkeit für den Erblasser dar und der Pflichtteil muss nicht ausgezahlt werden.
In diesen Fällen kann der Erblasser den Pflichtteilsberechtigten unter genauer Nennung des Grundes im Testament enterben – ohne Pflichtteil, denn der Anspruch auf diesen entfällt damit.
Durch Schenkungen zu Lebzeiten kann der Erblasser seinen Nachlass minimieren – dementsprechend fiele auch der zu zahlende Pflichtteil geringer aus. Allerdings ist es nicht möglich, sein ganzes Hab und Gut zu verschenken, um zu enterben ohne Pflichtteil. Denn in diesem Fall entsteht ein sogenannter Pflichtteilsergänzungsanspruch. Dies ist der Betrag, um den sich der Pflichtteil erhöhen würde, wenn die Schenkung zu Lebzeiten nicht vorgenommen worden wäre.
Alles, was verschenkt wurde, wird also dennoch in die Pflichtteilsberechnung einbezogen. Hierbei spielen allerdings nur Schenkungen der letzten 10 Jahre eine Rolle, die nach einem Abschmelzungsmodell – was länger her ist, wird zu einem geringeren Prozentsatz eingerechnet – Beachtung finden.
Abschmelzungsmodell des Pflichtteilsergänzungsanspruchs bei Schenkungen:
Zeitpunkt der Schenkung |
Anteil |
Innerhalb des 1. Jahres vor dem Todesfall |
10/10 --> voller Betrag |
Bis zu 2 Jahre vor dem Todesfall |
9/10 --> 90 % |
Bis zu 3 Jahre vor dem Todesfall |
8/10 --> 80 % |
Bis zu 4 Jahre vor dem Todesfall |
7/10 --> 70 % |
Bis zu 5 Jahre vor dem Todesfall |
6/10 --> 60 % |
Bis zu 6 Jahre vor dem Todesfall |
5/10 --> Hälfte des Schenkungsbetrags |
Bis zu 7 Jahre vor dem Todesfall |
4/10 --> 40 % |
Bis zu 8 Jahre vor dem Todesfall |
3/10 --> 30 % |
Bis zu 9 Jahre vor dem Todesfall |
2/10 --> 20 % |
Bis zu 10 Jahre vor dem Todesfall |
1/10 --> 10 % |
Achtung: Schenkungen unter Nießbrauchvorbehalt verändern den Pflichtteilsanspruch nicht. Weiterführende Informationen zum Pflichtteil und dem Nießbrauch erhalten Sie im Beitrag zum Nießbrauchrecht.
Mit einem Verkauf gegen Leibrente können Sie einzelne Gegenstände – zum Beispiel Immobilien – zu Lebzeiten verkaufen und gegebenenfalls Pflichtteilsberechtigte vollkommen enterben. Die Leibrente muss Ihnen in regelmäßigen Abständen und bis zum Lebensende vom neuen Eigentümer gezahlt werden.
Da der Vermögensgegenstand nicht verschenkt, sondern verkauft wurde, entstehen keine Ergänzungsansprüche für Pflichtteilsberechtigte – ein Enterben ohne Pflichtteil wäre also indirekt möglich.
Wollen Sie einem Pflichtteilsberechtigten das Erbe vollkommen entziehen und lässt dieser mit sich reden, können Sie gemeinsam einen Pflichtteilsverzicht bei einem Notar aushandeln. Ein Verzicht beinhaltet das Einverständnis des Enterbten, im Erbfall keine Pflichtteilsansprüche geltend machen zu können – und damit ein Enterben ohne Pflichtteil zu ermöglichen. Dafür muss der Erblasser ihn umgehend mit einem Teil seines Vermögens als Abfindung entschädigen.
Grundsätzlich gilt für deutsche Erblasser nur das deutsche Erbrecht. Manche Länder beanspruchen jedoch für Vermögen, das in ihrem Land besteht, die Geltung des eigenen Erbrechts. Sie können sich deshalb über die internationalen Erbrechte informieren und entscheiden, ob Sie Ihr Vermögen in ein anderes Land vorteilsbringend verlagern – und damit gegebenenfalls enterben und Pflichtteile umgehen können.
Bei einer solchen Transaktion können Sie sich stets von einem Anwalt beraten lassen, um sich über ein angemessenes Vorgehen und nicht gewollte Konsequenzen aufklären zu lassen.
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Der Pflichtteilsanspruch kann außerdem passiv umgangen werden. Dies ist durch Verjährung möglich. Macht ein Pflichtteilsberechtigter seinen Anspruch nicht innerhalb von drei Jahren bei den Erben geltend, entfällt er. Fristbeginn ist immer erst die Kenntnisnahme von der Enterbung. Diese Variante, den Pflichtteil zu umgehen, ist allerdings kaum zu planen. Sie können nur darauf hoffen, dass der Berechtigte nichts von seinem Anspruch weiß oder freiwillig darauf verzichtet. Unabhängig davon, ob der Pflichtteilsberechtigte vom Tod des Erblassers und seinem Pflichtteilsanspruch weiß, verjähren alle erbrechtlichen Ansprüche nach 30 Jahren. Mehr zur Verjährung des Pflichtteils erfahren Sie im Beitrag "Wann verjährt der Pflichtteilsanspruch?".
Beim groben Undank handelt es sich um eine schwere Verfehlung gegenüber dem Schenkenden. Dazu zählen körperliche Misshandlungen oder Bedrohungen, aber auch die Missachtung von Pflichten gegenüber dem Erblasser bzw. Schenker und Ehebruch.
Ein Enterben von Familienmitgliedern, denen laut gesetzlicher Erbfolge ein Teil des Nachlasses zustehen würde, ist ohne Grundangabe möglich. So können Sie Ihr Testament inhaltlich gestalten, wie Sie wollen, und müssen für eine Enterbung keine Rechtfertigungen wie den groben Undank einbauen. Eine Enterbung wegen groben Undanks ist durch diese Testierfreiheit also möglich.
Dies berührt allerdings nicht den Pflichtteilsanspruch. Eine Entziehung des Pflichtteils wegen groben Undanks ist nicht möglich – hierfür muss einer der oben genannten Gründe aus § 2333 BGB gegeben sein. Der grobe Undank berechtigt darüber hinaus auch dazu, Schenkungen zurückzufordern.
Ist das Enterben ohne Pflichtteil wie oben beschrieben nicht möglich, können Sie den Pflichtteil zumindest reduzieren.
Für Ehepartner, die bereits in der zweiten Ehe verheiratet sind, bietet sich etwa eine Adoption der Kinder des zweiten Ehepartners an. Da diese dann auch einen Anspruch auf Ihren Nachlass haben, verringert sich der Anspruch anderer Pflichtteilsberechtigter.
Nicht als Schenkung angesehen – und damit keinen Pflichtteilsergänzungsanspruch nach sich ziehend – sind sogenannte Ausstattungen. Dabei verschenkt ein künftiger Erblasser Geld oder sonstige Zuwendungen an seine Kinder „mit Rücksicht auf ihre Eheschließung“, „für die Erlangung einer selbstständigen Lebensstellung“ oder „zur Begründung oder Erhaltung der Wirtschaft oder der Lebensstellung“. Darunter fallen unter anderem die Mitgift, Aussteuer und die Errichtung eines Gewerbebetriebes. Wichtig ist dabei nur, dass diese Zuwendungen in einem angemessenen Verhältnis zum elterlichen Vermögen stehen.
Die Wahl des ehelichen Güterstandes kann die Höhe der Pflichtteilsansprüche beeinflussen. Wollen Sie enterben oder Pflichtteile reduzieren, bringt der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft beispielsweise mehr Vorteile als eine Gütertrennung. Wie oben beschrieben, errechnet sich der Pflichtteil aus der Hälfte der gesetzlichen Erbquote. Diese variiert je nach Güterstand und hat demnach unterschiedlich hohe Pflichtteilsansprüche zur Folge. Das resultiert aus der Tatsache, dass der Pflichtteil aus der gesetzlichen Erbquote – das ist das, was der Erbe ohne gültiges Testament von Gesetzes wegen erben würde – berechnet wird. Halbiert man diese, erhält man den Pflichtteil. Im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft – dies ist in Deutschland der Regelfall – erbt der Ehegatte nach dem Gesetz (also ohne Testament) immer mindestens 50 % des Erbes. Bei Gütertrennung reduziert sich die gesetzliche Erbquote je nach Anzahl der Kinder auf bis zu 25 %. Diese Beträge halbiert ergeben den jeweiligen Pflichtteilsanspruch, in der Zugewinngemeinschaft folglich 25 %, bei Gütertrennung 12,5 %.
Möchten Sie zum Beispiel die Pflichtteile Ihrer zwei Kinder reduzieren, ist folgende Rechnung anzustellen:
Wollen Sie die Pflichtteile Ihrer Kinder so gering wie möglich halten, können Sie also den Güterstand der Zugewinngemeinschaft bevorzugen.
Wollen Sie einen Verwandten enterben, kann es helfen, wenn Sie genau darauf achten, dass Ihre Wünsche Rechtswirksamkeit entfalten – denn Enterbungen werden nicht selten angefochten.
Um ein rechtswirksames Testament aufzusetzen, müssen vor allem Form- und Inhaltsvorschriften eingehalten werden. Eine Enterbung wäre beispielsweise anfechtbar, wenn das Erbe des Begünstigten an eine Bedingung geknüpft ist, die bei Nichterfüllung zum Ausschluss als Erben führt.
Enterbungen können auch unwirksam werden, wenn die Testierfähigkeit des Erblassers infrage gestellt wird. Dafür müssen allerdings Beweise vorgelegt werden.
Auch anfechtbar ist eine Enterbung, die durch eine dritte Person beim Erblasser erzwungen wurde.
Mehr Informationen zu den formalen Anforderungen an Testamente bekommen Sie in unserem Beitrag „Testament erstellen lassen“.
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