Oft wollen Erblasser ihr Erbe schon zu Lebzeiten auf Angehörige verteilen, damit im Erbfall keine Streitigkeiten aufkommen – besonders wenn es um große Vermögenswerte wie Unternehmen oder Grundstücke geht. In diesen Fällen können Erblasser einen Erbverzicht in Erwägung ziehen. Was ein Erbverzicht ist, welche Vor- und Nachteile ein Erbverzicht haben kann und was sie sonst noch beachten können, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Ein Erbverzicht ist ein Vertrag, der zu Lebzeiten eines Erblassers zwischen ihm und einem seiner Erben geschlossen wird. Dabei wird ein Verzicht des Erben auf den ihm zustehenden Erbteil und gegebenenfalls eine Entschädigung hierfür vereinbart. Damit ein Erbverzichtsvertrag rechtswirksam wird, muss er notariell beurkundet werden.
Wer gesetzlicher Erbe ist und wie hoch dessen Anspruch ist, erfahren Sie in unserem Beitrag zum Thema „gesetzliche Erbfolge“.
Bei einem Erbverzicht wird auf das gesamte Erbe verzichtet. Bei einem Pflichtteilsverzicht verzichtet der Erbe lediglich auf seinen Pflichtteil – die gesetzliche Erbfolge wird dadurch nicht geändert und der Angehörige bleibt Erbe. Der Erblasser kann den Verzichtenden somit trotzdem beim Verfassen des Testaments mit einem Teil vom Nachlass bedenken.
Ganz im Gegensatz zu einer Erbverzichtserklärung bleiben Pflichtteilsansprüche anderer Erben von einem Pflichtteilsverzicht unbeeinflusst.
Falls Sie keinen Verzichtsvertrag geschlossen haben, aber trotzdem auf Ihr Erbe verzichten wollen, können Sie nach dem Tod des Erblassers das Erbe ausschlagen. Die Erbausschlagung findet also im Gegensatz zum Erbverzicht nach dem Ableben des Erblassers statt und bedarf keiner Zustimmung.
Die Erbausschlagung können Sie innerhalb von sechs Wochen nach Kenntnisnahme über den Erbfall beim örtlichen Nachlassgericht oder zur Weiterleitung bei einem Notar einreichen.
Befinden sich im Nachlass hohe Schulden und Sie schlagen Ihr Erbe aus, müssen Sie nicht für die Schulden Ihres Angehörigen haften. Wollen Sie Ihr Erbe ausschlagen, können Sie jedoch beachten, dass Sie nur den gesamten Erbteil ausschlagen können – nicht nur die Schulden.
Weiterführende Beiträge zum Thema:
Wollen Sie Angehörige durch einen Erbverzicht enterben, müssen diese mit einem Verzicht einverstanden sein. Häufig werden Geldbeträge als Abfindung angeboten – bei der Höhe kann man sich dabei grob an der Höhe des Pflichtteils orientieren.
Falls der Erbe keine Erbverzichtserklärung unterzeichnen möchte, kann er lediglich per Testament oder im Erbvertrag enterbt werden. In diesen Fällen steht ihm trotzdem ein Pflichtteil zu, der auch nur mit einem beiderseitigen Verzicht vermieden werden kann.
Weiterführende Informationen finden Sie in unseren Beiträgen:
Wenn Sie ein Familienmitglied vollkommen enterben möchten, können Sie den Pflichtteil trotzdem umgehen oder zumindest reduzieren. Wie das geht, erfahren Sie in unserem Beitrag „Pflichtteil umgehen“.
Besitzen Erblasser ein Unternehmen, welches nach dem Tod von einem bestimmten Familienmitglied geerbt und geleitet werden soll, kann dies mit einem Erbverzicht gewährleistet werden. Die einzigen Voraussetzungen dafür sind das Einverständnis des Erben und das der verzichtenden Angehörigen – die dafür mit einer Abfindung entschädigt werden können. Verweigern die anderen Erben den Verzicht, gestaltet sich die Sicherung der Unternehmensnachfolge schwieriger. Das Unternehmen muss dann unter den Erben aufgeteilt und gegebenenfalls verkauft werden.
Beispiel:
Herr Mustermann hat drei Kinder: 1, 2 und 3. Das väterliche Unternehmen soll zukünftig von dem ersten Kind geleitet werden. Damit dieses Kind Alleinerbe wird und somit das Unternehmen leiten kann, möchte Kind 2 einen Erbverzicht unterzeichnen.
Möglichkeit 1:
Das dritte Kind ist einverstanden und Kind 2 und 3 unterschreiben einen Erbverzicht. Das erste Kind wird somit Alleinerbe und kann das Unternehmen führen. Die verzichtenden Kinder können mit einer Abfindung entschädigt werden.
Möglichkeit 2:
Das dritte Kind ist nicht einverstanden. Kind 2 kann einen Erbverzicht unterzeichnen – erhöht damit allerdings das Erbe und den Pflichtteilsanspruch des dritten Kindes. Das Unternehmen würde in das Erbe von Kind 1 und 3 übergehen.
Möglichkeit 3:
Das dritte Kind ist nicht einverstanden. Kind 2 kann lediglich auf sein Pflichtteil verzichten – er bleibt somit Erbe. Die Erbquote und der Pflichtteil von Kind 3 bleiben unberührt und erhöhen sich nicht. Das Unternehmen wird unter den drei Kindern aufgeteilt.
Weitere Informationen zum Thema „Vererben“ finden Sie in unseren Beiträgen
In der Praxis werden Erbverzichtsverträge am häufigsten zur Sicherung der Unternehmensnachfolge abgeschlossen. Es gibt jedoch auch zahlreiche andere Gründe, die für eine Erbverzichtserklärung sprechen können:
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Ein Erbverzicht kann sowohl Vor- als auch Nachteile für den Erblasser und die Verzichtenden haben. Ob ein Erbverzicht eine Option für Sie ist, müssen Sie aus ihrer individuellen Situation heraus entscheiden – ein Anwalt kann Ihnen dabei helfen.
Vorteile:
Nachteile:
Eine Erbverzichtserklärung muss vertraglich geregelt und notariell beurkundet werden. Dafür müssen beide Vertragsparteien anwesend sein – der Verzichtende darf sich vertreten lassen, während der Erblasser persönlich anwesend sein muss. Deshalb muss ein Erbverzichtsvertrag zu Lebzeiten des Erblassers erstellt werden und ist danach nur mit Einverständnis beider Parteien änderbar.
Im Erbverzichtsvertrag können die genauen Inhalte des Verzichts geregelt werden – beispielsweise worauf verzichtet wird, wer verzichtet und ob eine Abfindung gezahlt werden soll.
Wie oben genannt, können verzichtende Erben mit einer Abfindungszahlung entschädigt werden. Die Höhe der Zahlungen können individuell im Erbverzichtsvertrag festgehalten werden. In den meisten Fällen wird sich an der Höhe des Pflichtteils orientiert – somit bekommen die Verzichtenden den Teil vom Nachlass, der ihnen sowieso bei einer Enterbung zustehen würde.
In einem Erbverzichtsvertrag müssen in jedem Fall die Daten des Erblassers und des verzichtenden Erben vermerkt sein. Der Inhalt kann individuell angepasst werden und bedarf deshalb keiner besonderen Form. Der Erbverzicht sollte aber Regelungen über den Teil enthalten, auf den sich der Verzicht bezieht, und bestimmen, welche Gegenleistungen erbracht werden müssen.
Beispiel:
„Hiermit verzichtet Frau Mustermann gegenüber ihrem Vater Herrn Mustermann gemäß § 2346ff. BGB auf ihr gesetzliches Erbrecht. Der Verzicht gilt auch für alle Nachkommen von Frau Mustermann. Der Verzicht wird erst rechtskräftig, wenn Herr Mustermann eine Abfindungszahlung in Höhe von 5.000 € an Frau Mustermann gezahlt hat. Alle Kosten, die durch Errichtung des Erbverzichtsvertrages anfallen, werden von Herrn Mustermann getragen.“
Bei der Beurkundung von Erbverzichtsverträgen fällt eine doppelte Notargebühr an. Diese berechnet sich laut § 102 des Gerichts- und Notarkostengesetzes je nach Höhe des Vermögens, über das der Verzicht erklärt wird.
Besteht ein Vermögen zum Beispiel aus 100.000 € Bankguthaben und einem Wohngrundstück im Wert von 400.000 €, beträgt der Geschäftswert zur Berechnung der Notarkosten 500.000 €. Die doppelte Gebühr würde sich auf 1.870 € belaufen.
Bei der Berechnung werden Verbindlichkeiten des Erblassers zwar von seinem Vermögen abgezogen – jedoch nur bis zur Hälfte des Wertes des Vermögens.
Hat der Erblasser im eben genannten Beispiel etwa 300.000 € Schulden, werden 150.000 € vom Geschäftswert abgerechnet. Der Geschäftswert würde 350.000 € und die Notargebühren nur noch 1.370 € betragen.
Durch eine Erbverzichtserklärung werden die Verzichtenden automatisch von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen. Sie können deshalb weder erbrechtliche Ansprüche noch Pflichtteilsansprüche geltend machen. Der Erbteil des verzichtenden Erbens wird gleichmäßig auf die restlichen Erben verteilt und erhöht damit ihren Teil am Nachlass.
Wer einen Erbverzicht unterzeichnet, verzichtet laut § 2346 BGB grundsätzlich auch auf seinen Pflichtteil am Erbe. Es kann jedoch auch im Erbverzicht geregelt werden, dass kein Ausschluss vom Pflichtteil stattfinden soll.
Besonders vorteilhaft stellt sich ein Erbverzicht für den Erblasser heraus – er kann seinen Nachlass ohne Rücksicht auf mögliche Pflichtteilsrechte auf alle nicht verzichtenden Erben verteilen oder schon zu Lebzeiten übertragen.
Sofern die verzichtenden Erben keine Alleinerben sind, sollten sie jedoch beachten, dass sowohl der Pflichtteil als auch der Erbteil der anderen Erben durch ihren Erbverzicht höher ausfällt.
Falls es nicht anders vereinbart wurde, erstreckt sich der Erbverzicht automatisch auch auf die Erben des Verzichtenden. Unterzeichen Sie also einen Erbverzichtsvertrag, werden auch Ihre Kinder von dem Erbe ausgeschlossen.
Die freie Gestaltung der Erbverzichtserklärung ermöglicht es jedoch, dass die Erben des Verzichtenden von dem Erbverzicht ausgeschlossen werden und somit am Nachlass beteiligt werden können.
Eine vertragliche Erbverzichtserklärung kann nach dem Abschluss nicht widerrufen werden. Nur mit Einwilligung der beiden Parteien, die den Erbverzicht unterschrieben haben, kann mit einem neuen Vertrag eine Aufhebung oder Änderung geregelt werden. Wird ein Aufhebungsvertrag abgeschlossen, tritt die erbrechtliche Situation ein, die vor dem Erbverzicht bestand und der Verzichtende wird wieder Erbe.
Wie schon der Erbverzichtsvertrag bedarf auch der Aufhebungsvertrag einer notariellen Beurkundung.
Wie andere Verträge kann auch eine Erbverzichtserklärung angefochten werden, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen.
Ein Erbverzicht wird laut § 119 BGB unwirksam, wenn ein Irrtum bei der Erstellung des Vertrags vorgelegen hat – also wenn der Inhalt beispielsweise durch Irrtum entstanden ist oder der Verzichtende die Erklärung gar nicht abgeben wollte. Zudem bestimmt § 123 BGB einen Erbverzichtsvertrag als nicht rechtskräftig, wenn er durch eine Täuschung oder Drohung entstanden ist.
Die sogenannte Sittenwidrigkeit kann einen Erbverzicht ebenso unwirksam machen. Diese liegt beispielsweise vor, wenn der Erblasser einem wirtschaftlich unerfahrenen Verzichtenden eine Abfindung auszahlen möchte, die nicht im Verhältnis zum Verzicht steht und die Unerfahrenheit somit zu seinen Gunsten ausnutzt.
Beispielfall:
Ein Vater hat seinem 18-jährigen Sohn im Gegenzug zum Ausbildungsabschluss mit der Note „sehr gut“ sowie einem Erbverzicht seinen neu erstandenen Sportwagen zum 25. Geburtstag versprochen. Der Sohn willigte ein und es wurde eine Erbverzichtserklärung beim Notar erstellt. Später bekam der Sohn Zweifel an der Abmachung und forderte, dass der Erbverzicht rückgängig gemacht werden solle. Das Oberlandesgericht Hamm urteilte daraufhin, dass der Erbverzicht aufgrund der Unerfahrenheit des Sohnes, die der Vater versuchte auszunutzen, sittenwidrig und somit nicht rechtskräftig ist.
Wollen Sie frei über die Verteilung Ihres Nachlasses entscheiden oder ein Unternehmen an eines Ihrer Kinder weitergeben, können Sie mit Einverständnis Ihrer Erben einen Erbverzichtsvertrag aufsetzen. Die Ausarbeitung des Erbverzichts kann sich allerdings als schwierig herausstellen, wenn die zu verzichtenden Erben auf ihr Erbrecht bestehen oder andere Forderungen an Sie stellen. Ein Anwalt für Erbrecht hilft Ihnen gern, einen Erbverzicht durchzusetzen und zeigt Ihnen verschiedene Handlungsmöglichkeiten auf.
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