Überall dort, wo gegensätzliche Interessen zusammentreffen, sind Konflikte vorprogrammiert. So entstehen auch im Erbfall oft Streitigkeiten – insbesondere bei großen Vermögenswerten wie Unternehmen oder Grundstücken. Damit das verhindert wird, kann ein Erblasser sein Erbe schon zu Lebzeiten auf Angehörige verteilen. Dafür bietet sich eine Erbverzichtserklärung an. Was das ist, wann eine Erbverzichtserklärung sinnvoll ist und welche Auswirkungen sie hat, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Mit einer Erbverzichtserklärung verzichtet ein Erbe – in der Regel gegen eine Abfindung – auf seinen Anteil am Nachlass. Der Verzicht wird zu Lebzeiten des Erblassers zwischen ihm und einem seiner Erben vertraglich vereinbart. Erst wenn beide einen entsprechenden Vertrag unterzeichnet haben, wird die Erbverzichtserklärung rechtsgültig. Dann ist der Verzichtende von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen und verliert sämtliche erbrechtlichen Ansprüche.
In einem Erbverzichtsvertrag kann der Verzicht auch nur auf den gesetzlichen Pflichtteil beschränkt werden – was es damit auf sich hat, erfahren Sie in unserem Beitrag zum „Pflichtteilsverzichtsvertrag“.
Der Erbverzichtsvertrag und die Erbverzichtserklärung sind nicht voneinander zu trennen, da die Verzichtserklärung erst durch den Vertrag rechtsgültig wird. Eine solche Erklärung, die nicht vertraglich festgehalten wird, ist ungültig. Der Erbverzichtsvertrag muss zwischen dem Erblasser und dem verzichtenden Erben geschlossen werden – eine Erbverzichtserklärung kann also nur zu Lebzeiten des Erblassers abgegeben werden.
Wie Sie einen Erbverzichtsvertrag erstellen und welche Kosten damit verbunden sind, erfahren Sie in unserem Beitrag „Erbverzichtsvertrag“.
Mit einem Pflichtteilsverzicht wird nur auf den gesetzlichen Pflichtteil am Erbe verzichtet. Vereinbaren ein Erblasser und sein Erbe den Pflichtteilsverzicht, kann der Erbe trotzdem einen Anteil am Nachlass erhalten und weiterhin im Testament als Erbe eingesetzt werden – der Erbe wird also nicht von der Erbfolge ausgeschlossen. Dasselbe gilt für die Kinder des Verzichtenden, denn ein solcher Verzicht erstreckt sich auch auf dessen Nachkommen. Sollen diese vollständig ausgeschlossen werden, können entsprechende Anordnungen in den Vertrag aufgenommen werden.
Eine Erbverzichtserklärung hingegen schließt den Pflichtteilsverzicht immer mit ein. Der verzichtende Erbe wird von der Erbfolge ausgeschlossen und kann keinen Anteil am Erbe mehr erhalten – ein Erblasser kann ihn auch nicht im Testament als Erben einsetzen. Zu beachten ist außerdem, dass ein Pflichtteilsverzicht im Gegensatz zur Erbverzichtserklärung keine Auswirkungen auf die nicht verzichtenden Erben hat – der Erbe verzichtet nur auf seinen Pflichtteil und nicht auf das gesamte Erbe.
Ausführlichere Informationen zum Pflichtteilsverzicht finden Sie in unserem Beitrag „Pflichtteilsverzicht“.
Hat ein Erbe zu Lebzeiten des Erblassers keine Erbverzichtserklärung abgegeben, möchte das Erbe aber nicht antreten, kann er das Erbe ausschlagen. Dies ist erst nach dem Tod des Erblassers möglich – im Gegensatz zu einer Erbverzichtserklärung ist hier keine Zustimmung vom Erblasser nötig.
Durch die Erbausschlagung verliert der Erbe sämtliche Rechte und Pflichten, die mit einer Erbschaft verbunden sind. So hat er keine Ansprüche mehr auf den Nachlass – gleichzeitig aber entfällt seine Haftung für Schulden des Erblassers. Mit der Erbausschlagung geht auch der gesetzliche Pflichtteil verloren – es kann nicht nur auf Schulden verzichtet werden.
Ein Erbe kann ausgeschlagen werden, indem innerhalb von sechs Wochen eine entsprechende Erklärung beim Nachlassgericht abgegeben wird. Dabei beginnt die Frist an dem Tag, an dem Kenntnis über die Erbschaft erlangt wurde – in der Regel ist das der Todestag oder der Tag der Testamentseröffnung. Für die Ausschlagung können Erben entweder persönlich zum Amtsgericht des letzten Wohnbezirkes des Erblassers oder zum Amtsgericht des eigenen Wohnbezirks gehen. Alternativ kann ein Erbe die Ausschlagung auch über einen Notar veranlassen. Der Notar hält die Ausschlagungserklärung schriftlich fest und beurkundet diese – die beglaubigte Erklärung muss dann fristgerecht beim Nachlassgericht eingereicht werden.
Was die Erbausschlagung genau bedeutet, wie Sie ein Erbe ausschlagen können und welchen Folgen die Ausschlagung hat, erfahren Sie in unserem Beitrag „Erbteil ausschlagen“.
Welche Gründe für eine Erbverzichtserklärung sprechen und ob diese eine Alternative zur Erbausschlagung darstellt, wird im Folgenden näher erläutert.
Möchte ein Erblasser sein Erbe bereits zu Lebzeiten auf Angehörige verteilen oder die Unternehmensnachfolge sicherstellen, kann eine Erbverzichtserklärung sinnvoll sein. Eine solche macht außerdem eine völlige Enterbung möglich. Diese und weitere Gründe für eine Erbverzichtserklärung werden im Folgenden näher erläutert.
Ein erster Grund für eine Erbverzichtserklärung ist die Regelung des Erbes zu Lebzeiten des Erblassers. So können z. B. spätere Streitigkeiten innerhalb einer Erbengemeinschaft oder zwischen ehelichen und unehelichen Kindern vermieden werden. Außerdem kann die Zerschlagung großer Vermögenswerte – z. B. Immobilien und Unternehmen – im Erbfall verhindert werden.
Erbstreitigkeiten können besonders innerhalb einer Erbengemeinschaft vorkommen. Eine lebzeitige Regelung des Erbes durch eine Erbverzichtserklärung kann Streitigkeiten verhindern, weil verzichtende Erben von der Erbfolge ausgeschlossen werden – es gibt folglich weniger Personen, die Ansprüche auf den Nachlass stellen können.
Auf gleichem Wege können Streitigkeiten zwischen ehelichen und unehelichen Kindern vermieden werden: Nach einem Erbverzicht der unehelichen Kinder sind sie von der Erbfolge ausgeschlossen – somit erben eheliche Kinder und die Ehefrau gemäß gesetzlicher Erbfolge. Mehr zum Pflichtteil für uneheliche Kinder finden Sie in unserem Beitrag Pflichtteil uneheliche Kinder.
Eine Zerschlagung von großen Vermögenswerten wie z. B. Immobilien und Unternehmen droht, wenn mehrere Erben Ansprüche haben und das Vermögen aufgeteilt werden muss. In solchen Fällen kann die lebzeitige Regelung des Erbes durch eine Erbverzichtserklärung helfen, denn durch den Erbverzicht reduziert sich die Anzahl der Erben, auf die das Vermögen verteilt werden muss.
Ausführlichere Informationen finden Sie in unserem Beitrag zur vorweggenommenen Erbfolge.
Wie eine Erbverzichtserklärung den Fortbestand eines Unternehmens nach einem Erbfall sichern kann, wird im nächsten Kapitel erläutert.
Ein zweiter Grund für eine Erbverzichtserklärung ist die Vererbung eines Unternehmens. Gibt es mehrere Erben, muss ein Unternehmen nach einem Erbfall aufgeteilt werden. Das kann auch zum Verkauf des Unternehmens führen, damit jeder Erbe seinen Anteil erhalten kann.
Eine Erbverzichtserklärung kann den Fortbestand eines Unternehmens sichern. Wollen oder sollen bestimmte Erben das Unternehmen nicht weiterführen, kann der Erblasser mit ihnen eine Erbverzichtserklärung vereinbaren. Dadurch wird das Unternehmen an einen ausgewählten Erben vererbt und ist vor einer Aufteilung geschützt. Wichtig ist aber, dass die Erben mit dem Erbverzicht einverstanden sind.
Mehr Informationen über die Vererbung eines Unternehmens finden Sie in unserem Beitrag „Vererbung eines Einzelunternehmens“.
Ein weiterer Grund für eine Erbverzichtserklärung ist die Enterbung naher Angehöriger. Die Enterbung durch eine Erbverzichtserklärung kann sinnvoll sein, wenn ein Angehöriger vollständig von der Erbfolge ausgeschlossen werden soll – durch eine Enterbung im Testament ist das nicht so einfach möglich, weil er trotzdem Ansprüche auf den Pflichtteil hat. Zudem kann eine Enterbung, die erst bei Testamentseröffnung publik wird, den Familienfrieden stören.
Durch eine Erbverzichtserklärung kann dies verhindert werden – beide Parteien haben sie gemeinsam vereinbart, Pflichtteilsansprüche entfallen und der Erbe ist auf seinen Ausschluss von der Erbfolge vorbereitet.
Ausführliche Informationen zum Thema Enterbung, wie jemand enterbt werden kann und wer trotz Enterbung Ansprüche auf den Pflichtteil hat, finden Sie in unseren Beiträgen „Enterbung“ „Enterben ohne Pflichtteil“ & „Enterbt – was tun?“.
Schlägt der Erbe die Erbschaft aus, gehen alle Nachlassgegenstände verloren – häufig bedeutet das auch den Verlust von Erinnerungsstücken. Zudem ist eine Erbausschlagung endgültig und kann nur im Einzelfall wieder rückgängig gemacht werden. Eine Erbausschlagung birgt also nicht nur Vorteile – es kann deshalb für Erblasser und Erben sinnvoll sein, sich über Alternativen zu informieren. Warum eine Erbverzichtserklärung eine Alternative zur Erbausschlagung ist, lesen Sie hier.
Ein Vorteil der Erbverzichtserklärung ist, dass der Erblasser frei über die Aufteilung seines Vermögens entscheiden kann – eine Erbausschlagung hingegen liegt allein im Ermessen des Erben. Dabei bleiben die Vorstellungen des Erblassers von der Erbaufteilung gänzlich unberücksichtigt. Durch eine Erbverzichtserklärung kann ein Erblasser gemeinsam mit seinem Erben den Nachlass regeln und sein Erbe schon zu Lebzeiten aufteilen.
Ein weiterer Vorteil ist, dass der Erbe für eine Erbverzichtserklärung entschädigt werden kann – für eine Ausschlagung hingegen nicht. Schlägt ein Erbe die Erbschaft aus, verliert er sämtliche Ansprüche auf Erbteile. Auch der Anspruch auf den Pflichtteil geht dann verloren, weil dieser nur bei dem Anfall einer Erbschaft besteht – wurde die Erbschaft ausgeschlagen, gilt sie als nicht erfolgt. Für eine Erbverzichtserklärung erhält der verzichtende Erbe jedoch eine Abfindung, die sich in der Regel an der Höhe des Pflichtteils orientiert.
Außerdem können nahestehende Angehörige durch eine Erbverzichtserklärung abgesichert werden, indem zu ihren Gunsten auf das Erbe verzichtet wird. Verzichtet z. B. ein Kind auf seinen Erbteil, kann damit der überlebende Elternteil abgesichert werden. Die Gewalt über entsprechende Vorkehrungen hätte der Erblasser im Falle einer Erbausschlagung nicht – eine solche ist wie erwähnt erst nach seinem Ableben möglich.
Zusammengefasst hat eine Erbverzichtserklärung gegenüber einer Erbausschlagung folgende Vorteile:
✓ Der Erblasser kann durch eine Erbverzichtserklärung frei über die Aufteilung seines Nachlasses entscheiden,
✓ der verzichtende Erbe wird durch eine Abfindung für seinen Erbverzicht entschädigt und
✓ der Erblasser kann entscheiden, mit welchen Erben er Erbverzichte und so die Absicherung nahestehender Angehöriger vereinbart.
Neben den genannten Gründen gibt es weitere Gründe für eine Erbverzichtserklärung:
Durch eine Erbverzichtserklärung werden Probleme verhindert, die im Erbfall auftreten können.
Entscheidet sich ein Erbe für eine Erbverzichtserklärung, muss diese in einem Erbverzichtsvertrag festgehalten werden. Worauf bei der Erstellung einer rechtsgültigen Erbverzichtserklärung geachtet werden muss, wird im folgenden Kapitel erklärt.
Für eine Erbverzichtserklärung gibt es keine allgemeingültigen Form- und Inhaltsvorschriften. Jedoch sind bei der Erstellung einige Dinge zu beachten.
Für die Form ist es grundsätzlich wichtig, dass eine Erbverzichtserklärung in einem Erbverzichtsvertrag zwischen dem Erblasser und dem verzichtenden Erben vereinbart wird. Da ein Vertrag ein höchstpersönliches Geschäft ist, muss der Erblasser bei der Vertragsunterzeichnung unbedingt anwesend sein – der verzichtende Erbe hingegen darf sich von einer bevollmächtigten Person vertreten lassen.
Der Inhalt eines Erbverzichtsvertrages kann an den Einzelfall angepasst werden. In jedem Fall müssen allerdings die Daten des Erblassers und des verzichtenden Erben enthalten sein. Außerdem müssen sämtliche Regelungen in Bezug auf den Verzicht enthalten sein – also auf welchen Teil des Nachlasses sich der Verzicht bezieht und welche Gegenleistungen erbracht werden müssen.
In der Regel werden Geldbeträge als Abfindungen vereinbart – was dabei beachtet werden muss, wird im nächsten Kapitel erläutert.
In den meisten Fällen wird ein verzichtender Erbe durch eine Abfindungszahlung für seinen Erbverzicht entschädigt. Die Höhe der Abfindung kann im Erbverzichtsvertrag individuell angepasst werden – meistens orientieren sich Abfindungen an der Höhe des gesetzlichen Pflichtteils, damit der Verzichtende seinen ohnehin gesetzlich geregelten Anteil erhält.
Die Abfindungszahlung unterlieget der Schenkungssteuer – der verzichtende Erbe muss also unter Umständen Steuern für die erhaltene Abfindung bezahlen. Allerdings gibt es bei der Schenkungssteuer hohe Freibeträge, die vor der Berechnung der Steuer abgezogen werden. Liegt der Betrag der Abfindung unter dem Freibetrag, müssen keine Steuern bezahlt werden. Der Freibetrag ist dabei abhängig vom Verwandtschaftsgrad – die folgenden Freibeträge gelten für die jeweiligen Angehörigen:
Die Schenkungssteuer ist genauso hoch wie die Erbschaftssteuer und wird fällig, wenn der oben genannte Freibetrag überschritten wird. Folgende Steuersätze gelten:
Höhe des Erbes |
Steuerklasse I |
Steuerklasse II |
Steuerklasse III |
Bis zu 75.000 € |
7 % |
15 % |
30 % |
Bis zu 300.000 € |
11 % |
20 % |
30 % |
Bis zu 600.000 € |
15 % |
25 % |
30 % |
Bis zu 6.000.000 € |
19 % |
30 % |
30 % |
Bis zu 13.000.000 € |
23 % |
35 % |
50 % |
Bis zu 26.000.000 € |
27 % |
40 % |
50 % |
Mehr als 26.000.000 € |
30 % |
43 % |
50 % |
Eine vertragliche Erbverzichtserklärung ist laut § 2348 BGB nur mit notarieller Beurkundung gültig – der Gang zum Notar ist also zwingend notwendig. Dafür müssen der Erblasser und der verzichtende Erbe oder die vom Erben bevollmächtigte Person beim Notar anwesend sein. Dieser stellt die Rechtmäßigkeit des Vertrags fest und kann Fehler korrigieren.
Außerdem kann er sicherstellen, dass beide Vertragsparteien vollständig mit dem Inhalt des Verzichts einverstanden sind und der Erbe wirklich auf sein gesetzliches Erbrecht verzichten möchte.
Wie hoch die Kosten einer notariellen Beurkundung sind, wird in Kapitel 6 erläutert.
Die Erbverzichtserklärung bedarf keiner festgelegten Form – sie kann an die individuellen Umstände angepasst werden.
Beispiel:
„Gemäß § 2346 ff. BGB verzichtet Frau Schmidt, geborene Müller, hiermit gegenüber ihrer Mutter Frau Müller auf ihr gesetzliches Erbrecht. Der Verzicht gilt auch für alle Nachkommen von Frau Schmidt.
Der Verzicht wird erst rechtskräftig, wenn Frau Müller eine Abfindungszahlung in Höhe von 9.000 € an Frau Schmidt gezahlt hat.
Alle Kosten, die durch Errichtung des Erbverzichtsvertrages anfallen, werden von Frau Schmidt getragen.“
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Bevor ein Erbverzicht erklärt wird, sind alle Auswirkungen dessen zu beachten. Welche dies sind, erfahren Sie im Folgenden.
Die wesentliche Folge einer Erbverzichtserklärung für den Verzichtenden ist, dass er sein gesetzliches Erbrecht verliert und im Erbfall keinen Erbteil erhält. Das gilt auch für den gesetzlichen Pflichtteil, da eine Erbverzichtserklärung den Pflichtteilsverzicht einschließt. Zudem wird der Verzichtende von der Erbfolge ausgeschlossen und kann vom Erblasser nicht mehr im Testament als Erbe eingesetzt werden. Für diese Folgen eines Erbverzichts wird der Verzichtende in der Regel mit einem Geldbetrag als Abfindung entschädigt.
Alle Vereinbarungen im Erbverzichtsvertrag gelten auch für die Kinder des verzichtenden Erben – der Grundsatz, dass ein Erbanspruch auf Kinder des Erben übergeht, sollte dieser versterben, gilt bei einer Erbverzichtserklärung nicht. Das bedeutet, dass die Kinder des Verzichtenden ebenfalls von der Erbfolge ausgeschlossen sind und keinen Teil vom Erbe erhalten.
Die individuelle Gestaltung der Erbverzichtserklärung ermöglicht es aber, dass die Kinder des Verzichtenden nicht von dem Erbverzicht beeinflusst werden – sie können dann weiterhin einen Teil vom Nachlass erhalten.
Wenn ein Erbe eine Erbverzichtserklärung unterschreibt, wird er von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen. Er kann danach weder Erbansprüche noch Pflichtteilsansprüche geltend machen.
Gibt es mehrere Erben, werden deren Erbanteile durch den Erbverzicht eines Erben erhöht. Der Grund dafür ist, dass der verzichtende Erbe im Erbfall so behandelt wird, als wäre er kein Erbe – folglich wird der Nachlass auf weniger Erben verteilt und deren Anteile fallen entsprechend höher aus.
Verzichtet ein Erbe durch eine Erbverzichtserklärung auf seinen Erbanspruch, verzichtet er laut § 2346 BGB grundsätzlich auch auf seinen Pflichtteil am Erbe.
Durch die Anpassungsmöglichkeiten der Erbverzichtserklärung kann allerdings festgelegt werden, dass der Erbe nur seinen Pflichtteil erhält.
Ausführliche Informationen und weitere wichtige Hinweise zum Pflichtteil am Erbe finden Sie in unserem Beitrag zum Pflichtteil.
Für die notarielle Beurkundung einer Erbverzichtserklärung fällt eine doppelte Notargebühr (2,0) an, die in § 102 des Gerichts- und Notarkostengesetzes aufgelistet ist. Demnach ist die Gebühr abhängig vom Geschäftswert – also der Höhe des Vermögens, auf das verzichtet wird. Verbindlichkeiten wie z. B. Schulden des Erblassers werden zur Hälfte von dem Geschäftswert abgezogen.
Der nachfolgenden Tabelle können Sie entnehmen, mit welchen Notargebühren zu rechnen ist.
Vermögen |
Doppelte Notargebühr |
10.000 € |
150 € |
50.000 € |
330 € |
100.000 € |
540 € |
200.000 € |
870 € |
500.000 € |
1.870 € |
Einen Notarkostenrechner zum Download (Excel) finden Sie bei der Bundesnotarkammer.
Beispiel:
Besteht das Vermögen aus 100.000 € Bankguthaben und einem Wohngrundstück im Wert von 400.000 €, beträgt der Geschäftswert zur Berechnung der Notarkosten 500.000€. Die doppelte Notargebühr beläuft sich dementsprechend auf 1.870 €
Hat der Erblasser zusätzlich 300.000 € Schulden, werden davon 150.000 € vom Geschäftswert abgezogen – dieser beläuft sich also nur noch auf 350.000 €. Die doppelte Notargebühr beträgt dann nur noch 1.370 €.
Haben Erblasser und Erbe einmal eine Erbverzichtserklärung vertraglich vereinbart und notariell beurkunden lassen, kann sie nicht einfach widerrufen werden. Für die Änderung oder Aufhebung einer Erbverzichtserklärung ist die Zustimmung beider Vertragsparteien und ein neuer Vertrag notwendig.
Das bedeutet auch, dass eine Änderung oder Aufhebung einer Erbverzichtserklärung nur zu Lebzeiten des Erblassers möglich ist – nach dem Erbfall ist das ausgeschlossen. Außerdem müssen sämtliche Änderungen oder Bedingungen der Aufhebung im neuen Vertrag festgehalten und auch notariell beurkundet werden.
Nach einer erfolgreichen Änderung gelten die neu geregelten Vereinbarungen und nach einer Aufhebung ist die rechtliche Situation vor dem Erbverzicht wiederhergestellt – der Verzichtende hat somit wieder erbrechtliche Ansprüche und kann als Erbe eingesetzt werden.
Die Erbverzichtserklärung allein kann nicht angefochten werden – nur der Erbverzichtsvertrag, durch den der Erbverzicht erklärt wird. Eine Anfechtung ist dabei nur unter folgenden Voraussetzungen möglich:
Zum einen ist ein Erbverzichtsvertrag nach § 119 BGB anfechtbar, wenn bei der Vereinbarung ein Irrtum vorgelegen hat. Das gilt z. B., wenn der Wert des Nachlasses unbekannt oder falsch bekannt war. Auch Erbverzichtserklärungen, die der verzichtende Erbe eigentlich gar nicht abgeben wollte, gelten im Sinne des Irrtums als anfechtbar.
Zum anderen ist ein Erbverzichtsvertrag anfechtbar, wenn der verzichtende Erbe durch Täuschung oder Bedrohung zum Erbverzicht gebracht wurde. Wird der Erbe z. B. über den Wert des Vermögens absichtlich getäuscht, kann der Erbverzicht angefochten werden.
Weiterhin kann nach § 138 BGB ein Erbverzichtsvertrag auch wegen Sittenwidrigkeit angefochten werden. Sittenwidrig ist die Erklärung z. B. dann, wenn Erblasser die Unerfahrenheit von jungen Erben ausnutzen und sie mit materiellen Gegenständen zum Erbverzicht locken.
Beispiel:
Ein gerade volljähriger Sohn wird von seinem Vater zum Erbverzicht gebracht, indem er ihm einen Sportwagen zum 25. Geburtstag verspricht. Der Sohn wusste zum Zeitpunkt des Verzichts nicht, dass ein Sportwagen erheblich an Wert verliert und er folglich eine zu geringe Abfindung erhalten hat – er bereut seinen Verzicht und fordert die Aufhebung des Erbverzichtsvertrags. Ein Gericht beurteilt den Erbverzicht daraufhin als sittenwidrig, da der Erblasser die Unerfahrenheit seines Sohnes ausgenutzt hat.
Ist eine Anfechtung des Erbverzichts erfolgreich, dann gilt die Vereinbarung als nichtig und der Erbe wird weiterhin entsprechend der gesetzlichen Erbfolge berücksichtigt.
Eine Erbverzichtserklärung hat Vor- und Nachteile sowohl für den Erblasser als auch für den Verzichtenden. Letztendlich kommt es auf persönliche Umstände der Beteiligten an, die über die Anwendung eines vertraglichen Verzichts entscheiden. Ein Anwalt kann dabei eine gute Unterstützung sein.
Vorteile:
✓ Der Erblasser kann sein Erbe zu Lebzeiten regeln,
✓ durch die Vereinbarung einer Erbverzichtserklärung können Erblasser frei über die Erbaufteilung entscheiden,
✓ große Vermögenswerte wie Immobilien oder Unternehmen können vor einer Aufteilung geschützt werden, weil es weniger anspruchsberechtigte Erben gibt,
✓ Erben können vor einem Erbfall auf ein ungewolltes Erbe verzichten,
✓ verzichtende Erben können mit einer Abfindung für ihren Verzicht entschädigt werden,
✓ verzichtende Erben können langwierigen und belastenden Erbstreitigkeiten entgehen, weil sie nicht mehr an der Nachlassverwaltung beteiligt werden,
✓ Erben können andere Angehörige absichern, indem sie zu deren Gunsten auf ihr Erbe verzichten.
Nachteile:
X Ein Erbverzicht ist nur zu Lebzeiten des Erblassers möglich und bedarf dessen Zustimmung,
X es ist nicht möglich, nur auf ungewollte Teile des Erbes zu verzichten (z. B. Schulden) – entweder man verzichtet auf das gesamte Erbe oder nur auf den Pflichtteil,
X die Erklärung kann nur zu Lebzeiten des Erblassers geändert oder angefochten werden.
Sowohl vor- als auch nachteilhaft:
O Die Erbanteile inklusive des Pflichtteils der nicht verzichtenden Erben erhöhen sich.
Durch eine Erbverzichtserklärung können Sie als Erblasser schon zu Lebzeiten über die Aufteilung Ihres Nachlasses entscheiden. Als Erbe können Sie langwierigen Erbauseinandersetzungen entgehen und für Ihren Verzicht entschädigt werden. Bei der Vereinbarung und Gestaltung einer vertraglichen Erbverzichtserklärung kann es zu Schwierigkeiten kommen. Ein Anwalt für Erbrecht kann Ihnen helfen, diese Schwierigkeiten zu vermeiden und Sie in allen Fragen rund um eine Erbverzichtserklärung beraten.
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Carolin Stadler hat als Teil der juristischen Redaktion von advocado jahrelange Erfahrung im Schreiben von Ratgeber-Artikeln zu Rechtsthemen – insbesondere zum Erbrecht und Patentrecht. Grundlage ihrer lösungsorientierten Arbeit ist das Studium der Organisationskommunikation.