Damit im Erbfall keine Streitigkeiten zwischen den Erben aufkommen, möchten Erblasser ihr Vermögen oft schon zu Lebzeiten auf ihre Verwandten verteilen. Eine Möglichkeit dazu bietet ihnen ein Erbverzichtsvertrag mit den Erben, die sowieso nicht an ihrem Erbteil interessiert sind. Was ein Erbverzichtsvertrag ist, wie man einen Erbverzichtsvertrag erstellt und was Sie sonst noch beachten können, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Ein Erbverzichtsvertrag regelt den Verzicht eines Erben auf seinen gesetzlichen Erbteil. Der Vertrag muss zwischen dem Erblasser und dem verzichtenden Erben – also zu Lebzeiten des Erblassers – geschlossen werden. Der Erbe verzichtet dabei auf sein gesetzliches Erbrecht und somit auf sein gesamtes Erbe inklusive Pflichtteil. Dafür können Erben mit einer Abfindung entschädigt werden.
In unserem Beitrag zum Thema „gesetzliche Erbfolge“ erfahren Sie, wem ein gesetzlicher Erbteil zusteht und wie hoch die Ansprüche sein können.
Wie schon beschrieben, muss der Erbvertrag zwischen dem Erblasser und seinem Erben geschlossen und kann deshalb nicht nur von einer der beiden Parteien erstellt werden. Da es sich bei einem Vertrag um ein höchstpersönliches Geschäft handelt, muss der Erblasser bei der Vertragsschließung persönlich anwesend sein. Der Erbe darf sich für die Unterzeichnung des Vertrags von einer bevollmächtigten Person vertreten lassen.
Der Erbverzichtsvertrag kann von Ihnen individuell und auf Ihren Fall angepasst formuliert werden. Grundsätzlich muss der Vertrag die Daten des Erblassers, des Erbens und den Vertragsgegenstand beinhalten – also klären, worauf sich der Verzicht bezieht. Soll eine Entschädigung gezahlt werden, müssen Sie auch dies in dem Vertrag festhalten.
Ein Erbverzichtsvertrag ist nur rechtswirksam, wenn er in Anwesenheit des Erblassers und des Erben oder einem Vertreter des Erben notariell beurkundet wird. Der Notar stellt die Rechtmäßigkeit des Vertrags fest und kann Sie gegebenenfalls auf Fehler aufmerksam machen. Außerdem kann festgestellt werden, ob beide Vertragsparteien mit dem Inhalt einverstanden sind und der Erbe wirklich auf sein gesetzliches Erbrecht verzichten möchte.
Ein Erbverzichtsvertrag bedarf keiner besonderen Form, Sie können sich zur Formulierung aber an folgendem Beispiel orientieren:
Beispiel:
„Gemäß § 2346 ff. BGB verzichtet Frau Schmidt, geborene Müller, hiermit gegenüber ihrer Mutter Frau Müller auf ihr gesetzliches Erbrecht. Der Verzicht gilt auch für alle Nachkommen von Frau Schmidt. Der Verzicht wird erst rechtskräftig, wenn Frau Schmidt eine Abfindungszahlung in Höhe von 9.000 € an Frau Müller gezahlt hat. Alle Kosten, die durch Errichtung des Erbverzichtsvertrages anfallen, werden von Frau Schmidt getragen.“
Die einzigen Kosten, die bei einem Erbverzichtsvertrag anfallen, sind die Notargebühren. Der Notar berechnet für die Beurkundung eine doppelte Gebühr. Diese berechnet sich laut § 102 des Gerichts- und Notarkostengesetzes je nach Höhe des Vermögens, auf das verzichtet wird.
Beispiele:
Bei einem Gebührensatz von 2,0 liegen die Gebühren bei:
Vermögen |
Gebühren |
5.000 € |
90 € |
10.000 € |
150 € |
25.000 € |
230 € |
50.000 € |
330 € |
75.000 € |
438 € |
100.000 € |
546 € |
250.000 € |
1.070 € |
500.000 € |
1.870 € |
Wurde der Erbverzicht einmal vertraglich geregelt und notariell beurkundet, kann er nicht widerrufen werden. Mit der Einwilligung beider Vertragsparteien kann jedoch innerhalb eines neuen Vertrags eine rechtmäßige Aufhebung oder Änderung des Erbverzichtsvertrags bewirkt werden.
Bei einem Aufhebungsvertrag wird die rechtliche Situation vor Erbverzicht wiederhergestellt – der Verzichtende erlangt somit sein Erbrecht zurück und kann wieder als Erbe eingesetzt werden.
Wie der ursprüngliche Erbverzichtsvertrag müssen auch Aufhebungs- und Änderungsverträge von einem Notar beurkundet werden, um Rechtswirksamkeit zu erlangen.
Ein Erbverzichtsvertrag kann wie andere Verträge auch angefochten werden, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind.
Laut § 119 BGB wird ein Erbverzichtsvertrag unwirksam, wenn der Vertrag beispielsweise durch einen Irrtum zustande gekommen ist. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn der Verzichtende den Vertrag eigentlich gar nicht unterschreiben wollte. Außerdem bestimmt § 123 BGB, dass ein Erbverzichtsvertrag nicht rechtskräftig ist, wenn er durch Täuschungen oder Drohungen entstanden ist.
Ebenso können Sittenwidrigkeiten einen Erbverzicht unwirksam machen. Sittenwidriges Handeln liegt zum Beispiel vor, wenn Erblasser die Unerfahrenheit von jungen Erben ausnutzen und im Gegenzug für einen Erbverzicht mit materiellen Gegenständen locken.
Beispiel (Urteil des OLG Hamm vom 08.11.2016, Az. 10 U 36/15)
Ein vermögender Vater überredete seinen gerade volljährigen Sohn zu einem Erbverzicht. Im Gegenzug sollte der Sohn den neuen Sportwagen des Vaters bekommen, sobald er 25 Jahre alt ist und seine Ausbildung mit der Note „sehr gut“ abgeschlossen hat. Der Sohn willigte ein und verzichtete somit auf sein Erbrecht. Er bedachte dabei nicht, dass der Sportwagen bis zu seinem 25. Geburtstag erheblich an Wert verlieren würde.
Später bereute der Sohn den Erbverzicht und forderte die Aufhebung des Erbverzichtsvertrags. Das Oberlandesgericht Hamm urteilte daraufhin, dass der Erbverzicht ungültig sei, weil der Vater sittenwidrig gehandelt und die Unerfahrenheit seines Sohnes ausgenutzt habe.
Wollen Sie einen Erbverzichtsvertrag mit einem verwandten Erblasser vereinbaren, müssen Sie beachten, dass der Verzicht sich auch automatisch auf Ihre Kinder erstreckt. Das heißt, dass Ihre Nachkommen genauso wie Sie alle gesetzmäßigen Erbrechte verlieren.
In dem Erbverzichtsvertrag kann allerdings festgehalten werden, auf welche Erben sich der Verzicht erstrecken soll. So können Sie im Vertrag beispielsweise festhalten, dass Sie auf ihr Erbe verzichten, aber Ihre Kinder ihr Erbrecht nicht verlieren und weiter als Erbe gelten sollen.
Mit einem Erbverzichtsvertrag können Sie schon zu Lebzeiten einen Teil Ihres Vermögens verwalten. Bei der Gestaltung muss jedoch einiges beachtet werden, was zu Fragen und Gestaltungsschwierigkeiten führen kann. Ein Anwalt für Erbrecht kann Sie dabei unterstützen, einen Erbverzichtsvertrag zu erstellen und all Ihre offenen Fragen klären.
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