Neben den Erben hat auch ein Vermächtnisnehmer Anspruch auf den Nachlass eines Verstorbenen. Dieser wird zu Lebzeiten vom Erblasser in einem Vermächtnis bestimmt. Was genau der Unterschied zwischen einem Erben und einem Vermächtnisnehmer ist, welche Fristen ein Vermächtnisnehmer berücksichtigen sollte und wie man ein Vermächtnis hinterlassen kann, erläutert Ihnen der nachfolgende Beitrag.
Vermächtnis und Erbe werden im allgemeinen Sprachgebrauch in der Regel als Synonym verwendet. Der Gesetzgeber sieht hier jedoch eine strikte Trennung beider Begrifflichkeiten vor. Im Sinne des Erbrechts ist unter einem Vermächtnis eine Zuwendung zu verstehen, die aufgrund eines Testaments oder Erbvertrags erfolgt.
Im Gegensatz zum Erbe handelt es sich bei einem Vermächtnis lediglich um eine einzelne Zuwendung. Diese wird aus dem Gesamterbe herausgelöst und muss im Testament oder Erbvertrag gesondert ausgewiesen werden. Hierbei muss der Erblasser auf klare Formulierungen zurückgreifen. Mit Formulierungen „Hiermit vermache ich“ lässt sich beispielsweise auf eine gesonderte Ausweisung und damit ein Vermächtnis hinweisen. Bei einem Vermächtnis müssen Sie daher Floskeln wie „Ich vererbe“ oder „Erbe wird“ vermeiden, da diese zu viel Interpretationsspielraum und Konfliktpotential bieten.
Eine Person, die mit einem Vermächtnis bedacht wurde, wird Vermächtnisnehmer genannt. Diese kann dabei sowohl eine natürliche als auch eine juristische Person sein. Mit dem Tode des Vermächtnisgebers erlangt der Vermächtnisnehmer einen Anspruch auf den vermachten Gegenstand. Diesen kann er gegenüber dem Beschwerten oder Schuldner geltend machen. Beschwerter ist in den meisten Fällen der Erbe. Unter gewissen Voraussetzungen kann es sich hier aber auch um einen anderen Vermächtnisnehmer handeln.
Ein Vermächtnisnehmer gehört nicht zu einer Erbengemeinschaft. Daher muss er – anders als Miterben – auch keine Pflichten übernehmen. Er muss sich weder um die Nachlassverwaltung noch um die Aufteilung des Erbes kümmern. Auch für eventuelle Schulden, die der Erblasser zu Lebzeiten angehäuft hat, muss der Vermächtnisnehmer nicht aufkommen – ein Erbe bzw. Mitglied der Erbengemeinschaft hingegen schon. Ein Vermächtnisnehmer tritt daher stets als Begünstigter auf, der durch das Vermächtnis einen schuldrechtlichen Anspruch gegenüber den Erben des Nachlasses hat.
Prinzipiell kann alles als Vermächtnis gelten, was im Zusammenhang mit dem Erbfall steht. Dennoch lassen sich unterschiedliche Vermächtnis-Formen unterscheiden.
Eine Ausgestaltungsmöglichkeit ist das Stückvermächtnis. Einzelne Objekte werden hierbei an den Vermächtnisnehmer übertragen. Bei Anspruchsentstehung muss der vermachte Gegenstand zwingend Teil des Nachlasses sein. Sollte das Objekt zur Zeit des Erbfalls nicht zur Erbmasse gehören, so ist die Übertragung des Vermächtnisses gemäß § 2169 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) unwirksam, da fremdes Eigentum nicht vermacht werden kann.
Eine weitere Ausgestaltungsvariante ist das Barvermächtnis. Der Erblasser vermacht einem Vermächtnisnehmer hierbei einen festen Geldbetrag.
Weiterhin lässt sich das Universalvermächtnis unterscheiden. Bei diesem kann der Erblasser festlegen, dass der Vermächtnisnehmer den gesamten Nachlass oder zumindest den überwiegenden Teil erhalten soll. Der Vermächtnisnehmer wird in diesem Fall nicht automatisch Erbe. Der Vorteil ist, dass er für keine Verpflichtungen aufkommen muss, die der Erblasser zu Lebzeiten eingegangen ist.
Entscheidet sich der Erblasser dazu, dem Vermächtnisnehmer Anteile von der Erbmasse zu hinterlassen, so handelt es sich um ein Quotenvermächtnis. Da der Vermächtnisnehmer auch hier nicht automatisch Erbe wird, hat er seinen Anspruch gegenüber den Beschwerten – in der Regel die Erben - geltend zu machen.
Eine weitere Variante stellt das Wahlvermächtnis dar. Hierbei kann der Erblasser dem Vermächtnisnehmer sowohl unterschiedliche Gegenstände als auch einen Anteil an der Erbschaft vermachen. Letzterer muss sich jedoch für eine der beiden Optionen entscheiden.
Eine Besonderheit stellt das Vorausvermächtnis dar. Ist eine Person Vermächtnisnehmer und gleichzeitig Erbe bzw. Mitglied einer Erbengemeinschaft, so ist er automatisch auch gleichzeitig Bedachter und Beschwerter. Um ein Vorausvermächtnis würde es sich handeln, wenn beispielsweise folgende Formulierung in einem Testament zu finden ist:
„Ich verfüge, dass mein Erbe zu gleichen Teilen an meinen Sohn Felix und an meinem guten Freund Eberhardt geht. Darüber hinaus vermache ich Eberhardt mein wertvolles Schachspiel aus Gold.“
In diesem Fall ist Eberhardt sowohl Vermächtnisnehmer als auch Erbe und kann neben seinem Erbteilsanspruch auch einen Anspruch auf das vermachte Schachspiel geltend machen.
Bei einem Vorausvermächtnis wird das Vermächtnis nicht auf den Pflichtteil angerechnet. Letzterer wird bei einem Vorausvermächtnis also nicht geschmälert.
Erblasser könnten unter Umständen auf die Idee kommen, den Pflichtteil von Pflichtteilsberechtigten zu schmälern, indem sie Pflichtteilsberechtigte als Vermächtnisnehmer einsetzen. Auch wenn ein Vermächtnis die Pflichtteilsberechtigung nicht notwendigerweise aufhebt, müssen nicht unbedingt Pflichtteil und Vermächtnis fällig werden. Schlägt ein Vermächtnisnehmer beispielsweise das Vermächtnis aus, so hat er lediglich einen Anspruch auf den Pflichtteil. Nimmt der Pflichtteilsberechtigte das Vermächtnis jedoch an, so wird Letzteres auf den Pflichtteil angerechnet. Damit verringert sich der Pflichtteilsanspruch um den Wert des Vermächtnisses. Sollte das Vermächtnis einen höheren Wert haben als der Pflichtteil, so hat der Erbe das Recht gegenüber dem Vermächtnisnehmer, einen Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend zu machen.
Weitere Informationen zum Thema erhalten Sie in unserem Beitrag zum Pflichtteil.
Ohne Regelung durch den Erblasser
Wie Erben oder Pflichtteilsberechtigte müssen auch Vermächtnisnehmer Fristen berücksichtigen. Sofern vom Erblasser testamentarisch nichts anderes bestimmt wurde, hat der Vermächtnisnehmer mit dem Eintritt des Erbfalls einen Anspruch auf das Vermächtnis.
Ab diesem Zeitpunkt kann der Vermächtnisnehmer seinen Anspruch dann gegenüber dem entsprechend Beschwerten – in der Regel dem Erben – geltend machen. Der Erbe ist dann zur Herausgabe verpflichtet.
Jedoch kann es sinnvoll sein, sich nicht unnötig viel Zeit für die Herausgabeforderung zu lassen – der Anspruch verjährt laut dem Regelfall der §§ 195 und 199 Absatz 1 BGB nach 3 Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt dabei mit dem Ende des Jahres, in dem der Erbfall eingetreten ist.
Beispiel: Ist ein Erblasser beispielsweise am 01.03.2018 verstorben, beginnt die Verjährungsfrist also nicht schon an diesem Tag, sondern erst am 01.01.2019. Ablaufen würde sie am 31.12.2021.
Achtung: Beinhaltet das Vermächtnis ein Grundstück, verjährt es laut § 196 BGB erst nach 10 Jahren.
Mit Regelung durch den Erblasser
Möchte sich der Erblasser über die gesetzlichen Fristen hinwegsetzen und den Vermächtnisnehmer erst zu einem späteren Zeitpunkt bedenken, kann er eine selbst bestimmte Frist in seinem Testament oder Erbvertrag festhalten. Diese darf dann auch länger als die drei bzw. zehn Jahre sein.
Beispiel: Bernd Schneider möchte seinen 17-jährigen Enkel mit einem Geldvermächtnis an seinem Erbe beteiligen. Damit dieser das Geld nicht mit jugendlichem Leichtsinn verschleudert, soll er erst mit Vollendung seines 25. Lebensjahres Zugriff darauf erhalten. Deshalb bestimmt der Erblasser in seinem Testament:
Formulierung: Meinem Enkel, Max Schneider, geboren am 25.03.2001, wohnhaft in Berlin, vermache ich – sobald er das 25. Lebensjahr vollendet hat – 20.000 €.
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