Mit der Vererbung einer Immobilie wird eine große Verantwortung auf den Erben übertragen. Gleichzeitig sind damit oft hohe Erbschaftssteuern verbunden, die für den Erben zur finanziellen Belastung werden können. Damit das verhindert wird, können Erblasser die Immobilie zu Lebzeiten durch eine Schenkung an den Erben weitergeben. Dabei bietet sich ein Nießbrauchsvorbehalt an. Was das ist, wie eine Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt abläuft und wie dadurch Erbschaftssteuern gespart werden können, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Durch einen Nießbrauchsvorbehalt hat der bisherige Eigentümer einer Immobilie ein Nutzungsrecht gegenüber dem neuen Eigentümer. Der Vorbehalt wird vor allem dann eingesetzt, wenn ein Erblasser seine Immobilie bereits zu Lebzeiten auf seine Erben übertragen, aber weiterhin selbst nutzen möchte. Durch eine lebzeitige Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt wird der Erbe neuer Eigentümer und räumt dem Erblasser ein lebenslanges Nutzungsrecht ein.
Oft übertragen Erblasser ihre Immobilien bereits zu Lebzeiten durch eine Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt auf ihre Erben. Wie die Schenkung vertraglich gestaltet werden kann, ob eine notarielle Beglaubigung notwendig ist und warum Pflichtteilergänzungsansprüche beachtet werden sollten, wird im Folgenden erklärt.
Am Anfang jeder Übertragung bzw. Schenkung steht ein Schenkungsvertrag – diesen vereinbart ein Erblasser mit seinem Erben und lässt den Nießbrauchsvorbehalt darin eintragen. Wie der Schenkungsvertrag unter Nießbrauchsvorbehalt gestaltet werden muss, wird im nächsten Kapitel genauer erklärt.
Haben sowohl Erblasser als auch Erbe den Vertrag unterschrieben, wird aus dem Nutzungsvorbehalt ein festes Nutzungsrecht. Der Erblasser ist dann der Nießbraucher seiner ursprünglich eigenen Immobilie und der Erbe ist neuer Eigentümer, der dem Erblasser ein Nutzungsrecht einräumt. Das bedeutet, dass der Erblasser die Immobilie selbst bewohnen oder vermieten darf, obwohl er nicht mehr der Eigentümer ist.
Schließlich muss der Grundbucheintrag der Immobilie geändert werden, damit der Nießbrauch rechtskräftig wird – erst wenn der Beschenkte als neuer Eigentümer eingetragen ist, ist die Schenkung abgeschlossen.
Was im Schenkungsvertrag festgehalten werden sollte, welche Aufgaben ein Notar übernimmt und welche Kosten der Vertrag verursacht, wird im Folgenden erklärt.
Anforderungen
Der Schenkungsvertrag erfordert keine bestimmte Form und kann inhaltlich an individuelle Umstände angepasst werden – folgende Daten und Vereinbarungen können jedoch enthalten sein:
Klauseln
Neben sämtlichen Vereinbarungen zum Nutzungsrecht des Nießbrauchers können Rückauflassungsvormerkungen im Vertrag vereinbart werden. Diese ermöglichen es dem Eigentümer, die Immobilie zurückzufordern – z. B. bei Vertragsbrüchen. Es gibt allerdings keine gesetzlichen Vorschriften darüber, was zu einer Rückforderung führen kann.
Muster
Nachfolgend finden Sie ein Muster für die Formulierung eines Schenkungsvertrags:
Zwischen (Daten des Schenkers) und (Daten des Beschenkten) wird folgender Vertrag geschlossen:
Der Schenker verspricht, dem Beschenkten die Immobilie (Anschrift) unentgeltlich zuwenden zu wollen. Der Schenker behält sich an der Immobilie ein lebenslanges Nutzungsrecht vor. Damit ist der Schenker berechtigt, die Immobilie ohne jede Einschränkung selbst zu nutzen. Sämtliche Kosten, die den Schenkungsgegenstand betreffen, sind während des Nießbrauchs vom Nießbrauchsberechtigten zu tragen. Dazu gehören insbesondere Unterhaltungskosten der Immobilie.
Das Nießbrauchsrecht endet mit dem Tod des Nießbrauchsberechtigten.
Notarielle Beglaubigung
Abschließend muss der Schenkungsvertrag notariell beurkundet und der Grundbucheintrag der Immobilie geändert werden – der Gang zum Notar ist also unerlässlich. Der Erblasser muss dabei unbedingt persönlich zur Vertragsunterzeichnung beim Notar erscheinen – der Erbe darf sich von einer bevollmächtigten Person vertreten lassen.
Der Notar stellt dann die Rechtmäßigkeit der Vereinbarungen fest und stellt sicher, dass beide Vertragsparteien mit dem Nießbrauchsvorbehalt einverstanden sind. Außerdem kann er die Grundbucheintragung veranlassen.
Kosten
Für die Aufgaben des Notars fallen Gebühren an, die in § 102 des Gerichts- und Notarkostengesetzes festgelegt sind. Demnach sind die Gebühren abhängig vom Geschäftswert – das ist der Wert der betreffenden Immobilie. Im Folgenden sind die Kosten für die jeweilige Aufgabe des Notars zusammengefasst:
Der nachfolgenden Tabelle können Sie entnehmen, wie hoch die Gebühr sein kann:
Wert der Immobilie |
Einfache Gebühr (1,0) |
Doppelte Gebühr (2,0) |
50.000 € |
165 € |
330 € |
100.000 € |
273 € |
546 € |
200.000 € |
435 € |
870 € |
500.000 € |
935 € |
1.870 € |
Einen Notarkostenrechner zum Download (Excel) finden Sie bei der Bundesnotarkammer.
Haben ein Erblasser und sein Erbe den Schenkungsvertrag und damit den Nießbrauchsvorbehalt unterzeichnet, stimmen sie gemeinsam festgelegten Rechten und Pflichten zu.
Der Eigentümer darf grundsätzlich den Nießbrauch an seiner Immobilie beschränken – z. B. auf bestimmte Räume. Außerdem kann er Bedingungen zum Erlöschen des Nießbrauchs festlegen. Allerdings müssen alle Beschränkungen im Einverständnis mit dem Nießbraucher vereinbart und vertraglich festgehalten werden.
Damit geht der Eigentümer eine Verpflichtung gegenüber dem Nießbraucher ein und ist schadensersatzpflichtig, wenn er die Vereinbarungen verletzt. Weiterhin kann ein Erbe als neuer Eigentümer erst mit dem Ende des Nießbrauchs – in der Regel mit dem Erbfall – frei über die Immobilie verfügen, weil sie erst dann vollständig in sein Eigentum übergeht.
Der Nießbraucher darf die Immobilie nutzen, aber nicht frei darüber verfügen. So kann er das Haus oder die Wohnung z. B. vermieten und damit seinen Lebensunterhalt sichern – ein Verkauf steht dem Nießbraucher jedoch nicht zu. Außerdem muss der Nießbraucher die Immobilie erhalten und darf keine großen Änderungen daran vornehmen – falls bauliche Maßnahmen zur Reparatur nötig sind, muss der Eigentümer informiert werden.
Neben den Rechten und Pflichten während des Nießbrauchs hat der Erbe auch nach dem Erbfall Pflichten: Er muss mit Pflichtteilsergänzungsansprüchen übriger Erben rechnen. Warum diese unbedingt zu beachten sind, wird im nächsten Kapitel erklärt.
Grundsätzlich sind die engsten Angehörigen eines Erblassers Pflichtteilsberechtigte – sie haben also einen gesetzlich vorgeschriebenen Anspruch auf Teile des Nachlasses. Durch die Schenkung einer Immobilie mindert der Erblasser sein Vermögen, welches er vererben kann. Das verringert auch den Anteil für Pflichtteilsberechtigte, weshalb sie Ergänzungsansprüche haben.
Als Ergänzung kann ein Pflichtteilsberechtigter den Betrag verlangen, um den sich sein Anteil erhöhen würde, wenn das verschenkte Vermögen Teil des Nachlasses wäre. Die Höhe des Ergänzungsanspruchs ist dabei abhängig vom Wert der Schenkung. Dieser wird in der Regel durch ein Abschmelzmodell bestimmt, wonach der Wert der Schenkung und damit der Pflichtteilsergänzungsanspruch innerhalb einer 10-Jahres-Frist vor dem Erbfall immer geringer wird.
Bei einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt beginnt diese Frist aber erst mit dem Erbfall, weil die Immobilie zu Lebzeiten nicht vollständig aus dem Besitz des Erblassers fällt – er nutzt diese schließlich weiterhin. Das bedeutet, dass Erben unter Umständen noch 20 Jahre nach der Schenkung mit Pflichtteilsergänzungsansprüchen rechnen müssen.
Eine lebzeitige Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt kann sich folglich nicht anbieten, wenn Pflichtteilsansprüche bestimmter Erben minimiert werden sollen.
Können Pflichtteilsberechtigte einen Ergänzungsanspruch geltend machen, muss der beschenkte Erbe diese nicht zwingend mit Geld auszahlen. Alternativ kann der beschenkte Erbe bei der Erbaufteilung einen Erbteil erhalten, der um den Betrag der Immobilie verringert wurde – somit sind die Erbanteile ausgeglichen.
Ausführliche Informationen zum Pflichtteilsergänzunganspruch, welche Auswirkungen ein Nießbrauch darauf hat und wie der Ergänzungsanspruch berechnet wird, finden Sie in unserem Beitrag „Pflichtteilsergänzungsanspruch & Nießbrauch“.
Bei einem Nießbrauchsvorbehalt können die verschiedene Steuern beachtet werden. Welche das sind, wie diese berechnet werden und warum ein Nießbrauchsvorbehalt Steuern reduzieren kann, wird im Folgenden erklärt.
Bei Schenkungen spielt vor allem die Schenkungssteuer eine wesentliche Rolle. Diese fällt an, wenn ein Erblasser im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge seinen Nachlass bereits zu Lebzeiten auf einen Erben überträgt. Damit die Schenkungssteuer bei Immobilien nicht zur Belastung des Beschenkten führt, kann ein Nießbrauchsvorbehalt vorteilhaft sein. Dieser reduziert die Steuer – wie das vonstattengeht, erfahren Sie im Folgenden.
Bestimmung & Berechnungsbeispiel
Die Höhe der Schenkungssteuer ist immer abhängig vom Gesamtwert der Schenkung und der Steuerklasse des Beschenkten. Der Gesamtwert wird durch den Nießbrauchsvorbehalt reduziert, weil der Wert des Nießbrauchs davon abgezogen wird – folglich ist der zu versteuernde Betrag und damit die zu zahlende Steuer geringer. Außerdem wird jedem Angehörigen ein Steuerfreibetrag gewährt, der zum Schluss vom Schenkungsbetrag abgezogen wird. Folgende Freibeträge gelten:
Damit der zu versteuernde Betrag ermittelt werden kann, muss der Nießbrauchswert berechnet werden. Dafür werden zwei Werte benötigt:
Jahreswert
Dieser Wert beschreibt, welchen Wert die Nutzung des Nießbrauchers in einem Jahr hat. Dafür ist wichtig, ob der Nießbraucher die Immobilie selbst bewohnt oder vermietet. Bewohnt der Nießbraucher die Immobilie selbst, entspricht der Jahreswert der Jahresmiete, die der Nießbraucher bezahlt oder die bei einer Vermietung bezahlt werden müsste. Vermietet der Nießbraucher die Immobilie, entspricht der Jahreswert entweder den jährlichen Mieteinnahmen oder dem Verkehrswert der Immobilie geteilt durch 18,6 – zur Berechnung des Nießbrauchswertes wird der niedrigere Wert verwendet, weil so sichergestellt wird, dass der Jahreswert den Wert der Immobilie nicht übersteigt.
Der Verkehrswert der Immobilie hingegen ist laut § 194 Baugesetzbuch die Summe, den die Immobilie bei einem Verkauf erzielen würde. Dieser Wert wird in der Regel vom Finanzamt ermittelt – ein Anwalt kann Ihnen bei der Abwicklung dessen behilflich sein.
Zusammengefasst wird der Jahreswert wie folgt berechnet:
Kapitalwert
Der Kapitalwert für ein lebenslanges Nutzungsrecht ist abhängig vom Alter des Nießbrauchers zum Zeitpunkt der Schenkung und seiner statistischen Restlebensdauer. Die genauen Werte werden vom Bundesministerium für Finanzen festgelegt. Der nachfolgenden Tabelle können Sie einige Kapitalwerte entnehmen:
Alter |
Kapitalwert Frauen |
Kapitalwert Männer |
30 |
17,622 |
17,321 |
40 |
16,890 |
16,402 |
50 |
15,693 |
14,927 |
60 |
13,832 |
12,779 |
70 |
11,083 |
9,915 |
80 |
7,327 |
6,384 |
Nießbrauchswert
Der Nießbrauchswert wird schließlich berechnet, indem der Jahreswert mit dem Kapitalwert multipliziert wird:
Nießbrauchswert = Jahreswert x Kapitalwert
Hinweis: Je älter ein Erblasser ist, desto kleiner ist der Kapitalwert. Daher kann sich eine möglichst frühe Schenkung der Immobilie empfehlen, weil der Kapitalwert dann höher ist – das bedeutet, der Nießbrauchswert fällt auch höher aus. So kann mehr vom Gesamtwert der Schenkung abgezogen werden – der zu versteuernde Betrag verringert sich also stärker.
Beispiel: Herr Muster ist 70 Jahre alt und möchte seinem Sohn sein Haus im Wert von 600.000 € übertragen. In dem Schenkungsvertrag ist der Nießbrauchsvorbehalt vereinbart, weil Herr Muster weiterhin selbst im Haus wohnen möchte. Die Miete für ein vergleichbares Haus beträgt 1.000 € monatlich.
1. Schritt: Jahreswert berechnen, wenn der Nießbraucher die Immobilie selbst bewohnt
12 x 1.000 € (Monatsmiete) = 12.000 € (Jahreswert)
2. Schritt: Nießbrauchswert berechnen
12.000 € (Jahreswert) x 9,915 (Kapitalwert bei einem 70-jährigen Mann) = 118.980 €
Der Nießbrauchswert liegt bei 118.980 €.
3. Schritt: Nießbrauchswert von Gesamtwert der Schenkung abziehen
600.000 € - 118.980 € = 481.020 € (neuer Schenkungsbetrag)
4. Schritt: Freibetrag des Sohnes wird vom neuen Schenkungsbetrag abgezogen, damit zu versteuernder Betrag ermittelt werden kann
481.020 € (neuer Schenkungsbetrag) - 400.000 € (Freibetrag des Sohnes) = 81.020 €
Für die Berechnung der Schenkungssteuer wird der Betrag von 81.020 € verwendet und nicht der Gesamtwert der Schenkung in Höhe von 600.000 € – der Sohn muss also einen geringeren Betrag versteuern und damit auch weniger Steuern bezahlen.
Da der Sohn in der Steuerklasse I ist, müsste er bei einer Schenkung ohne Nießbrauchsvorbehalt 22.000 € Steuern leisten und mit Nießbrauchsvorbehalt nur 8.250 €.
Ausführliche Informationen zur Vererbung von Immobilien und die damit verbundenen Steuern, finden Sie in unserem Beitrag „Immobilien vererben“.
Schenkungsteuer sparen
Zusammengefasst können Sie durch eine Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt Schenkungssteuern sparen und zusätzlich auch die Erbschaftssteuer umgehen:
Mehr zur Erbschaftssteuer finden Sie im nächsten Abschnitt.
Neben der Reduzierung der Schenkungssteuer kann ein Nießbrauchsvorbehalt auch Vorteile für die Umsatz- und Erbschaftssteuer haben. Welche das sind, wird im folgenden Kapitel erläutert.
Umsatzsteuer
Anmerkung der Redaktion: Dieser Abschnitt ist nur relevant bei einer unter Nießbrauchsvorbehalt übertragenen Immobilie, die der Nießbraucher vermietet und dadurch Einnahmen erzielt.
Die Umsatzsteuer ist auch bekannt als Mehrwertsteuer und wird auf Lieferungen bzw. Leistungen eines Unternehmers erhoben. Dabei gilt eine Lieferung bzw. Leistung erst als erbracht, wenn der betreffende Gegenstand vollständig dem neuen Eigentümer gehört – das bedeutet, dieser hat alle Rechte an dem Gegenstand.
Der Nießbrauchsvorbehalt hat auch dabei einen Steuervorteil, denn die Umsatzsteuer muss in solchen Fällen nicht bezahlt werden. Der Grund ist, dass die Immobilie dem neuen Eigentümer wegen des Nießbrauchsvorbehalts nicht vollständig gehört – der Nießbraucher hat schließlich Nutzungsrechte.
Es findet im Sinne der Umsatzsteuer also keine Lieferung an den neuen Eigentümer statt.
Erbschaftsteuer & Berechnungsbeispiel
Die Erbschaftsteuer ist durch das Erbschafts- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) geregelt und fällt nach einem Erbfall für geerbtes Vermögen an. Auch hier ist ein Nießbrauchsvorbehalt vorteilhaft, weil er die Steuerlast für einen Erben reduziert: Der Nießbrauchswert wird vom Wert der geerbten Immobilie abgezogen – der geerbte Betrag ist somit niedriger und die Erbschaftssteuern sind geringer.
Dafür muss der Nießbrauchsvorbehalt allerdings im Testament des Erblassers eingetragen sein – z. B. legt ein Erblasser in seinem Testament fest, dass seine Ehefrau nach seinem Tod weiterhin in dem Haus leben darf. Einem Erben wird die Immobilie also unter Nießbrauchsvorbehalt vererbt, der dem im Testament festgelegten Nießbraucher ein Nutzungsrecht einräumt.
Für die Ermittlung des zu versteuernden Betrags muss der Nießbrauchswert berechnet werden. Die Berechnung erfolgt dabei wie bei einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt. Beachtet werden kann, dass der Kapitalwert bei einem Nießbrauchsvorbehalt im Testament nicht abhängig vom Alter des Erblassers ist, weil dieser nicht der Nießbraucher ist. Im Testament wurde einer anderen Person der Nießbrauchsvorbehalt zugesprochen, weshalb das Alter dieser Person maßgeblich ist.
Wenn z. B. der Erblasser im Testament festgelegt hat, dass seine Ehefrau das Haus weiterhin bewohnen soll, dann ist sie der Nießbraucher und ihr Alter muss berücksichtigt werden.
Beispiel: Herr Muster hat seinem Sohn sein Haus vererbt. In seinem Testament hat er festgelegt, dass seine 70-jährige Ehefrau weiterhin darin wohnen kann – er hat ihr also ein lebenslanges Nießbrauchrecht eingeräumt. Das Haus hat einen Gesamtwert von 600.000 € und die Miete für ein vergleichbares Haus beträgt 1.000 € monatlich.
1. Schritt: Jahreswert berechnen, wenn der Nießbraucher die Immobilie selbst bewohnt
12 x 1.000 € (Monatsmiete) = 12.000 € (Jahreswert)
2. Schritt: Nießbrauchswert berechnen
12.000 € (Jahreswert) x 11,083 (Kapitalwert bei der 70-jährigen Ehefrau) = 132.996 €
Der Nießbrauchswert liegt bei 132.996 €.
3. Schritt: Nießbrauchswert von Gesamtwert der geerbten Immobilie abziehen
600.000 € - 132.996 € = 467.004 € (durch Nießbrauch reduzierter Erbbetrag des Sohnes)
4. Schritt: Freibetrag des Sohnes wird vom reduzierten Erbbetrag abgezogen, damit der zu versteuernder Betrag ermittelt werden kann
467.004 € (reduzierter Erbbetrag) - 400.000 € (Freibetrag des Sohnes) = 67.004 €
Die Erbschaftsteuer wird für 67.004 € berechnet und nicht für den Gesamtwert der geerbten Immobilie in Höhe von 600.000 € – durch den Nießbrauchsvorbehalt im Testament des Erblassers muss der Sohn also einen geringeren Wert versteuern und folglich weniger Steuern bezahlen. Da der Sohn in der Steuerklasse I ist, müsste er 20.867 € Erbschaftsteuern leisten, wenn er die Immobilie ohne Nießbrauchsvorbehalt geerbt hätte – durch den Nießbrauchsvorbehalt reduzieren sich die Steuern auf 3.969 €.
Erbschaftsteuer sparen
Zusammengefasst kann der Nießbrauchsvorbehalt auch bei der Vererbung einer Immobilie vorteilhaft sein – im Vergleich zur Vererbung ohne Nießbrauchsvorbehalt:
Vererbung einer Immobilie mit Nießbrauchsvorbehalt |
Vererbung einer Immobilie ohne Nießbrauchsvorbehalt |
Weniger Erbschaftsteuern, weil der Nießbrauchswert zusätzlich zum Steuerfreibetrag vom Gesamtwert des Erbes abgezogen wird. |
Es wird lediglich der Freibetrag abgezogen und der Erbe muss einen höheren Betrag versteuern. |
Wie Sie die Erbschaftsteuer berechnen, wann sie bezahlt werden muss und weitere Möglichkeiten der Reduzierung, erfahren Sie in unserem Beitrag „Erbschaftssteuer berechnen & minimieren“.
In der Regel endet der Nießbrauchsvorbehalt mit dem Erbfall. Dann geht die Immobilie vollständig in das Eigentum des Erben über – inklusive aller Rechte, die dem Nießbraucher vorher übertragen wurden. Soll der Nießbrauchsvorbehalt vor dem Erbfall gelöscht oder entzogen werden, ist das nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich.
Der Unterschied zwischen der Löschung und der Entziehung des Nießbrauchsvorbehalts ist, dass eine Löschung einvernehmlich mit dem Nießbraucher vereinbart werden muss und eine Entziehung notfalls allein vom Eigentümer durchgesetzt werden kann.
Eine Löschung des Nießbrauchsvorbehalts ist laut § 875 BGB nur mit der Zustimmung des Nießbrauchers möglich – und dazu ist dieser nicht verpflichtet. Ist die Zustimmung erteilt, muss der Nießbrauch zusätzlich im Grundbuch gelöscht werden, damit sämtliche Rechte auf den Eigentümer übergehen. Dafür muss die Erklärung über die Löschung notariell beurkundet und dem Grundbuchamt weitergeleitet werden.
Ist der Nießbraucher – z. B. aus gesundheitlichen Gründen – nicht dazu in der Lage, eine Löschungserklärung abzugeben, kann ihn eine bevollmächtigte Person vertreten – diese Vollmacht muss auch von einem Notar beurkundet sein.
Eine Entziehung des Nießbrauchsvorbehalts bedarf keiner Zustimmung des Nießbrauchers. Allerdings ist diese nur möglich, wenn Bedingungen für ein vorzeitiges Ende des Nießbrauchs erfüllt sind – im Vertrag zur Übertragung der Immobilie müssen diese festgelegt werden. Liegt z. B. ein Vertragsbruch durch den Nießbraucher vor, kann der Eigentümer die Immobilie zurückfordern und der Nießbrauch wird beendet.
Wenn keine einvernehmliche Lösung möglich ist, die dann einer Löschung des Nießbrauchsvorbehalts entspricht, kann der Eigentümer die Entziehung notfalls gerichtlich durchsetzen.
Grundsätzlich kann eine Immobilie trotz Nießbrauchsvorbehalts verkauft werden.
Da der Nießbrauchsvorbehalt aber auch im Grundbuch der Immobilie eingetragen wird, kann sich der Verkauf schwierig gestalten. Der Grund dafür ist, dass ein Käufer der Immobilie auch das bestehende Nießbrauchsrecht erwirbt und daher an der vollständigen Nutzung der Immobilie gehindert ist. So kann ein Käufer die Immobilie z. B. nicht vermieten, weil dieses Recht dem Nießbraucher vorbehalten ist.
Durch die eingeschränkte Nutzungsmöglichkeit der Immobilie für einen Käufer kann nur ein geminderter Kaufpreis dafür verlangt werden. Ein Gutachter, der die Immobilie für einen Verkauf bewertet, berücksichtigt den Nießbrauch und setzt im Vergleich zu einer Immobilie ohne Nießbrauch einen niedrigeren Betrag an.
Ein Nießbrauchsvorbehalt kann Vor- und Nachteile sowohl für den Erblasser als auch für den Erben haben. Befindet sich eine Immobilie im Nachlass, können sich Erblasser und Erben über alle Folgen eines Nießbrauchsvorbehalts informieren und entscheiden, ob ein Nießbrauchsvorbehalt sinnvoll ist.
Vorteile
✓ Der Erblasser kann durch eine Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt frei darüber entscheiden, was mit seiner Immobilie passiert, und verhindert so eine Aufteilung der Immobilie im Erbfall, weil ein Erbe bereits zu Lebzeiten Eigentümer ist.
✓ Durch den Nießbrauchsvorbehalt verliert der Erblasser nicht alle Rechte an der Immobilie – er hat weiterhin ein Nutzungsrecht.
✓ Der Erblasser kann weiterhin in der Immobilie wohnen oder sie vermieten und so seinen Lebensunterhalt sichern.
✓ Durch einen Nießbrauchsvorbehalt im Testament kann der Erblasser nahe Angehörige absichern – z. B. kann er festlegen, dass seine Ehefrau auch nach seinem Tod im Haus wohnen kann.
Nachteile
X Durch die Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt gibt der Erblasser teilweise Rechte an den beschenkten Erben ab.
X Vermietet der Erblasser die Immobilie muss er Einnahmen gemäß § 21 Einkommensteuergesetz versteuern.
Vorteile
✓ Der Erbe kann gemeinsam mit dem Erblasser die Vererbung des Familienheims regeln.
✓ Durch eine lebzeitige Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt können Schenkungssteuern reduziert werden – ohne Nießbrauchsvorbehalt wäre der zu versteuernde Betrag wesentlich höher.
✓ Durch die Vererbung einer Immobilie mit Nießbrauchsvorbehalt müssen weniger Erbschaftssteuern bezahlt werden, weil der Nießbrauchswert den Gesamtwert des Erbes reduziert.
Nachteile
X Der Erbe muss mit Pflichtteilergänzungsansprüchen übriger Erben rechnen, weil die Schenkung einer Immobilie zu Lebzeiten des Erblassers den künftigen Nachlass reduziert und damit die Anteile übriger Erben.
X Alle Rechte an der Immobilie gehen erst nach dem Erbfall auf den Erben über, sodass er erst dann frei über die Immobilie verfügen kann – z. B. kann er die Immobilie erst dann selbst vermieten.
X Als neuer Eigentümer muss der Erbe (falls nicht anders geregelt) Kosten für notwendige Veränderungen tragen (z. B. bei baulichen Reparaturen).
Mit einem Nießbrauchsvorbehalt können Erblasser ihre Immobilie zu Lebzeiten auf Erben übertragen, ohne alle Rechte zu verlieren. So können Sie weiterhin in Ihrer Immobilie wohnen oder mit Mieteinnahmen Ihren Lebensunterhalt sichern – gleichzeitig können Schenkungs- oder Erbschaftssteuern gespart werden.
Zu individuellen Gestaltungsmöglichkeiten des Vertrages und der Berechnung der Steuereinsparungen können Sie sich von einem Anwalt beraten lassen.
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Carolin Stadler hat als Teil der juristischen Redaktion von advocado jahrelange Erfahrung im Schreiben von Ratgeber-Artikeln zu Rechtsthemen – insbesondere zum Erbrecht und Patentrecht. Grundlage ihrer lösungsorientierten Arbeit ist das Studium der Organisationskommunikation.