Ehegatten nehmen im Erbrecht eine Sonderstellung ein. Ihn oder sie zu enterben, ist daher fast unmöglich – denn ihnen steht immer mindestens ein Pflichtteil zu, der von den Erben ausgezahlt werden muss. Für die Berechnung des Pflichtteils des Ehegatten sind der Güterstand und die Anzahl der gemeinsamen Kinder ausschlaggebend. Was Ehegatten fordern können, wie sie ihre Ansprüche geltend machen und wann sie vom Pflichtteil ausgeschlossen sind, erfahren Sie im folgenden Beitrag.
Als Pflichtteil wird eine finanzielle Mindestbeteiligung am Erbe bezeichnet, die engen Verwandten und dem Ehepartner eines Verstorbenen zusteht, wenn diese enterbt oder im Testament zu gering bedacht wurden. Eine zu geringe Zuwendung besteht in der Regel dann, wenn weniger als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils vererbt wurde.
Um den Pflichtteil geltend machen zu können, muss man zum einen pflichtteilsberechtigt sein und zum anderen einen gültigen Anspruch haben. Zum pflichtteilsberechtigten Personenkreis zählen u. a. die Erben erster Ordnung (Abkömmlinge des Verstorbenen). Nur wenn diese nicht vorhanden sind, können die Eltern oder Geschwister des Verstorbenen (als Erben zweiter Ordnung) den Pflichtteil einfordern.
Der Ehegatte taucht in diesen Ordnungen nicht auf, weil er nicht mit dem Erblasser verwandt ist. Er nimmt beim Pflichtteil aber eine Sonderstellung ein – d. h., dass unabhängig von den Erben erster oder zweiter Ordnung immer ein gültiger Anspruch auf den Pflichtteil für Ehegatten vorliegt.
Zu den Ansprüchen anderer Verwandter haben wir folgende Ratgeber-Beiträge für Sie:
Das Pflichtteilsrecht des Ehepartners kann aber ausgeschlossen werden. Gemäß § 1933 BGB gibt es den Pflichtteil für Ehegatten nicht, wenn zum Todeszeitpunkt die Voraussetzungen für eine Scheidung gegeben waren – also die Scheidung beantragt, ihr zugestimmt wurde oder die Ehe nach § 1565 BGB gescheitert ist. Letzteres ist der Fall, wenn nicht erwartet werden kann, dass die Eheleute die Ehe wiederherstellen. Lebten die Ehepartner zwar getrennt, aber stand keine Scheidung im Raum, behält der Ehegatte sein Pflichtteilsrecht. Geschiedene Ehepartner haben keinen Anspruch mehr auf einen Pflichtteil.
Der Anspruch auf den Pflichtteil für Ehegatten besteht ebenfalls nicht, wenn zum Todeszeitpunkt eine Berechtigung zur Aufhebung der Ehe (nicht Scheidung) bestand und der Antrag gestellt war. Aufhebungsgründe sind nach § 1314 BGB zum Beispiel mangelnde Ehemündigkeit, fehlende Geschäftsfähigkeit durch Störung der Geistestätigkeit o. Ä. sowie Eheschließung unter Drohung oder Täuschung.
Grundsätzlich beträgt der Pflichtteil für Ehegatten immer die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Dieser variiert allerdings je nach Anzahl der Abkömmlinge. Hinterlässt der Erblasser Kinder, beträgt der gesetzliche Erbteil die Hälfte des Nachlassvermögens. Existieren keine Kinder, beträgt der gesetzliche Erbteil sogar drei Viertel des Nachlasses. Beim Pflichtteil für Ehegatten ist zudem entscheidend, in welchem Güterstand die Eheleute gelebt haben und ob der Ehegatte enterbt oder zu gering bedacht wurde.
Zu den unterschiedlichen Erbquoten erfahren Sie im folgendem Beitrag mehr: Gesetzliche Erbfolge – wer erbt was?.
Im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft (Regelfall) hat der Ehegatte eine Wahlmöglichkeit und kann sich zwischen dem „kleinen Pflichtteil" und dem „großen Pflichtteil" entscheiden. Beim „kleinen Pflichtteil" erhöht sich der Erbteil – wenn der Ehegatte als Erbe bedacht wurde – um den pauschalen Zugewinnausgleich von 1/4. Beim „großen Pflichtteil" hingegen wird der Hälfte des gesetzlichen Erbteils die konkrete Zugewinnausgleichssumme hinzugefügt.
In einigen Fällen fällt der „große Pflichtteil" deutlich höher aus.
Ein Vater hinterlässt sein Vermögen seinen beiden Kindern als Alleinerben, seine Ehefrau soll lediglich ein altes Auto erhalten. Durch die zu geringe Zuwendung steht der Frau ein Pflichtteil (abzüglich des Autowertes) zu.
Die Bezeichnung „großer oder kleiner Pflichtteil“ ist in diesem Sinne irreführend, weil es durchaus möglich ist, mehr Geld zu bekommen, wenn man den kleinen Pflichtteil wählt. Dies wird im folgenden Kapitel erläutert.
Weitere Informationen zum großen & kleinen Pflichtteil erhalten Sie zudem im Beitrag „Großer Pflichtteil & kleiner Pflichtteil: die Unterschiede.
Bei Eheleuten in Zugewinngemeinschaft könnte es sinnvoll sein, das Erbe auszuschlagen und stattdessen den kleinen Pflichtteil mit konkretem Zugewinnausgleich zu verlangen. Zu empfehlen könnte dieses Vorgehen zum Beispiel sein, wenn der verstorbene Ehepartner während der Ehe einen hohen Betrag erwirtschaftet hat.
Ob es in Ihrem Fall ratsam ist, den kleinen Pflichtteil mit konkretem Zugewinnausgleich zu fordern oder den großen Pflichtteil mit pauschalem Zugewinnausgleich, können Sie mit einem Anwalt für Erbrecht besprechen. advocado findet für Sie den passenden Anwalt aus einem Netzwerk mit über 550 Partner-Anwälten. Dieser kontaktiert Sie innerhalb von 2 Stunden* für eine kostenlose Ersteinschätzung zu Ihren Handlungsoptionen und Erfolgsaussichten. Jetzt Ersteinschätzung erhalten.
Haben Eheleute im Erbvertrag ausdrücklich Gütertrennung vereinbart, findet kein Zugewinnausgleich stand. Die Vermögen werden getrennt behandelt.
Für die Pflichtteilsberechnung bei Ehepaaren in Gütertrennung ist ausschlaggebend, ob Kinder aus der Ehe hervorgegangen sind oder nicht. Die Anzahl der Kinder entscheidet nämlich über die gesetzliche Erbquote. Diese wird – wie oben erwähnt – halbiert, um die Höhe des Pflichtteils zu erhalten.
Um den Pflichtteil für Ehegatten zu bekommen, muss der länger lebende Partner ihn gegenüber den gesetzlichen oder testamentarischen Erben geltend machen. Dies sollte aus Beweisgründen schriftlich geschehen und kann – um Druck auszuüben – auch vom Anwalt verschickt werden.
Zunächst stellen Sie ein Auskunftsbegehren an die Erben, in dem Sie die Anfertigung eines Nachlassverzeichnisses fordern. Durch die Aufstellung aller Vermögenspositionen sind Sie daraufhin in der Lage, die konkrete Höhe des Pflichtteils zu errechnen. In einem weiteren Schreiben an die Erben verlangen Sie die Auszahlung des exakten Pflichtteils und geben Ihre Kontoverbindung an.
Eine ausführliche Anleitung zur Einforderung des Pflichtteils bekommen Sie im Beitrag „Pflichtteil einfordern – Voraussetzungen & Durchführung. Stellen sich die Erben quer und verweigern dem Ehegatten den Pflichtteil, kann man Pflichtteil einklagen.
Damit der Pflichtteil für Ehegatten eingefordert werden kann, darf der Anspruch darauf nicht verjährt sein. Dieser läuft nämlich gemäß § 195 BGB innerhalb von drei Jahren ab. Nach dieser Zeit ist das Recht auf die finanzielle Mindestbeteiligung am Erbe verwirkt.
Die Verjährungsfrist beginnt allerdings erst, sobald der Ehegatte vom Tod des Erblassers und seiner Enterbung bzw. seinem zu geringen Erbanteil erfahren hat. Zudem läuft der Pflichtteilsanspruch immer erst zum Ende des jeweiligen Jahres ab (§ 199 BGB). Unabhängig davon, ob der Pflichtteilsberechtigte von seinem Anspruch weiß oder nicht, verjähren sämtliche erbrechtlichen Ansprüche nach 30 Jahren.
Zur Verjährung des Pflichtteils und dem Rechner, der Ihnen sagt, ob Ihr Pflichtteilsanspruch bereits verjährt ist, klicken Sie auf „Pflichtteil-Verjährung: Wann verjährt der Pflichtteil?.
Der Pflichtteil des Ehegatten kann gemäß § 2333 BGB entzogen werden. Es gelten dieselben Vorschriften wie für den Pflichtteilsentzug für Kinder des Erblassers. Demzufolge verwirkt der Ehegatte seinen Pflichtteilsanspruch, wenn er
Der Ehepartner eines Verstorbenen nimmt hinsichtlich des Erbrechts eine Sonderstellung ein. Dass er im Erbfall völlig leer ausgeht, ist relativ unwahrscheinlich – es sei denn, ein Entzug aufgrund des § 2333 BGB ist möglich. Selbst wenn die Ehepartner bereits getrennt waren, aber noch keine Scheidung planten, hat der Ehegatte ein Pflichtteilsrecht. Daher kann der Ehegatten-Pflichtteil zu Ärger in der Familie führen. Aus diesem Grund kann eine fachkundige Beratung zum optimalen Vorgang in einer solchen Situation wichtig sein.
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