Einen nahen Angehörigen zu enterben, ist nahezu unmöglich – in der Regel steht ihm wenigstens ein Pflichtteil am Nachlass zu. Unter bestimmten Umständen lässt sich jedoch ein Pflichtteil umgehen. Welche Optionen Sie genau haben und was Sie dabei beachten sollten, um den Pflichtteil zu umgehen, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Will ein Erblasser den Pflichtteil umgehen, erscheint es auf den ersten Blick plausibel, dem zu Enterbenden nur einen sehr geringen Anteil am Erbe zu vermachen. Der Pflichtteil greift nämlich nur bei Enterbungen und der Berechtigte hätte auf Grund seines – wenn auch geringen Erbes – keine Pflichtteilsansprüche.
Doch in diesem Fall sichert § 2305 BGB den Pflichtteilsberechtigten ab. Dieser kann laut Gesetz zwar keinen Pflichtteil geltend machen, hat allerdings Anspruch auf den Zusatzpflichtteil.
Wird einem Pflichtteilsberechtigtem also ein Erbe vermacht, das weniger beinhaltet als der Pflichtteil, besteht der Anspruch auf Auszahlung des Zusatzpflichtteils durch die anderen Erben. Dieser beträgt genau so viel, wie zum eigentlichen Pflichtteil fehlt.
Wollen Sie den Pflichtteil umgehen, ist das Herabsetzen des Erbanteils also keine Option.
Laut § 2333 BGB gibt es bestimmte Voraussetzungen, unter denen Erblasser einem Pflichtteilsberechtigten den Anspruch vollkommen entziehen können. Grundsätzlich muss hierfür ein schuldhaftes Vergehen gegenüber dem Erblasser vorliegen – etwa ein schweres vorsätzliches Vergehen oder das Trachten nach dessen Tod.
Dazu gehören:
Bei Vorliegen einer dieser Sachverhalte muss der Erblasser den Pflichtteilsentzug im Testament anordnen und vor allem die Gründe für diesen Schritt ausführlich darlegen. Wollen Sie einen Entzug geltend machen und damit den Pflichtteil umgehen, muss der angegebene Entzugsgrund deshalb bereits vor Erstellung des Testaments bestanden haben.
Ein Pflichtteilsentzug kann laut § 2336 BGB und § 2337 BGB wieder aufgehoben werden, wenn der Erblasser dem Pflichtteilsberechtigten verziehen oder dieser einen Lebenswandel vollzogen hat, der eine dauerhafte Besserung bedeutet.
Wollen Erblasser den Pflichtteil umgehen, greifen sie möglicherweise auf Schenkungen zu Lebzeiten zurück – damit soll die Erbmasse und folglich der Pflichtteil verringert werden. Das ist allerdings aufgrund des sogenannten Pflichtteilergänzungsanspruchs nur bedingt möglich. Dieser bestimmt, dass alle Schenkungen, die bis zu 10 Jahre vor dem Erbfall getätigt wurden, zum Nachlass addiert werden. Das heißt, dass Schenkungen mit in die Berechnung des Pflichtteils eingehen und den Pflichtteilsanspruch erhöhen. Dabei sinkt der anzurechnende Wert der Schenkung jährlich um 10 % – je eher Sie also eine Schenkung vollziehen, desto weniger muss der Erbe an Pflichtteilsberechtigte herausgeben.
Es gibt jedoch einige Sonderregelungen, die das Abschmelzen der Schenkung hemmen. Sichern Sie sich beispielsweise ein Nießbrauchrecht an einer verschenkten Immobilie, gilt die 10-Jahres-Frist nicht. Der Pflichtteilsberechtigte kann deshalb auch nach 10 Jahren oder später Ansprüche geltend machen.
Außerdem gibt es eine Sonderregelung für Ehegatten zugunsten der Pflichtteilsberechtigten: Wird die Ehe durch Tod aufgelöst, sind alle Schenkungen, die der Ehepartner während der gesamten Ehezeit gemacht hat, ergänzungspflichtig – ganz egal, ob die Schenkung länger als 10 Jahre her ist.
Wollen Sie sich weiter über Schenkungen zu Lebzeiten informieren, lesen Sie unseren Beitrag Vorweggenommene Erbfolge (vererben zu Lebzeiten) und Pflichtteilsergänzungsanspruch.
Wollen Sie den Pflichtteil umgehen und auch Ergänzungsansprüche vermeiden, können Sie einzelne Vermögensgegenstände – beispielsweise eine Immobilie – gegen eine sogenannte Leibrente an Verwandte verkaufen.
Die Leibrente muss in regelmäßig wiederholten Abständen und auf Lebenszeit des Verkäufers geleistet werden. Weil die Immobilie nicht verschenkt, sondern verkauft wurde, entstehen für Pflichtteilsberechtigte keine Ergänzungsansprüche.
Wollen Sie verhindern, dass der Pflichtteilsberechtigte bei einem Erbfall einen Pflichtteilsanspruch geltend machen kann, können Sie einen Pflichtteilsverzicht bei einem Notar aushandeln.
Ein solcher Vertrag bestimmt, dass der Berechtigte auf seinen Pflichtteil verzichtet – im Gegenzug muss der Erblasser allerdings eine sofortige Abfindungszahlung veranlassen. Wollen Sie den im Erbfall fälligen Pflichtteil umgehen, können Sie den Berechtigten also noch zu Lebzeiten und mit dessen Einverständnis entschädigen.
Eine Verlagerung des Vermögens ins Ausland ist eine weitere Alternative, wie Sie den Pflichtteil umgehen können. Zum Beispiel können Immobilien im Ausland gekauft werden, um die Berechnungsgrundlage für den Pflichtteil zu schmälern. Dabei gilt aber dennoch oftmals das deutsche Erbrecht – nur manche Länder beanspruchen eine Geltung des eigenen Erbrechts. Besitzen Sie beispielsweise ein Haus in den USA, kann es zu einer Nachlassspaltung kommen, die auch Konsequenzen für den Pflichtteil hat.
Eine wahllose Umlegung des Vermögens wäre wenig zielführend. Stattdessen können Sie die verschiedenen Erbrechte vergleichen und das Land mit dem für Sie vorteilhaftesten Recht für eine Verlagerung auswählen.
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Kann ein Pflichtteil nicht vollkommen umgangen werden, gibt es trotzdem Möglichkeiten zur Reduzierung. Für Eheleute, die in zweiter Ehe verheiratet sind, können z. B. die Kinder des zweiten Ehepartners adoptieren. Weil die Anzahl der Kinder – und somit die Anzahl der gesetzlichen Erben – steigt, wird die Pflichtteilsquote der anderen Kinder vermindert.
Durch sogenannte Ausstattungen – das sind Zuwendungen der Eltern an ihre Kinder – kann der Pflichtteil ebenfalls reduziert werden. Diese umfassen unter anderem die Aussteuer oder Unterstützung beim Aufbau eines Gewerbebetriebes, die „mit Rücksicht auf ihre Eheschließung“ oder „für die Erlangung bzw. Erhaltung einer selbstständigen Lebensstellung“ getätigt wurden. Da die Ausstattung nicht mit einer Schenkung gleichzusetzen ist, entstehen auch keine Pflichtteilsergänzungsansprüche. Das gilt allerdings nur, wenn die Zuwendungen im gebührlichen Verhältnis zum Vermögensstand der Eltern stehen.
Für verheiratete Paare spielt zudem der eheliche Güterstand eine entscheidende Rolle. In der Regel gilt der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Es kann aber auch festgelegt werden, dass in Gütertrennung oder Gütergemeinschaft gelebt werden soll. Dies hat im Erbfall Auswirkungen auf die Höhe der Pflichtteile.
Abhängig davon, wessen Pflichtteil Sie reduzieren möchten, können Sie entscheiden, in welchem Güterstand Sie leben möchten.
Beispiel: Herr Mustermann hat zwei Kinder und eine Ehefrau, mit der er eine Gütertrennung vereinbart hat. Daraus ergeben sich Pflichtteile von 1/6 für die Ehefrau und jeweils 1/6 für die Kinder.
Für Ehepaare im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft ist entscheidend, ob der länger lebende Ehegatte vom Erblasser nach der gesetzlichen Erbquote bedacht oder ob er enterbt wurde.
Bei der gesetzlichen Erbfolge steht ihm neben dem gesetzlichen Anteil von ½ bzw. ¼ auch noch ein pauschaler Zugewinnausgleich von ¼ des Erbes zu. Wenn er enterbt wurde und auch kein Vermächtnis erhalten hat, wird der Zugewinnausgleich konkret aus Anfangs- und Endbestand des Vermögens berechnet.
Im Beispielfall beträgt der Pflichtteil der Ehefrau 1/8 (die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs von ¼ für Ehepartner neben Erben erster Ordnung – vgl. gesetzliche Erbfolge) + konkretem Zugewinnausgleich. Der Pflichtteil der Kinder beträgt dann 1/8 des Erbes.
Situation |
Anspruch |
Ehepartner erbt nach gesetzlicher Erbfolge |
Erbe in Höhe der gesetzlichen Erbquote: ¼ bei Paaren mit Kindern ½ bei Paaren ohne Kinder + pauschaler Zugewinnausgleich von ¼ ________ = ½ bei Paaren mit Kindern = ¾ bei Paaren ohne Kinder |
Ehepartner wurde enterbt |
Pflichtteil: Hälfte der gesetzlichen Erbquote + konkreter Zugewinnausgleich ________ 1/8 bei Paaren mit Kindern ¼ bei Paaren ohne Kinder + konkreten Zugewinnausgleich (individuell) |
Hinsichtlich des pauschalen oder konkreten Zugewinnausgleichs können Sie daher abwägen, ob eine Erbausschlagung Sinn macht. Dann würde der länger lebende Ehepartner so behandelt werden, als wäre er enterbt worden.
Wurde während der Ehe ein hoher Zugewinn erwirtschaftet, würde der Ehepartner bei einer Erbausschlagung und anschließender Einforderung des Pflichtteils inklusive konkretem Zugewinnausgleich womöglich finanziell sogar besser dastehen.
Bei wenig Zugewinn während der Ehe hingegen kann die Zuwendung des Erblassers nach der gesetzlichen Erbfolge inklusive pauschalem Zugewinnausgleich – folglich ½ oder gar ¾ des Erbes – sinnvoller sein.
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