In diesem Beitrag erfahren Sie u. a., was ein Bedürftigentestament ist, was Sie bei einem solchen Testament beachten müssen und wie Sie es zugunsten eines bedürftigen Angehörigen gestalten können.
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Ein Bedürftigentestament zielt darauf ab, die Lebenssituation eines bedürftigen Erben (z. B. bei Privatinsolvenz/als Empfänger von ALG II) zu verbessern. Erbt ein Bedürftiger, kann der Staat das Erbe als Ausgleich für die erhaltenen Sozialleistungen einziehen. Durch spezielle Regelungen im Testament wie beispielsweise Testamentsvollstreckung oder Vor- und Nacherbschaft verhindert ein Bedürftigentestament solche staatlichen Forderungen.
Ein Bedürftigentestament soll also
Das Bedürftigentestament gilt dabei als Variante des Behindertentestaments. Wie genau sich ein Bedürftigentestament vom Behindertentestament unterscheidet, lesen Sie nun.
Das Behindertentestament wird vom Erblasser zugunsten einer körperlich oder geistig behinderten Person aufgesetzt, die aufgrund ihrer Behinderung erwerbsunfähig ist und somit in der Regel Sozialleistungen nach dem SGB XII (Sozialhilfe, Grundsicherung) bezieht. Durch diese Testamentsform soll die weitere Pflege des Behinderten garantiert werden, ohne dass der Staat auf das Erbe zugreifen kann.
Das Bedürftigentestament hingegen ist eine an das Behindertentestament angelehnte Testamentsart zum Vorteil einer Person, die regelmäßig Sozialleistungen nach SGB II (Arbeitslosengeld II) erhält, aber grundsätzlich erwerbsfähig ist. Die Sozialleistung nach SGB II (Arbeitslosengeld II) werden vom Sozialleistungsträger somit – anders als im Falle von Sozialleistungen nach SGB XII – nicht dauerhaft gewährt.
Ausführlichere Informationen finden Sie in unserem umfassenden Beitrag zum Behindertentestament.
Durch die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 17.02.2015 zum Bedürftigentestament können die zum Behindertentestament entwickelten Grundsätze auch zugunsten eines Bedürftigen angewendet werden.
Zuvor galt das Bedürftigentestament lange Zeit als rechtlich umstritten und sittenwidrig. Mittlerweile werden dadurch nun in Übereinstimmung mit dem Behindertentestament auch im Falle eines Bedürftigentestaments die erblichen Mittel der Vor- und Nacherbschaft sowie der Testamentsvollstreckung u. a. eingesetzt.
Damit ein bedürftiger Mensch erben kann, ohne dass er den Anspruch auf Sozialleistungen verliert, muss ein Erblasser besondere Vorgaben einhalten. Diese werden in den folgenden Abschnitten erklärt.
Durch die Testierfreiheit kann der Erblasser frei darüber verfügen, wen er wie an seinem Nachlass beteiligt. Um sicherzustellen, dass die Regelungen im Bedürftigentestament ihren Zweck erfüllen, sind folgende Punkte zu klären:
Wichtig bei bedürftigen Erben, die auch pflichtteilsberechtigt* sind
Zählt der Bedürftige zudem zu den Pflichtteilberechtigten, ist es erforderlich, den Erben mit einem Erbteil zu bedenken, der über den Pflichtteil hinausgeht. Andernfalls kann der Sozialhilfeträger möglicherweise vom Bedürftigen verlangen, dass dieser die Erbschaft ablehnt, um einen höheren Pflichtteil zu erhalten.
* Pflichtteilsberechtigt sind nahe Verwandte des Erblassers. Diesen steht eine Mindestbeteiligung am Nachlass zu. Sollte diese Personen enterbt werden oder einen zu geringen Anteil am Erbe erhalten, können sie ihren Pflichtteil einfordern. Mehr erfahren Sie in unserem Beitrag „Wer ist pflichtteilsberechtigt?“
Auf welche Art der Erblasser die Vorerbschaft gestalten kann und welche Vor- und Nachteile damit verbunden sind, erfahren Sie im folgenden Kapitel.
Damit Forderungen des Sozialleistungsträgers umgangen werden können, müssen im Falle eines Bedürftigentestaments Vor- und Nacherben eingesetzt werden. Prinzipiell verfügt der Erblasser bei Ersterem über zwei verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten. Der Erblasser kann den bedürftigen Erben als befreiten oder nicht befreiten Erben bestimmen.
Abhängig von der jeweiligen Ausgestaltung werden dem Vorerben mehr oder weniger Verfügungsmöglichkeiten über das Erbe eingeräumt. Die jeweilige Regelung hat allerdings Auswirkung auf den staatlichen Zugriff auf das Erbe.
Befreiter Vorerbe
Als befreiter Vorerbe darf der Bedürftige frei über sein Erbe und dessen Verwendung verfügen. In diesem Fall hat der Nacherbe kein Mitspracherecht.
Nachteil: Der Sozialleistungsträger kann mit Verweis auf das Erbe die Zahlung der Sozialhilfe einstellen.
Nicht befreiter Vorerbe
Als nicht befreiter Vorerbe kann der Bedürftige nur mit Zustimmung des Nacherbens über sein Erbe verfügen. Ihm stehen zwar die Erträge aus dem Nachlass zu, er kann allerdings nicht auf den Nachlass selber zugreifen.
Vorteil: Dadurch wird der Nachlass nicht als Vermögen oder Einkommen nach dem SGB XII angerechnet. Der Sozialhilfeträger kann somit auch nicht auf das Erbe zugreifen.
Beispiel: Ein Ehepaar hat insgesamt zwei erwachsene Söhne. Der jüngere der beiden Söhne ist momentan erwerbslos und auf die Zahlung von Sozialhilfe angewiesen. Der Vater überlegt zunächst, den bedürftigen Sohn nicht erbrechtlich zu bedenken, weil er einem staatlichen Zugriff auf das Erbe fürchtet. Allerdings fällt ihm schnell ein, dass auch sein bedürftiger Sohn pflichtteilberechtigt ist. Den Pflichtteilanspruch kann wiederum der Sozialhilfeträger auf sich überleiten. Das Ehepaar will das Vermögen in der Familie halten und gleichzeitig die Lebensverhältnisse des Bedürftigen verbessern. Sie setzen den bedürftigen Sohn in ihrem Testament zum Vorerben mit einer Erbquote entsprechend der Pflichtteilquote ein. Ihren zweiten Sohn bestimmen sie zum Nacherben. Weiterhin verfügen Sie, dass mit dem Tod des Vorerben das Erbe an den Nacherben übergeht.
Nacherben
Daneben muss der Erblasser einen Nacherben bestimmen, der den Nachlass erhält, nachdem zunächst ein anderer Erbe Vorerbe geworden ist. Das Erbe geht also zunächst an den Vorerben. Gleichzeitig ordnet der Erblasser an, dass das gesamte Erbvermögen zu einem bestimmten Zeitpunkt an den Nacherben übergeht.
Die Nacherbschaft tritt in der Regel ein, wenn der Vorerbe stirbt. Grundsätzlich kann der Erblasser aber auch einen anderen Zeitpunkt für das Vorerbe festlegen (z. B. Heirat oder Volljährigkeit des Vorerben). Nacherben können enge Angehörige wie Ehepartner, die Abkömmlinge sowie die Geschwister des Vorerben sein – aber auch jede andere Person.
Der Nacherbe kann gegenüber dem Vorerben bereits vor dem Eintritt des Erbfalls verschiedene Rechte geltend machen. Dazu zählen u. a.:
Beispiel: Das Erbe besteht aus einer vermieteten Eigentumswohnung. Der Vorerbe (Bedürftige) darf lediglich die Mieten (Erträge) einziehen und behalten, nicht aber die Wohnung verkaufen (Substanz). In diesem Beispiel kann der hilfsbedürftige Vorerbe nicht auf den Nachlass (Eigentumswohnung) zugreifen, wodurch ihm der Nachlass auch nicht als Vermögen oder Einkommen auf die Sozialhilfe angerechnet wird. Tritt der Nacherbfall ein, geht das Eigentum an der Wohnung an den Nacherben über.
Damit auch die Erträge des Erbes vor dem Zugriff des Sozialhilfeträgers geschützt werden, kann ergänzend eine Testamentsvollstreckung angeordnet werden. Worauf bei deren Anordnung besonders zu achten ist, welche Aufgaben ein Testamentsvollstrecker hat und warum es sinnvoll sein kann, Natural- statt Geldleistungen anzuordnen, erfahren Sie jetzt.
Ein Testamentsvollstrecker überwacht die im Testament getroffenen Regelungen. Im Falle des Bedürftigentestaments verwaltet er im Rahmen einer Dauervollstreckung den Nachlass des bedürftigen Erben. Zusätzlich kontrolliert er regelmäßig, ob der Erbe die Vorgaben des Erblassers einhält.
Naturalleistungen statt Geldleistungen
Als Erblasser ist es entscheidend, auf die konkrete Ausgestaltung der Testamentsvollstreckung zu achten. Vor dem Hintergrund eines möglichen Anspruches des Sozialleistungsträger kann es sinnvoll sein, dem bedürftigen Erbe Naturalleistungen anstelle von Geldleistungen zukommen zu lassen – um die Lebenssituation des Bedürftigen tatsächlich zu verbessern. Im Zweifelfall werden Geldleistungen nämlich auf Sozialleistungen angerechnet.
Zu den Naturalleistungen zählen beispielsweise:
Durch diese Verfügung kann der Vorerbe auch nicht frei über Erträge des Erbes verfügen, sondern muss grundsätzlich akzeptieren, was ihm der Testamentsvollstrecker zuteilt.
Den Erben bei der Entscheidung einbeziehen
Bei der Entscheidung, wer Testamentsvollstrecker wird, können Sie den Erben einbeziehen. Dadurch können Sie Streit und Unstimmigkeiten zwischen dem Erben und dem Testamentsvollstrecker vermeiden.
Zusätzlich können Sie als Erblasser einen Ersatzvollstrecker bestimmen, der zum Einsatz kommt, wenn der eigentlich Testamentsvollstrecker sein Amt nicht antreten kann. Eine Regelung über die Vergütung des Testamentsvollstreckers ist ebenfalls notwendig.
Wichtig: Bei minderjährigen Bedürftigen muss zudem ein Vormund ernannt werden. Prinzipiell kann der Vormund auch Testamentsvollstrecker sein. Bei einer Trennung der Positionen kann der Betreuer jedoch gegenüber dem Testamentsvollstrecker eine Kontrollfunktion wahrnehmen.
Welche Aufgaben und Pflichten ein Testamentsvollstrecker hat, lesen Sie in unserem Beitrag zur „Testamentsvollstreckung“.
Im Rahmen eines Bedürftigentestament muss der Erblasser darauf achten, die Regelungen der Vorerbschaft und der Testamentsvollstreckung auf den Zeitraum der Bedürftigkeit zu begrenzen. So ist es denkbar, dass ein Bedürftiger wieder eine Arbeit findet und nicht mehr auf staatliche Hilfen angewiesen ist. Für diesen Fall kann der Erblasser verfügen, dass die Vor- und Nacherbschaft sowie Testamentsvollstreckung durch andere bzw. normale Erbbedingungen ersetzt werden.
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Das Bedürftigentestament unterscheidet sich formal nicht von anderen Testamentsformen. Als Erblasser sind Sie frei in der Entscheidung, das Testament selbst oder mithilfe eines Notars oder Anwaltes anzufertigen. Grundsätzlich sind folgende Formvorschriften zu beachten:
Zusätzlich müssen abhängig von der Art des Bedürftigentestament (eigenständiges oder öffentliches Testament) weitere Vorschriften beachtet werden.
Die wichtigsten Regelungen erfahren Sie in unserem Beitrag zum Thema „Testament schreiben“.
Wie im vorangegangen Kapitel dargelegt, unterscheidet sich das Bedürftigentestament formal nicht von anderen Testamentsformen. Der Erblasser muss bei der Erstellung eines solchen Testaments jedoch viele inhaltliche und juristische Anforderungen erfüllen.
Mustervorlagen enthalten standardisierte Formulierungen, die der individuellen Lebenssituation nicht gerecht werden können. Außerdem ist nicht sicher, ob Muster formal korrekt sind – es besteht das Risiko, dass das Testament aufgrund von Formfehlern angefochten und für ungültig erklärt wird.
Um eine fehlerhafte Gestaltung eines Bedürftigentestament zu vermeiden, können Sie das Bedürftigentestament von einem Anwalt erstellen lassen – er kann für rechtssichere Formulierungen passend zur individuellen Situation des Erblassers sorgen.
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Wurde das Bedürftigentestament eigenständig erstellt, kann es im Nachhinein problemlos geändert oder aufgehoben werden. Da der Erblasser seinen letzten Willen frei verfügen kann, benötigt er keinen Grund für eine Änderung oder Aufhebung des Testaments.
Liegt das Bedürftigentestament hingegen notariell vor oder wurde beim Nachlassgericht eingereicht, muss jede Änderung notariell beurkundet bzw. beim Nachlassgericht beantragt werden.
Wer mit der Ausgestaltung des Bedürftigentestaments nicht einverstanden ist oder dessen Rechtmäßigkeit anzweifelt, kann es unter bestimmten Voraussetzungen anfechten.
Beweislast & Gründe
Die Beweislast trägt dabei derjenige, der das Testament anfechten will. Dieser muss zwingend einen Anfechtungsgrund anführen. Mögliche Gründe sind beim Bedürftigentestament der Verdacht der Sittenwidrigkeit oder Formfehler. Weitere Anfechtungsgründe sind neben der Testierunfähigkeit des Erblassers auch eine Fälschung oder ein Motivirrtum.
Was den Anfechtungsgrund der Sittenwidrigkeit angeht, so erfahren Sie im nächsten Kapitel, warum das Bedürftigentestament rechtlich so umstritten ist und es bisweilen als sittenwidrig erachtet wurde.
Wer darf ein Bedürftigentestament anfechten?
Zusätzliche Informationen und 15 Gründe, warum Sie ein Testament anfechten können, lesen Sie in unserem Beitrag „Testament anfechten“.
In der Vergangenheit war nicht eindeutig geregelt, ob die erbrechtlichen Regelungen des Bedürftigentestaments (Vor- und Nacherbschaft sowie Testamentsvollstreckung) zulässig oder doch sittenwidrig sind.
Mittlerweile erkennt die Rechtsprechung die Gestaltung des Bedürftigentestament allerdings als wirksam an. Der BGH hat in seinem Urteil vom 19.01.2011 (IV ZR 7/10) als nicht sittenwidrig eingestuft, sondern als „Ausdruck der sittlich anzuerkennenden Sorge für das Wohl des Kindes über den Tod der Eltern hinaus“.
Werden bedürftige Angehörige beerbt, müssen sie das Erbe häufig als Ausgleich für die erhaltenen Sozialleitungen an den Staat abtreten. Ein Bedürftigentestament kann den Zugriff des Staates auf das Vermögen verhindern.
Welche Vor- und Nachteile die Erstellung eines Behindertentestaments haben kann, finden Sie hier nochmal kurz zusammengefasst:
Vorteile
✓ Verbesserung der Lebenssituation des Bedürftigen,
✓ der staatliche Zugriff auf Erbe wird verhindert,
✓ der Bedürftige bekommt weiterhin Sozialhilfe,
✓ das Erbe verbleibt in der Familie,
✓ die Substanz des Nachlasses wird nicht vom Vorerben aufgebraucht,
✓ der Erblasser kann den Zeitpunkt der Nacherbfolge festlegen (Tod, Heirat oder die Volljährigkeit des Vorerben).
Nachteil
X Anspruchsvolle Erstellung,
X mehrere Szenarien müssen bedacht werden (Vor- und Nacherbschaft, Testamentsvollstreckung, zeitliche Begrenzung auf den Zeitraum der Bedürftigkeit),
X eine fehlerhafte Gestaltung kann dazu führen, dass der Staat seine Ansprüche auf das Erbe geltend macht.
Damit Sie Ihren bedürftigen Angehörigen zu einer verbesserten Lebenssituation verhelfen, ohne dass er dabei seine Ansprüche auf Sozialhilfe verliert, können Sie ein Bedürftigentestament verfassen. Was bei der Erstellung eines Bedürftigentestament zu beachten ist, kann Ihnen ein Anwalt für Erbrecht erläutern.
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