Mit einem sogenannten Geliebtentestament können Sie als Erblasser einen Geliebten, mit dem Sie nicht verheiratet sind, als Alleinerben einsetzen und ihre Familie als Erben ausscheiden lassen. Obgleich solche Testamente mitunter als moralisch fragwürdig angesehen werden, wird ihre Gültigkeit regelmäßig von Gerichten bestätigt. Was genau ein Geliebtentestament ist, welche Auswirkungen es auf Kinder und Ehepartner hat und warum es nur ausnahmsweise sittenwidrig ist, erfahren Sie im folgenden Beitrag.
Das Geliebtentestament – auch Mätressentestament genannt – ist eine besondere Testamentsform, bei der ein verheirateter Erblasser eine Geliebte/einen Geliebten als Alleinerben einsetzt und gleichzeitig seinen Ehepartner enterbt. Betroffen von dieser Enterbung sind neben dem Ehepartner auch die Abkömmlinge des Erblassers. Infolgedessen erben die Angehörigen grundsätzlich nur den Pflichtteil, während die geliebte Person den Großteil des Nachlasses erhält.
Nachfolgend erfahren Sie, inwiefern die Testierfreiheit dem Erblasser ein Geliebtentestament ermöglicht und wo deren Grenzen liegen.
Aufgrund der dem deutschen Erbrecht zugrunde gelegten Testierfreiheit darf der Erblasser frei darüber entscheiden, wie er seinen Nachlass regelt. Infolgedessen kann der Erblasser im Rahmen eines Geliebtentestaments seine gesamte Familie – einschließlich seiner Kinder und seines Ehepartners – zugunsten einer/eines Geliebten enterben.
Demnach wird die freie Entscheidungsgewalt des Erblassers über sein Vermögen weder durch moralische Pflichten gegenüber der Familie noch durch eine Benachteiligung der Angehörigen beschränkt.
Gleichwohl hat die in Art. 14 des Grundgesetzes geregelte Testierfreiheit keine uneingeschränkte Gültigkeit. Sie endet immer dann, wenn sie gegen geltendes Recht verstößt. Wann ein Geliebtentestament sittenwidrig sein kann und welche Bedingungen dafür erfüllt sein müssen, lesen Sie in Kapitel 4 – Sittenwidrigkeit des Geliebtentestaments.
Im folgenden Abschnitt erfahren Sie, wer bei Vorliegen eines Geliebtentestaments Pflichtteilsansprüche hat, wie hoch diese sind und wie sie sich berechnen lassen.
Wird die/der Geliebte des Erblassers zuungunsten der Angehörigen als Alleinerbe eingesetzt, haben diese nach § 2303 BGB zumindest einen Pflichtteilsanspruch.
Durch diese gesetzliche Regelung wird auch im Rahmen eines Geliebtentestaments sichergestellt, dass die Angehörigen trotz gegensätzlichem Willens des Erblassers eine gesetzliche Mindestbeteiligung am Erbe erhalten.
Einen rechtlichen Anspruch auf den Pflichtteil am Erbe haben lediglich die engsten Verwandten des Erblassers – wenn sie pflichtteilsberechtigt sind.
Ausführlichere Informationen finden Sie in unserem Beitrag „Wer ist pflichtteilsberechtigt?“.
Die Pflichtteilsberechtigten müssen gemäß § 195 und § 199 BGB für die Durchsetzung ihrer Ansprüche eine dreijährige Verjährungspflicht einhalten. Diese beginnt nicht mit Eintritt des Erbfalls, sondern immer erst mit dessen Kenntnisnahme. Nach Ablauf der drei Jahre erlischt der Pflichtteilsanspruch vollständig.
Ausführlichere Informationen & wichtige Sonderregelungen finden Sie in unserem Beitrag „Pflichtteil-Verjährung“.
Die Höhe des jeweiligen Pflichtteils ist immer abhängig von der individuellen Erbmasse und der gesetzlichen Erbquote. Hierbei müssen sich die Betroffenen zunächst einen Überblick über den Wert des Nachlasses verschaffen.
Weiterführende Information und einen Pflichtteilrechner finden Sie in unserem Beitrag „Wie hoch ist der Pflichtteil?“.
Im nächsten Abschnitt erläutern wir Ihnen, wann ein Geliebtentestament als sittenwidrig gilt, welche Bedingungen erfüllt sein müssen und was die Rechtsprechung dazu sagt.
Auch wenn letztwillentliche Verfügungen wie das Geliebtentestament bei den betroffenen Familienangehörigen auf großes Unverständnis stoßen können, sind sie nur in Ausnahmefällen sittenwidrig.
Durch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 1970 (III ZB 23/68) ist in der Rechtsprechung geklärt, dass ein solches Testament nicht deshalb schon sittenwidrig ist, weil zwischen dem Erblasser und der Geliebten ein außereheliches Liebesverhältnis bestand.
Dass ein Geliebtentestament nur in schwerwiegenden Ausnahmefällen sittenwidrig ist, verdeutlicht das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 22.08.2008 (Az. 3 Wx 100/08):
Die Richter mussten dabei über die Testamentsanfechtung einer Witwe entscheiden, deren verstorbener Mann 16 Jahre zuvor eine Prostituierte kennengelernt hatte, mit der er seither ein außereheliches Verhältnis pflegte. Die letzten vier Jahre vor seinem Tod bewohnte er mit dieser eine gemeinsame Wohnung. Seine Ehefrau und er waren gleichzeitig aber noch Miteigentümer eines Wohnhauses, welches von der Frau nach der Trennung allein bewohnt wurde.
Nachdem ihr Mann verstorben war, beantragte die Ehefrau einen Alleinerbschein, da sie das Testament als sittenwidrig ansah. Die Ehefrau führte vor allem die Befürchtung an, dass sie sich mit der neuen Eigentümerin nicht einigen könne und sie ihr „angestammtes Wohnhaus“ aufgrund einer Teilversteigerung möglicherweise verlieren würde. Das Gericht lehnte den Antrag der Witwe ab. Aufgrund des langjährigen Zusammenlebens des Erblassers und seiner Geliebten wertete das OLG Düsseldorf die Erbeinsetzung weder als alleinige Belohnung für sexuelle Hingabe noch als unverhältnismäßige Zurücksetzung der Ehefrau.
Das angeführte Gerichtsurteil verdeutlicht, dass die Gerichte einem Geliebtentestament in der Regel Gültigkeit bescheiden. Eine Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB und dementsprechende Ungültigkeit liegt nur vor, wenn:
Sind die enterbten Kinder oder der Ehepartner des Erblassers nicht mit dem Geliebtentestament einverstanden und zweifeln seine Rechtmäßigkeit an, können sie dieses unter bestimmten Voraussetzungen anfechten.
Derjenige, der ein Geliebtentestament anfechten möchte, trägt die Beweislast und muss einen zwingenden Anfechtungsgrund anführen. Dies kann z. B. eine Sittenwidrigkeit des Testaments sein. Als weitere Anfechtungsgründe kommen aber auch Formfehler, Fälschungen oder die Testierunfähigkeit des Erblassers infrage.
Weitere Anfechtungsgründe sowie zusätzliche Informationen zum Thema Testamentsanfechtung finden Sie in unserem Beitrag „Testament anfechten".
Nur Personen, die einen unmittelbaren Vorteil aus der Aufhebung des Testaments erhalten würden, können dieses auch anfechten. Dazu zählen für gewöhnlich alle Erb- und Pflichtteilsberechtigten. Im Falle des Geliebtentestaments kommen dabei vor allem die Kinder und der Ehepartner des Erblassers infrage.
Eine Anfechtung des Testaments ist immer erst nach dem Tod Erblassers möglich. Sobald der Erbfall eintritt, kann das Testament aus den oben genannten Gründen angefochten werden. Die hierfür notwendige Anfechtungserklärung muss innerhalb eines Jahres beim zuständigen Nachlassgericht eingereicht werden. Diese kann sowohl schriftlich als auch mündlich abgegeben werden und ist keiner speziellen Form unterworfen.
Die entsprechende Frist beginnt erst, wenn der Anfechtungsberechtigte vom Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt. Liegt der Erbfall bereits 30 Jahre zurück, ist eine Anfechtung nicht mehr möglich, da die erbrechtlichen Ansprüche bereits verjährt sind.
Wie oben ausgeführt, kann das Geliebtentestament von Angehörigen angefochten werden, wenn sie eine Sittenwidrigkeit vermuten. Aber auch Formfehler und andere Gründe könnten zu einer erfolgreichen Anfechtung führen.
Wer ein Geliebtentestament aufsetzen möchte, muss dieses eindeutig formulieren und eine nachvollziehbare Begründung für die Erbeinsetzung der/des Geliebten nennen. Infrage kommen z. B. eine umfassende Betreuung im Krankheitsfall oder die Pflege im Alter.
Vor diesem Hintergrund kann es nachteilig sein, auf Mustervorlagen aus dem Internet zurückzugreifen, weil diese allgemeine Formulierungen enthalten und Ihrer individuellen Situation nicht gerecht werden könnten. Stattdessen können Sie Ihr Geliebtentestament mit Unterstützung eines Anwaltes formulieren. Dieser verfügt über das nötige Fachwissen und kann für ein fehlerfreies Testament sorgen.
Aufgrund der Testierfreiheit können Sie im Rahmen eines Geliebtentestaments eine Geliebte bzw. einen Geliebten als Alleinerben einsetzen. Wichtig ist dabei allerdings die Begründung der Erbeinsetzung.
Damit sichergestellt ist, dass Ihr Testament zugunsten dieser geliebten Person auch einer möglichen gerichtlichen Überprüfung standhält, kann die Unterstützung eines Anwalts für Erbrecht sinnvoll sein. Er kann für Sie ein solches Testament rechtssicher erstellen.
advocado findet für Sie den passenden Anwalt für Erbrecht aus einem Netzwerk mit über 550 Partner-Anwälten. Dieser kontaktiert Sie innerhalb von 2 Stunden* für eine kostenlose Ersteinschätzung zu Ihren Handlungsoptionen und Erfolgsaussichten.
Ein advocado Partner-Anwalt erläutert Ihnen in einer kostenlosen Ersteinschätzung das weitere Vorgehen.