Jeder Mensch darf in seinem Testament frei entscheiden, welche Person welchen Anteil am Vermögen im Erbfall erhalten soll – das soll die Testierfreiheit garantieren. Allerdings ist diese nicht unbegrenzt gültig und unterliegt einigen Einschränkungen. Welche Möglichkeiten Erblasser im Rahmen der Testierfreiheit haben, wo diese an ihre Grenzen stößt und was Erben bei verletzter Testierfreiheit unternehmen können, erfahren Sie im Folgenden.
Testierfreiheit bedeutet, dass jeder Mensch im Testament frei darüber entscheiden darf, wie sein Vermögen im Erbfall verteilt werden soll. So kann ein Erblasser beispielsweise eine Enterbung anordnen, einen Alleinerben einsetzen oder einer Person ein Vermächtnis zukommen lassen. Außerdem kann er die Erbschaft an bestimmte Bedingungen und Einschränkungen knüpfen – beispielsweise die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers oder von Vor- und Nacherben.
Aufgrund der Testierfreiheit muss der Erblasser für die Anordnungen in seinem letzten Willen keine Gründe angeben – eine Ausnahme dafür stellt der Pflichtteilsentzug dar. Hat ein Erblasser kein Testament verfasst und somit keinen Gebrauch von seinem Recht der Testierfreiheit gemacht, so gilt die gesetzliche Erbfolge.
Während sich die Testierfreiheit auf die inhaltliche Gestaltung des Testaments bezieht, bezeichnet Testierfähigkeit die Fähigkeit, ein rechtswirksames Testament zu errichten. Damit eine Person testierfähig ist, muss sie nach § 2229 BGB drei Voraussetzungen erfüllen:
Sobald eine Person alle Voraussetzungen erfüllt, gilt sie als testierfähig und ihr Testament ist rechtswirksam. War ein Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserstellung hingegen nicht testierfähig, so ist das Testament ungültig.
Ausführlichere Informationen darüber, wann Testierfähigkeit besteht, wann sie eingeschränkt ist und wie sie festgestellt wird, finden Sie in unserem Beitrag „Testierfähigkeit“.
Die Testierfreiheit ist gemeinsam mit der Erbrechtsgarantie in Art. 14 des Grundgesetzes festlegelegt. Allerdings ist sie nicht unbegrenzt gültig – sie endet an dem Punkt, an dem ein Testament gegen geltendes Recht verstößt. In welchen Fällen die Testierfreiheit eingeschränkt ist und was die Konsequenzen einer verletzten Testierfreiheit sind, erfahren Sie im Folgenden.
Zunächst ist die Testierfreiheit dahingegen eingeschränkt, dass ein Testator nur die vom Erbrecht bereitgestellten Instrumente für die Verteilung seines Vermögens verwenden kann. So darf er die Erbfolge nur in einem Testament oder Erbvertrag festlegen – er kann die Erben nicht per E-Mail oder am Telefon benennen. Außerdem kann der Erblasser nur die erlaubten erbrechtlichen Mittel für die inhaltliche Gestaltung verwenden. Dies sind beispielsweise die Erbeinsetzung, Vermächtnisse und Vorausvermächtnisse, Auflagen oder die Testamentsvollstreckung.
Da all diese erbrechtlichen Instrumente unterschiedliche Wirkungen aufeinander haben, können Erblasser ihr Testament prüfen lassen – so können sie sichergehen, dass der letzte Wille auch wirklich ihren Absichten entspricht.
Ausführlichere Informationen über die Anforderungen an ein Testament sowie die Prüfung von diesem finden Sie in unserem Beitrag „Testament prüfen lassen“.
Eine weitere Grenze der Testierfreiheit stellt die Sittenwidrigkeit dar. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das zwar nicht rechtswidrig ist, allerdings gegen die guten Sitten verstößt. Folglich darf ein Testament nicht gegen gesellschaftlich anerkannte moralische Werte verstoßen oder den Erben in seiner Willensbildung einschränken. Ein Beispiel für die verletzte Testierfreiheit aufgrund einer Sittenwidrigkeit wäre: „Mein Sohn Moritz wird anteilig Erbe an meinem Vermögen, wenn er sich von seiner Frau Petra scheiden lässt.“
Die Beurteilung von Sittenwidrigkeit ist jedoch nicht immer einfach. Als Bewertungsmaßstäbe gelten beispielsweise die Absichten des Erblassers, die Werteordnung durch das Grundrecht oder der Zeitpunkt, an dem das Testament verfasst wurde. Allerdings muss Sittenwidrigkeit stets individuell festgestellt werden.
Des Weiteren stößt die Testierfreiheit bei der Erbschaftssteuer an ihre Grenzen. Grundsätzlich soll das Erbrecht den Erhalt des Eigentums sichern. Deswegen wollen manche Erblasser die Erbschaftssteuer in ihrem Testament ausschließen. Dies ist nicht möglich, da die Erbschaftssteuer verpflichtend ist und somit die Testierfreiheit einschränkt. Allerdings wird die Erbschaftssteuer so berechnet, dass sie den Nachlass nicht zu sehr belastet und die Erbschaft trotzt steuerlicher Abgaben wirtschaftlich sinnvoll bleibt.
Auch wenn sich die Erbschaftssteuer nicht im Testament ausschließen lässt, haben Erblasser einige Gestaltungsmöglichkeiten in Bezug auf diese. Wie hoch die Erbschaftssteuer ist, wann sie anfällt und wie man sie umgehen kann, erfahren Sie in unserem Beitrag „Erbschaftssteuer umgehen“.
Prinzipiell darf die Testierfreiheit nach § 2392 BGB nicht durch vertragliche Verpflichtungen eingeschränkt werden – das Testament soll dem unverfälschten Willen des Erblassers entsprechen. Ausnahmen dafür sind der Erbvertrag und das Berliner Testament. In beiden Fällen binden sich die Vertragsparteien gegenseitig an den letzten Willen. Stirbt einer der beiden Vertragspartner, bleiben die Bestimmungen aus dem gemeinsamen Erbvertrag oder Testament bestehen – sie schränken folglich die Testierfreiheit des hinterbliebenen Vertragspartners ein, sofern dieser ein weiteres Testament aufsetzen will.
Die stärkste Einschränkung der Testierfreiheit ist das Pflichtteilsrecht. Grundsätzlich darf jeder Erblasser aufgrund der Testierfreiheit auch unbeliebte Verwandte ohne Angabe von Gründen komplett von der Erbfolge ausschließen. Einige der engsten Familienmitglieder des Erblassers sind jedoch durch den Pflichtteil geschützt – eine Mindestbeteiligung am Nachlass.
Dieses Recht auf den Pflichtteil kann Personen mit gültigem Pflichtteilsanspruch nicht einfach entzogen werden. Solch ein Pflichtteilsentzug ist nur in Ausnahmesituationen und unter Angabe triftiger Gründe nach § 2333 BGB möglich.
Dennoch können Erblasser den Pflichtteil umgehen oder ihn zumindest reduzieren, ohne die Testierfreiheit zu verletzen. Eine Möglichkeit stellt der Pflichtteilsverzicht dar, bei dem die entsprechende Person meist gegen eine Abfindung auf ihr Pflichtteilsrecht verzichtet. Möchte ein Erblasser den Pflichtteil mindern, so kann er sein Vermögen zu Lebzeiten verringern und somit die Erbmasse schmälern – das kann allerdings einen Pflichtteilsergänzungsanspruch nach sich ziehen.
Weitere Informationen zum Pflichtteil, wer genau pflichtteilsberechtigt ist, wie hoch dieser genau ausfällt oder wie er eingefordert werden kann, finden Sie auf unserer ausführlichen Übersichtsseite zum Pflichtteil.
Erfahren Verwandte bei der Testamentseröffnung von ihrer Benachteiligung in Bezug auf das Erbe, so können sie das Testament anfechten. Wird festgestellt, dass das Testament nicht den Anforderungen entspricht, kann es seine Gültigkeit verlieren. Dabei gilt: Überschreitet eine Anordnung im Testament die Testierfreiheit, ist diese nicht wirksam. Das bedeutet jedoch nicht, dass gleich das gesamte Testament ungültig wird. So legt § 2085 BGB fest, dass das gesamte Testament nur dann ungültig wird, wenn der Erblasser die restliche Verfügung ohne die ungültige Anordnung anders gestaltet hätte.
Sie beabsichtigen die Verfassung eines Testaments und sind sich nicht sicher, ob sich Ihre Vorstellungen mit der Testierfreiheit vereinbaren lassen? Sie fühlen sich in Bezug auf einen Nachlass benachteiligt und vermuten, dass der Erblasser die Grenzen der Testierfreiheit überschritten hat? Diese und viele weitere Fragen kann ein Anwalt beantworten.
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