Bei einer Eheschließung gilt automatisch der Güterstand der Zugewinngemeinschaft, wenn die Eheleute nichts anderes vereinbaren. Lassen sich die Ehepartner scheiden, hat der mit dem geringeren Vermögen Anspruch auf Zugewinnausgleich. Der Ausgleichsanspruch lässt sich bis zu 3 Jahre nach der Scheidung beantragen.
Entschließen sich die Eheleute die Scheidung einzureichen, hat der durch die Trennung finanziell benachteiligte Partner Anspruch auf eine Ausgleichszahlung. Dieser Anspruch besteht aber nur, wenn die Ehegatten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben.
Der Zugewinnausgleich definiert den Zuwachs an Vermögen, den die Eheleute während der Ehe erwirtschaftet haben, z. B. in Form von:
Der Zugewinnausgleich berechnet sich aus der Differenz des Anfangsvermögens und Endvermögens beider Ehepartner.
Der Zugewinnausgleich wird erst fällig, wenn sich beide Eheleute scheiden lassen wollen. Im Falle einer Scheidung wird das gemeinsam erwirtschaftete Vermögen der Partner – also die Differenz zwischen Anfangs- und Endvermögen – aufgeteilt:
Die Ausgleichsforderung wird nicht fällig, wenn klar ist, dass beide Partner während der Ehe gleich viel hinzugewonnen haben.
Hatten die Ehegatten z. B. vor Eheschließung kein Vermögen und haben sie auch während der Ehe bis auf ein gemeinsames Haus kein weiteres Vermögen erwirtschaftet, ist der Zugewinn auf beiden Seiten gleich. Ein Zugewinnausgleichsanspruch besteht dann nicht. Allerdings haben beide das halbe Miteigentum am Haus. Können sie sich nicht einigen, ist ein Hausverkauf bei Scheidung notwendig, um den Gewinn anschließend aufzuteilen.
Ab wann es einen Ausgleichsanspruch gibt, hängt auch von vertraglichen Regelungen ab. Hat das Paar einen Ehevertrag aufsetzen lassen und Gütertrennung vereinbart, kann bei Scheidung keiner der Ehepartner ein Ausgleichsforderung verlangen. Alternativ lässt sich der Zugewinnausgleich auch in einer Scheidungsfolgenvereinbarung ausschließen.
Besteht ein Anspruch auf Zugewinnausgleich, beschränkt sich dieser nur auf finanzielle Mittel. Keiner der Ehegatten kann verlangen, dass bestimmte Vermögensgegenstände wie z. B. eine Immobilie übertragen werden.
Erbschaften und Schenkungen bleiben ebenfalls außen vor, da sich der Ausgleich des Zugewinns nur auf das gemeinsam erwirtschaftete Vermögen beschränkt. Bei einer Immobilie im Alleineigentum ist nur deren Vermögenszuwachs zwischen Heirat und Scheidung entscheidend.
Der Zugewinnausgleich wird während des bzw. nach dem Scheidungsablauf durch das Familiengericht berechnet. Das eigentliche Scheidungsverfahren verlängert sich um die Zeit, die die Auseinandersetzung um die Ausgleichsforderung in Anspruch nimmt.
Da Gerichte nicht immer in der Lage sind, den Wert des Vermögens festzusetzen – besonders wenn es sich um Immobilien oder Unternehmensanteile handelt –, übernehmen häufig externe Gutachter dafür hinzu.
Ja, die Ausgleichsforderung ist begrenzt: Ist einer der Ehegatten zum Ausgleich verpflichtet, muss er diesen nur bis zur Höhe seines tatsächlich vorhandenen Vermögens zahlen.
Das bedeutet: Niemand muss Schulden aufnehmen, um den Zugewinn während einer Ehe auszugleichen. Ist gar kein Vermögen durch Verschuldung mehr vorhanden, kann der Anspruch auf Ausgleichsforderung ganz entfallen.
Um den Zugewinnausgleichsanspruch zu berechnen, müssen beide Ehegatten eine Vermögensaufstellung abgeben. Diese beinhaltet
Aus diesen beiden Werten ermittelt sich der jeweilige Zugewinn. Anschließend wird das Vermögen der Eheleute miteinander verglichen. Als Stichtag für die Zugewinnberechnung gilt der Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags.
Zum Anfangsvermögen beim Zugewinnausgleich zählt sämtlicher Besitz, den ein Ehepartner mit in die Ehe bringt. Seit der Reform zur Zugewinnberechnung im Jahr 2009 gibt jedoch einige Besonderheiten:
In das Endvermögen fließen jegliche Besitztümer der beiden Eheleute ein, die sich zum Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags in deren Besitz befinden. Schulden sind abzuziehen. Zum Endvermögen gehören:
Wie auch beim Anfangsvermögen kann das Endvermögen negativ sein, wenn einer der Ehepartner bei der Zustellung des Scheidungsantrags verschuldet ist bzw. hohe Verbindlichkeiten hat.
Wie sich der Ausgleichsanspruch eines Ehepaares bei Scheidung berechnet, zeigt folgendes Beispiel:
Herr und Frau M. sind kinderlos und wollen sich nach 10 Jahren Ehe scheiden lassen. Beide haben in den letzten 10 Jahren gearbeitet. Herr M. hat als Manager eines großen Unternehmens ein Vermögen in Höhe von 100.000 Euro angehäuft. Frau M. kümmerte sich um den Haushalt und ging einer Teilzeitbeschäftigung nach. Ihr Zugewinn während der Ehe liegt bei 10.000 Euro.
Während Herr M. mit Schulden in Höhe von 50.000 Euro in die Ehe gegangen ist, hatte Frau Müller keinerlei Besitz oder Schulden.
Herr M. hat während der Ehe seine Schulden ausgeglichen und weitere 100.000 Euro erwirtschaftet. Somit liegt sein Zugewinn bei 150.000 Euro. Das erwirtschaftete Vermögen von Frau M. liegt bei 10.000 Euro.
Die Vermögensdifferenz beider Ehepartner liegt bei 140.000 Euro, wobei Frau M. auf 50 % davon einen Anspruch hat. Auf Antrag muss Herr M. also einen Zugewinnausgleich in Höhe von 70.000 Euro an seine Ex-Frau leisten.
Damit sich bei der Berechnung Anfangs- und Endvermögen auch wirklich vergleichen lassen, muss das Gericht das Anfangsvermögen auf den Geldwert zum Stichtag des Endvermögens umrechnen. Dazu wird der inflationsbedingte Kaufkraftverlust mithilfe der sogenannten Indexierung aus dem Zugewinnausgleich herausgerechnet.
Grundlage dieser Berechnung sind die Verbraucherpreisindizes des Statistischen Bundesamtes. Für 2019 liegt der Index z. B. bei 105,3.
Die Berechnung des Kaufkraftausgleichs funktioniert mit folgender Formel:
Anfangsvermögen x Index zum Zeitpunkt des Scheidungsantrages / Index bei Heirat = indexiertes Anfangsvermögen.
Beispiel: Frau B. hat bei der Hochzeit mit Ihrem Mann im Jahr 1992 ein Vermögen von 20.000 Euro. Als sie sich im Jahr 2018 scheiden lässt, verfügt sie über ein Vermögen von 220.000 Euro – und damit über einen Nettogewinn von 200.000 Euro.
Berechnung indexiertes Anfangsvermögen:
20.000 Euro × 103,8 / 68,8 = 30.174 Euro.
Der Zugewinn beläuft sich somit nur noch auf 189.826 Euro.
Ja. Möchten Sie, dass die Ausgleichsforderung bei Scheidung berücksichtigt wird, müssen Sie diese beim örtlichen Amtsgericht beantragen. In der Regel beantragt sie der Ehepartner, der während der Ehe ein geringeres Vermögen erwirtschaftet hat.
Der Zugewinnausgleich gehört jedoch nicht zwingend zum Scheidungsverfahren – anders als z. B. der Versorgungsausgleich bei Scheidung.
Den Zugewinnausgleich beantragen Sie gemeinsam mit der Scheidung – d. h. wenn Sie den Scheidungsantrag beim Familiengericht einreichen. Dies ist bei einer einvernehmlichen Scheidung erst nach Ablauf des Trennungsjahres möglich. Bei einer streitigen Scheidung verlängert sich die vom Gericht verlangte Trennungszeit auf 3 Jahre.
Sie können die Scheidung somit erst kurz vor Ablauf der Trennungszeit einreichen und damit auch erst zu diesem Punkt die Ausgleichsforderung beantragen.
Wenn Sie die Ausgleichsforderung beantragen wollen, müssen Sie Nachweise über Ihr Anfangs- und Endvermögen erbringen. Dazu gehören z. B.:
Können Sie z. B. keine Nachweise über Ihr Vermögen vor der Ehe nachweisen, setzt das Gericht bei der Berechnung das Anfangsvermögen auf 0.
Beim Zugewinn kann viel auf dem Spiel stehen. Die Berechnung ist komplex, da diverse Umstände zu berücksichtigen sind. Wer die Sache auf sich beruhen lässt, verzichtet unter Umständen auf sehr viel Geld – oder Sie zahlen vielleicht mehr, als Sie tatsächlich müssen.
Möchten Sie sich scheiden lassen, benötigen Sie in jedem Fall eine anwaltliche Vertretung. Es ist daher sinnvoll, auch einen möglichen Zugewinnausgleich durch Ihren Anwalt berechnen zu lassen. Eine Scheidung ohne Anwalt ist nicht möglich.
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Der Güterstand der Zugewinngemeinschaft endet mit der Scheidung oder dem Tod eines Ehepartners – und damit auch die Grundlage für den finanziellen Ausgleich. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit eines früheren Endes durch einen vorzeitigen Zugewinnausgleich.
§ 1385 BGB regelt die Voraussetzungen des vorzeitigen Zugewinnausgleichs:
Liegt eine dieser Konstellationen vor, kann der andere Partner einen vorzeitigen Zugewinnausgleich beantragen. Noch vor der rechtskräftigen Scheidung wird damit der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft beendet. Stattdessen tritt die Gütertrennung in Kraft.
Die Beantragung der Ausgleichsforderung ist an eine Frist gebunden. Der Anspruch verjährt innerhalb von 3 Jahren nach rechtskräftiger Scheidung und lässt sich nicht im Nachhinein geltend machen.
Ein Zugewinnausgleich lässt sich bis zu 3 Jahre nach der Scheidung von einem der Ehepartner beantragen.
Ohne Ehevertrag kann es sinnvoll sein, die gemeinsame Immobilie zu verkaufen und den Verkaufserlös auszugleichen.
Ja, die Ausgleichsforderung ist steuerpflichtig und wie eine Schenkung zu versteuern.
Als Teil der juristischen Redaktion von advocado strebt Sophie Suske jeden Tag danach, komplexe Rechtsprobleme des Marken- und Versicherungsrechts für jeden Leser verständlich aufzubereiten. Grundlage ihrer lösungsorientierten Arbeit ist ihr Masterstudium der Sprach- und Kommunikationswissenschaft.