Beim Bau einer eigenen Immobilie ist nicht nur das errichtete Bauwerk an sich von Bedeutung, sondern auch die Sicherung des erworbenen Eigentums in der Zukunft. Vor dem Hintergrund des Art. 14 Abs. 1 GG schützt Bestandsschutz vor dem Entzug des rechtmäßig erworbenen Eigentums sowie der Nutzungsmöglichkeiten. Es kann jedoch vorkommen, dass Gebäude in der Vergangenheit ohne Baugenehmigung errichtet worden sind und daraus negative Folgen für den jetzigen Eigentümer entstehen. Wann Bestandsschutz erlischt und wie Sie davon profitieren können, erfahren Sie in diesem Artikel.
Bestandsschutz versichert dem Eigentümer einer baulichen Substanz übergreifenden Schutz vor späteren Rechtsveränderungen. Dieser Schutz besteht für alle Gebäude und deren Nutzung, die ursprünglich legal oder mit Erteilung einer rechtmäßigen Baugenehmigung errichtet worden sind. Dieses Bauwerk darf in Zukunft weiterhin bestehen und genutzt werden, auch wenn eine neue Rechtsprechung eine wiederholte Bebauung und Nutzung des Gebäudes in der Praxis nicht mehr erlauben würde.
Der Bestandsschutz ist dann gegeben, wenn eine bauliche Anlage als fertig gestellt betrachtet werden kann. Das Gebäude mit Bestandsschutz in einem heute z. B. unzulässigem Baugebiet darf weiterhin bestehen und genutzt werden, jedoch sind Veränderungen am Bauwerk untersagt – diese würden zum Wegfall des Bestandsschutzes führen. Für den Erhalt des Bestandsschutzes setzt die Rechtsprechung ein entsprechendes Gebäude sowie seine Funktionalität voraus.
Erworbenes Eigentum wird häufig auch als passiver (abwehrender) Bestandsschutz bezeichnet und schützt den momentanen Zustand des Bauwerks – unabhängig von seiner rechtlichen Situation. Ist ein bereits bestehendes Bauwerk z. B. baurechtswidrig, wurde jedoch zum Erbauungszeitpunkt rechtmäßig errichtet, schützt das Recht des Bestandsschutzes vor möglichen Abrissverfügungen.
Der passive Bestandsschutz wehrt ebenfalls bauaufsichtliche Maßnahmen der Bauaufsichtsbehörde gem. Art. 75, 76 der Bayerischen Bauordnung (BayBo) ab und schützt lediglich etwas Vorhandenes. Mit dem Recht des Bestandsschutzes erhält der Eigentümer keinen Anspruch auf Änderung oder Erweiterung einer ausgeübten Nutzung oder eines Ersatzbaus.
Demgegenüber steht der aktive Bestandsschutz, der sich nicht auf die Bestandsnutzungsfunktion beschränkt, sondern die Frage aufwirft, ob und inwieweit an der geschützten Bauanlage baurechtlich relevante Veränderungen genehmigt werden können. Das Kerngebiet des aktiven Bestandsschutzes zielt also darauf ab, einen vorhandenen Bestand zu verändern oder zu erweitern. Der einfache Bestandsschutz lässt sich weiterhin in einfach-aktivem und qualifiziert-aktivem Bestandsschutz unterteilen.
Die Rechtsprechung in Deutschland lehnt den aktiven Bestandsschutz gänzlich ab, da die Anwendung dessen nicht mit Art. 14 Abs. 1 GG übereinstimmt und der passive Bestandsschutz bei Existenz dessen verdrängt werden würde.
Überblick über Arten Bestandschutz:
Stellt sich heraus, dass es sich bei einem Gebäude um einen sogenannten Schwarzbau handelt – also keine Baugenehmigung vom Bauherr eingeholt wurde – darf die örtliche Bauaufsichtsbehörde nach deutschem Baurecht eine Abrissverfügung erlassen. Denn grundsätzlich bleibt ein rechtswidrig errichtetes Bauwerk so lange rechtswidrig, bis eine nachträgliche Genehmigung eingeholt wurde. Die Abrissverfügung begründet sich häufig damit, dass der damalige Bauherr mit der illegalen Errichtung des Gebäudes gegen die Vorschriften des Baurechts verstoßen hat und nun dafür belangt wird.
Geht die Bauaufsichtsbehörde jedoch nicht gegen den Schwarzbau vor, darf sich der jetzige Eigentümer zukünftig auf den Bestandsschutz berufen.
Eine Abrissverfügung bezeichnet eine Erlaubnis der Bauaufsicht, ein Gebäude vollständig oder teilweise abzureißen. Da diese Verfügung nicht in jedem Fall besteht, gibt es besondere Regelungen, die vor einem Abriss an einem Gebäude geprüft werden müssen:
✓ Verhältnismäßigkeit (Prüfung, ob der erwartete Schaden des Gebäudeeigentümers nicht höher ist als der durch den Abriss entstandene Nutzen. Ist der Schaden höher, darf der Abriss nicht vollzogen werden.)
- Ausnahme Schwarzbauten
✓ Formelle oder materielle Rechtswidrigkeit (Abrissverfügung darf erteilt werden, wenn Rechtswidrigkeit besteht oder es keine andere Möglichkeit gibt, einen Nutzen wiederherzustellen.)
- Formelle Rechtswidrigkeit: Bauwerk wurde ohne Baugenehmigung errichtet.
- Materielle Rechtswidrigkeit: Bauwerk steht seit Errichtung im Widerspruch zum materiellen Baurecht.
Abrissverfügungen können auch als rechtswidrig angesehen werden, wenn andere Bauwerke derselben Art, desselben Alters oder in derselben Lage nicht abgerissen werden und bestehen bleiben dürfen. Hier müssen die Behörden Kriterien zur Erteilung einer Abrissverfügung wie Lage oder Alter bei ihrer Entscheidung miteinbeziehen. Abrissverfügungen sind ebenfalls unzulässig, wenn die Bauaufsichtsbehörde trotz Kenntnis der Rechtswidrigkeit des Gebäudes jahrelang nichts gegen den Schwarzbau unternimmt. In diesem Fall darf sich der jetzige Eigentümer zukünftig auf den Bestandsschutz berufen.
Natürlich gibt es auch bei Schwarzbauten Ausnahmen, die vor dem Abriss schützen. Die Verordnung über die Bevölkerungsbauwerke vom 08.11.1984 beschreibt in § 11 Abs. § erstmalig, dass nach Ablauf einer Verjährungsfrist nach der Errichtung des Bauwerkes über einen Abriss nicht mehr verfügt werden kann – Ordnungsstrafen sind dennoch möglich. Diese Regelung betrifft Schwarzbauten, die in Form von Bauwerken von Bürgern für Wohn- und Freizeitzwecke erschaffen wurden und dessen Abriss nicht vom zuständigen Rat des Stadtbezirkes oder der Gemeinde bis zum 31.07.1990 innerhalb der Verjährungsfrist angeordnet wurde.
Bestandsschutz gilt für ein Bauwerk nur so lange, wie dieses nach außen hin sichtlich genutzt wird. Ein Gebäude, das jahrelang unter Bestandsschutz steht und nicht genutzt wird, ist demzufolge mit „Endgültig aufgegeben“ zu bewerten. Das Oberverwaltungsgericht in Nordrhein-Westfalen räumt in einem Urteil aus dem Jahr 1997 ein, dass ein Gebäude nur dann als endgültig aufgegeben bezeichnet werden kann, wenn der Verfall des Bauwerks klar ersichtlich ist und dessen neuerliche Nutzung vom Eigentümer nicht mehr gewünscht wird (Aktenzeichen 7 A 5179/95).
Eine kurzfristige Nicht-Nutzung des Bauwerkes hat auf den Bestandsschutz keinerlei Einfluss. Wird ein schützenswertes Gebäude schlussendlich abgerissen, so verfällt der Bestandsschutz und ist nicht übertragbar auf ein anderes Gebäude, das beispielsweise an derselben Stelle wieder errichtet werden soll. Bestandsschutz erlischt ebenfalls, wenn ein Bauwerk nur teilweise entfernt wird und einige schützenswerte Bereiche noch auf Grund und Boden stehen und vielleicht weiterhin für einen Neubau genutzt werden könnten.
Nicht nur neu errichtete Bauwerke unterliegen in Deutschland einer Baugenehmigung. Auch eine Änderung der Nutzung des Gebäudes muss nach dem Baugesetzbuch und jeweiliger Bauordnung des Bundeslandes neu erlaubt werden. Möchten Sie Ihr gebautes Gebäude zu einem neuen Zweck nutzen, müssen Sie einen entsprechenden Antrag stellen, der in einem sogenannten Baugenehmigungsverfahren geprüft wird. Es wird in dem Fall unter anderem begutachtet, ob die Nutzungsänderung materiell und formell durchgeführt werden kann.
Eigentümer eines Gebäudes sollten darauf achten, dass sie eine Nutzungsänderung nur innerhalb einer bestimmten Art durchführen können. Diese Art der Nutzung muss sich dem ähneln, für das das Gebäude ursprünglich errichtet worden ist. So kann aus einem Tierheim z. B. eine Tierpension entstehen, aber kein Pflegeheim für Menschen. Solange Nutzungsänderungen für die Quantität und Qualität eines Bauwerkes unwichtig sind, fallen sie unter das Recht des Bestandsschutzes. Tragen sie jedoch nicht unwesentlich zum Gebäude bei, verfällt der Bestandsschutz. Neben der reinen Nutzungsänderung gibt es noch den Sonderfall der Nutzungsunterbrechung. Steht z. B. ein Einfamilienhaus nach Verkauf lange leer, weil kein neuer Käufer gefunden wurde, führt das nicht automatisch zum Verfall des Bestandsschutzes. Jedoch gibt es für diese Besonderheit noch keine einheitliche Regelung im Rechtssystem.
Nehmen Eigentümer unerlaubte Änderungen oder Anpassungen am Gebäude vor, erlischt der Bestandsschutz automatisch. Die zuständigen Behörden sind dann zu verpflichtet, gegen dieses Handeln mit Strafen oder Verfügungen vorzugehen. Mögliche Strafen bei widerrechtlichem Handeln gegen Bestandsschutz:
Stilllegungsverfügung |
Nutzungsuntersagung |
Abrissverfügung |
Nutzung des Bauwerkes wird nicht gestattet |
Verpflichtung zum Abriss der Anlage |
Vor dem Bau einer eigenen Immobilie oder Erwerb eines Bauwerkes oder Grundstückes kann es für Eigentümer essenziell sein, sich mit der Rechtslage und besonders mit dem Bestandsschutz auseinanderzusetzen. Zudem ist eine legale Baugenehmigung das A und O für ein erfolgreiches Bauprojekt. Auch bei dem Vorhaben der Nutzungsänderung für ein Gebäude kann juristische Unterstützung hilfreich sein, um sich mögliche Differenzen mit der Bauaufsichtsbehörde zu ersparen.
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