Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft meldete allein 2014 mehr als 12.000 Fälle, in denen die Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) nicht ausgezahlt wurde. Oftmals ziehen sich Fälle jahrelang hin, weil Versicherungen hoffen, dass Versicherungsnehmer einknicken. Nur drei Viertel der Versicherungen zahlen wie vereinbart. Geschädigte stehen vor der Frage: Berufsunfähigkeitsversicherung zahlt nicht – was tun? Hier finden Sie Antworten.
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Damit eine Berufsunfähigkeit anerkannt wird und die Versicherung zahlt, muss der Versicherungsnehmer zu mindestens 50 % berufsunfähig hinsichtlich seiner bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit sein. Hat er zuvor 40 Wochenstunden gearbeitet, kann jetzt aber krankheitsbedingt nur weniger als 20 Stunden arbeiten, ist er berufsunfähig.
Der Grad der Berufsunfähigkeit wird durch einen Arzt oder Gutachter der Krankenkasse festgelegt. Ein Attest des behandelnden Arztes reicht nicht immer aus.
Weitere Voraussetzungen und Bedingungen:
Wird die Berufsunfähigkeit anerkannt, erhält der Versicherte bis zum Eintritt in die Altersrente eine im Vertrag vereinbarte monatliche Rente.
In vielen Fällen kann die Versicherung die Berufsunfähigkeit anzweifeln und vermeintliche Gründe aufführen, damit sie nicht zahlen muss.
Typische Fälle, in denen Berufsunfähigkeitsversicherungen nicht ausgezahlt werden:
Ein häufiger Grund ist die nachträgliche Suche nach Fehlern im Versicherungsvertrag, wie z. B. nicht angegebene Vorerkrankungen. Vermutet die Versicherung, dass Angaben falsch oder unlogisch sind, versucht sie eine “vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung” nachzuweisen. Damit wäre der Vertrag wegen arglistiger Täuschung beendet.
Die Folgen für Sie können gravierend sein:
Das Oberlandesgericht Karlsruhe (Az. 12 U 140/12) bejahte in einem Gerichtsurteil, dass Versicherte für falsche oder fehlende Angaben haftbar sind. So muss ein harmloser Heuschnupfen ebenso angegeben werden wie Erkrankungen, die mehr als zehn Jahre zurückliegen, wenn der Patient deshalb noch Untersuchungen in Anspruch nimmt. Wird dies versäumt, braucht die Berufsunfähigkeitsversicherung nicht zu zahlen.
Allerdings: Gibt man bei Vertragsunterzeichnung Vorerkrankungen an, die der Versicherungsvertreter nicht aufnimmt, und kann das beweisen, muss die Berufsunfähigkeitsversicherung zahlen, entschied das Oberlandesgericht Bamberg in einem Gerichtsurteil (Az. 1 U 181/06).
Anfechtungen wegen arglistiger Täuschung sind innerhalb einer Frist von 10 Jahren nach Vertragsabschluss möglich. Die Beweislast für die Täuschung liegt bei den Versicherungen – sie müssen Ihnen nachweisen, dass Sie im Antrag böswillig gelogen haben. Das kann in komplizierten Fällen zu jahrelangen Prozessen führen.
Bestimmte Krankheiten führen in der Regel zu einer automatischen Ablehnung des Antrags auf eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Dazu gehören u. a. Asthma, Rheuma, Herzinfarkt, Morbus Crohn, bösartige Tumore, Neurodermitis, Multiple Sklerose sowie Diabetes Typ 1.
Andere Krankheiten werden in der Versicherungspolice explizit ausgeschlossen. Ist eine von der Versicherung ausgeschlossene Erkrankung der Grund für die Berufsunfähigkeit, erhalten Betroffene keine Bezüge.
In diesen beiden Beispielfällen müsste die Berufsunfähigkeitsversicherung nicht zahlen:
Versicherungen glauben ihren Kunden zunächst. Erst im Versicherungsfall hinterfragen sie die Informationen. Versicherungsnehmer sind verpflichtet, sie dabei zu unterstützen und Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden. Dieser Akteneinsicht hat man bereits bei Vertragsabschluss zugestimmt.
Gemeint ist die “Zermürbungstaktik” von Versicherungen. Versicherer können versuchen, die Bearbeitung des Antrags so zu verzögern, dass Sie als Geschädigte oder Geschädigter aufgeben. Es können z. B. Unterlagen und Gutachten gefordert, Gegengutachten erstellt und die Bearbeitung verschleppt werden.
Oftmals könnte der Antrag abgelehnt werden und Versicherungen es auf eine Klage ankommen lassen. Die Versicherungen haben die rechtlichen und finanziellen Mittel für einen langwierigen Rechtsstreit, während der Geschädigte meist wenig finanziellen Spielraum hat.
Ob man berufsunfähig ist, stellt ein Gutachter fest. In vielen Fällen kann es schwierig sein, die Berufsunfähigkeit zweifelsfrei festzustellen.
Besonders Menschen mit psychischen Leiden sind davon betroffen. Psychische Erkrankungen sind mittlerweile die häufigste Ursache für eine Berufsunfähigkeit, deshalb schauen Versicherer in diesen Fällen besonders genau hin.
Selbst wenn der Bescheid einer Erwerbsminderungs- bzw. -unfähigkeitsrente vorliegt, können sich Versicherungen weigern, zu zahlen. Grund dafür ist, dass unterschiedlich ausgelegt werden kann, ab wann genau ein Arbeitnehmer nicht mehr arbeiten kann. Auch der Grad der Behinderung ist unterschiedlich definiert: Ein Büroangestellter kann seinen Job im Rollstuhl sitzend eher ausüben als ein Dachdecker.
Die Versicherung kann regelmäßig ein Nachprüfungsverfahren durchführen, mit dem sie prüft, ob die Berufsunfähigkeit noch vorliegt.
Ein häufiger Streitpunkt ist die Klausel der „abstrakten Verweisung“, die man vor allem in älteren BU-Verträgen findet. Durch sie kann die Versicherung den Versicherungsnehmer auf eine andere “zumutbare” Tätigkeit verweisen. In einem Gerichtsurteil entschied der BGH, dass die Versicherung dann nicht zahlen muss (BGH Az. IV ZR 232/03).
Das Problem der “abstrakten Verweisung”:
Das Oberlandesgericht Frankfurt entschied in einem Gerichtsurteil, dass einem Lokführer, der einen Alternativjob als Buchführungshelfer annimmt, nicht die Auszahlung der Berufsunfähigkeitsversicherung verweigert werden kann.
Das gilt auch, wenn der neue Job zwar dem vorherigen Lohn, nicht aber der Erfahrung und dem Berufsstand entspricht (OLG Frankfurt Az. 14 U 225/05).
Betroffene können spezielle Fälle wie diese anwaltlich prüfen lassen, um sicherzustellen, ob sie einen Anspruch auf die Auszahlung ihrer Berufsunfähigkeitsversicherung haben.
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Wenn Ihre Berufsunfähigkeitsversicherung nicht zahlt, können Sie wie folgt dagegen vorgehen:
Bevor Sie Klage einreichen, können Sie daher unbedingt die Erfolgschancen eines Rechtsstreits von einem Anwalt einschätzen lassen. Sind die Aussichten auf den Erfolg einer Klage hoch, kann ein Anwalt helfen, Ihre Ansprüche durchzusetzen und mit der Versicherung auf Augenhöhe zu agieren. Zudem kennt er sich mit den Versicherungsgesellschaften aus und kann darauf aufbauend eine juristische Strategie entwickeln, um gegen Ihre Versicherung vorzugehen.
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Als Teil der juristischen Redaktion von advocado strebt Sophie Suske jeden Tag danach, komplexe Rechtsprobleme des Marken- und Versicherungsrechts für jeden Leser verständlich aufzubereiten. Grundlage ihrer lösungsorientierten Arbeit ist ihr Masterstudium der Sprach- und Kommunikationswissenschaft.