2017 endeten laut Statistischem Bundesamt 20 % der vor dem Amtsgericht ausgetragenen Zivilprozesse mit Versäumnisurteilen. Nicht immer waren diese berechtigt.
Existieren gute Gründe dagegen, können Sie Einspruch einlegen. Dann wird das Verfahren neu aufgerollt, Sie können Argumente nachliefern und das Gericht von Ihrer Sichtweise überzeugen. Im Idealfall ergibt sich aus dem nachteiligen Versäumnisurteil eine positivere Entscheidung.
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Das Versäumnisurteil ist eine gerichtliche Entscheidung im Zivilprozess. Es wird von einer der streitenden Parteien beantragt, wenn die Gegenseite säumig war.
Säumig ist eine Partei in folgenden Fällen:
Wie das Versäumnisurteil ausfällt, hängt davon ab, ob Kläger oder Beklagter säumig war:
Folge des Versäumnisurteils ist, dass es gemäß § 708 ZPO vorläufig vollstreckt werden kann. Das heißt, dass der Beklagte sämtlichen Forderungen sofort nachkommen muss.
Einziges Rechtsmittel gegen Versäumnisurteil und Zwangsvollstreckung ist der Einspruch. Hat dieser Erfolg, wird das Verfahren gemäß § 342 ZPO in den Stand zurückversetzt, in dem es vor der Säumnis war – der Fall wird also neu aufgerollt. Das Versäumnisurteil verliert so an Rechtskraft.
Haben Sie die vollstreckbare Ausfertigung eines Versäumnisurteils erhalten und wollen Einspruch einlegen, müssen Sie Folgendes bedenken:
Ob ein Einspruch überhaupt Sinn ergibt, kommt auf Ihren individuellen Fall an. In manchen Fällen kann es aus wirtschaftlicher und finanzieller Sicht vernünftiger sein, das Versäumnisurteil anzunehmen und den Rechtsstreit zu beenden. Um das Prozesskostenrisiko vorher zu bestimmen und einen aussichtslosen Rechtsstreit zu vermeiden, können Sie z. B. einen Prozesskostenrechner verwenden.
Das wäre beispielsweise der Fall, wenn die Beweise der Gegenseite so erdrückend sind, dass das Gericht bei Wiederholung der Entscheidung nicht anders urteilen würde.
Herr Mustermann hat mutwillig ein Auto zerkratzt und wurde deshalb auf Schadensersatz verklagt. Zu den Gerichtsterminen ist er trotz Ladung nicht erschienen – deshalb kam es zum Versäumnisurteil.
Weil der Geschädigte dem Gericht Videoaufnahmen vorgelegt hat und mehrere Zeugen für den Vorfall benennen konnte, ist das Gericht von Herrn Mustermanns Schuld überzeugt.
Von dieser Ansicht würde es auch dann nicht abrücken, wenn Herr Mustermann seine Sicht der Dinge nachliefern würde. Er muss nun für die Reparatur des Autos aufkommen.
Gegen das Versäumnisurteil können Sie nur innerhalb der gesetzlichen Frist Einspruch einlegen. Diese beträgt in der Regel 2 Wochen und beginnt mit Zustellung des Versäumnisurteils.
In der Praxis bedeutet das: Auf dem Briefumschlag hat das Gericht ein Zustelldatum vermerkt – an diesem Tag beginnt die Frist.
Haben Sie Ihren dauerhaften Wohnsitz im Ausland, erhöht sich die Frist auf einen Monat.
Wenn Sie als Arbeitnehmer bzw. Arbeitgeber auftreten und Ihr Verfahren vor einem Arbeitsgericht verhandelt wird, gelten besondere Fristen! Einspruch gegen das Versäumnisurteil müssen Sie dann bereits innerhalb einer Woche erheben.
Ein Einspruch gegen das Versäumnisurteil bleibt nicht ohne finanzielle Folgen.
Wie viel der Einspruch und die anschließende Fortsetzung des Verfahrens kosten, war lange umstritten. Das Oberlandesgericht Celle entschied mit Beschluss vom 30. Mai 2016 (Aktenzeichen 2 W 104/16), dass das Verfahren nach dem Einspruch gebührenrechtlich dasselbe ist wie das vorangehende Verfahren.
Das bedeutet, wenn Sie Einspruch gegen das Versäumnisurteil einlegen, fallen keine weiteren Gerichtsgebühren an.
Je nachdem, ob im Prozess Anwaltszwang herrscht (ab einem Streitwert über 5.000 € gilt Anwaltszwang), können oder müssen Sie einen Anwalt hinzuziehen. Dieser kann die Sachlage prüfen und juristisch fundierte Argumente für einen erfolgreichen Einspruch liefern.
Im schlimmsten Fall könnte der Einspruch sonst abgelehnt werden und das Versäumnisurteil bestehen bleiben.
Auch in Hinblick auf die Anwaltsgebühren ist das Verfahren nach dem Einspruch gebührenrechtlich dasselbe wie das Verfahren vor dem Einspruch. Das heißt, dass Anwälte nur einmal Gebühren für Ihre Tätigkeit verlangen können.
Auf Grundlage des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) können folgende Kosten anfallen:
Der folgenden Tabelle können Sie einige Beispielwerte entnehmen. Beachten Sie, dass sich die genannten Kosten nur auf die Vertretung vor Gericht beziehen. Für die außergerichtliche Beratung vor und nach dem Gerichtsverfahren fallen weitere Gebühren an.
Des Weiteren beziehen sich die Beispielwerte nur auf Verfahren, in denen das Gericht ein Urteil gesprochen hat. Für z. B. die Vertretung im gerichtlichen Mahnverfahren oder in Verfahren auf Erlass eines Vollstreckungsbescheids fallen andere Kosten an.
Streitwert |
Gesamtkosten ohne Einspruch & mit Annahme des Versäumnisurteils |
Gesamtkosten mit Einspruch & Weiterführung des Verfahrens |
„Mehr” an Anwaltskosten aufgrund der Säumnis (Einspruchskosten) |
500,00 € |
81,39 € |
118,88 € |
37,49 € |
1.000,00 € |
133,28 € |
199,92 € |
66,64 € |
5.000,00 € |
438,45 € |
690,85 € |
252,40 € |
10.000,00 € |
787,42 € |
1.252,24 € |
464,82 € |
50.000,00 € |
1.615,36 € |
2.584,14 € |
968,78 € |
Im Zivilprozess gilt grundsätzlich: Wer verliert, muss zahlen. Eine Ausnahme dieser Regel bilden die Mehrkosten eines Einspruchs: Gemäß § 344 ZPO muss der Säumige alle Kosten übernehmen, die durch sein Fehlverhalten entstanden sind. So soll die mutwillige Verzögerung des Prozesses abgestraft werden.
Das heißt: Ist Ihr Einspruch erfolgreich und ändert das Gericht seine Entscheidung zu Ihren Gunsten, trägt Ihr Gegner alle Anwalts- und Gerichtskosten – mit Ausnahme der Kosten für den Einspruch.
Wurde ein Versäumnisurteil gegen Sie gefällt, könnte eine schnelle Reaktion wichtig sein – Ihr Klagegegner kann seine Forderungen sofort vollstrecken.
Ist das Versäumnisurteil ergangen, weil Sie sich trotz Anwaltszwang (z. B. vor einem Landgericht) nicht ordnungsgemäß haben vertreten lassen, müssen Sie für einen Einspruch unbedingt einen Anwalt beauftragen.
Ansonsten wird der Einspruch zwar zugelassen, aber bei Fortsetzung des Verfahrens direkt wieder ein Versäumnisurteil gefällt. Dann hätten Sie endgültig verloren.
Sinnvoll kann ein Anwalt auch sein, wenn kein Anwaltszwang besteht. Er kann prüfen, ob ein Einspruch aus finanzieller Sicht überhaupt zielführend ist – manchmal wäre die Annahme des Urteils taktisch klüger und finanziell günstiger.
Spricht die Sachlage in Ihrem Fall für einen Einspruch, wird der Anwalt diesen ausformulieren und Sie im anschließenden Verfahren mit juristisch fundierten Argumenten vertreten.
Sie können folgende Schrittfolge beachten:
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