Unbezahlte Rechnungen und offene Forderungen sind nicht nur ärgerlich, sondern können für Gläubiger wie Handwerker oder Lieferanten existenzbedrohend sein. Gläubiger haben die Möglichkeit, einen Vollstreckungsbescheid zu beantragen: Ein Gericht spricht ihnen mit Erhalt des Vollstreckungsbescheides das Recht zu, die Schulden durch Pfändung einzutreiben. Für den Antrag auf einen Vollstreckungsbescheid gibt es einige Voraussetzungen zu beachten.
Der Vollstreckungsbescheid ist die 2. und letzte Stufe eines gerichtlichen Mahnverfahrens. Er berechtigt den Gläubiger dazu, offene Forderungen per Gerichtsvollzieher eintreiben und nun das Gehalt, Kontoguthaben oder Sachwerte des Schuldners pfänden zu lassen. Der Vollstreckungsbescheid ergeht, wenn ein Schuldner nicht auf einen Mahnbescheid (1. Stufe des gerichtlichen Mahnverfahrens) reagiert.
Der Inhaber eines Cafés hat seinen Lieferanten noch nicht für die gelieferten Kaffeebohnen bezahlt, eine Kundin hat die Rechnung ihres Handwerkers für die Reparatur des Daches nicht beglichen oder ein Mieter zahlt seine Miete nicht – alle haben Schulden und sind rechtlich gesehen damit Schuldner. Lieferant, Handwerker und Vermieter sind ihre Gläubiger.
Um offene Forderungen einzutreiben, können die Gläubiger einen Vollstreckungsbescheid beantragen. Da der Vollstreckungsbescheid der zweite und letzte Schritt eines Mahnverfahrens ist, müssen die Gläubiger dabei den gesetzlich vorgeschriebenen Ablauf eines Mahnverfahrens beachten:
Mahnungen & Zahlungserinnerungen:
Bei offenen Rechnungen sind Zahlungserinnerungen in Form von Mahnungen die erste Handlungsoption: Die Gläubiger erinnern Café-Inhaber, Kundin und Mieter damit an die Begleichung ihrer offenen Rechnungen.
Mahnbescheid:
Wenn Kunden nicht zahlen trotz Mahnung, können ihre Gläubiger einen Mahnbescheid beantragen: Der Mahnbescheid ist die “letzte Drohung” des Gläubigers und leitet ein gerichtliches Mahnverfahren ein.
Der Mahnbescheid hat zwei wichtige Funktionen:
Vollstreckungsbescheid:
Bewegt der Mahnbescheid den Schuldner nicht zur Zahlung, kann der Gläubiger als letzten Schritt einen Vollstreckungsbescheid beantragen. Dadurch erhält der Gläubiger einen sogenannten Pfändungstitel. Er gibt ihm das Recht, Vermögen des Schuldners pfänden zu lassen, um offene Forderungen zu begleichen.
Ist die Forderung des Gläubigers unberechtigt, kann der Schuldner gegen den Antrag auf Vollstreckungsbescheid Widerspruch einlegen und die Pfändung verhindern.
Der erfolgreiche Antrag auf Vollstreckungsbescheid eröffnet dem Gläubiger großen Handlungsspielraum: Er darf das Vermögen des Schuldners pfänden lassen.
Um Schuldner vor möglicherweise unberechtigten Vollstreckungsmaßnahmen zu schützen, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein, damit das Gericht einen Vollstreckungsbescheid erlässt:
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Für einen Vollstreckungsbescheid gelten die gleichen Regeln wie bei anderen behördlichen Bescheiden:
Grundsätzlich verjähren Schulden nach 3 Jahren (§ 195 BGB). Die Verjährungsfrist beginnt zum Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger davon Kenntnis erlangt hat.
Verjährte Ansprüche kann ein Gläubiger nicht mehr durchsetzen – selbst dann nicht, wenn sie berechtigt sind. Das heißt, schuldet z. B. ein Kunde einem Handwerker Geld für ein repariertes Fenster, muss der Kunde seine Schulden nach 3 Jahren nicht mehr begleichen.
Sie können Ihre Ansprüche schützen, indem Sie einen Vollstreckungsbescheid beantragen:
Ein Vollstreckungsbescheid verjährt im Gegensatz zu Schulden nicht nach 3 Jahren: Der Vollstreckungsbescheid ist eine titulierte Forderung und verjährt als solche erst nach 30 Jahren.
Mit einem Antrag auf Vollstreckungsbescheid können Sie also Ihre rechtmäßigen Zahlungsforderungen vor Verjährung schützen und 30 Jahre durchsetzen. Ist Ihr Schuldner z. B. zahlungsunfähig und wird innerhalb der 30 Jahre zahlungsfähig, können Sie Ihre Ansprüche weiterhin geltend machen.
Die Verwirkung ist die “kleine Verjährung”. Verwirkte Rechte oder Ansprüche lassen sich nicht mehr durchsetzen. Das trifft theoretisch auch auf einen Vollstreckungsbescheid zu. In der Praxis ist die Verwirkung eines Vollstreckungsbescheids jedoch nahezu ausgeschlossen.
In Fällen, in denen der Gläubiger seine Forderungen 13 oder 15 Jahre lang nicht geltend gemacht hat, haben die Gerichte eine Verwirkung mit der Begründung abgewiesen, dass der Vollstreckungsbescheid die Forderung des Gläubigers tituliere und damit vor Verjährung schütze.
Der Gläubiger zeige dem Schuldner damit, dass er seine Forderung durchsetzen will. Die Bedingungen für eine Verwirkung seien damit ausgeschlossen.
Ein Gläubiger hat demzufolge die Möglichkeit, fast 30 Jahre zu warten, um die Forderung geltend zu machen.
Innerhalb von 14 Tagen nachdem der Gläubiger den Vollstreckungsbescheid beantragt hat, kann der Schuldner gegen einen Vollstreckungsbescheid Einspruch einlegen. Tut er das nicht, ist der Vollstreckungsbescheid wirksam und der Gläubiger kann die Pfändung einleiten.
Ist diese Frist verstrichen, kann der Schuldner im Laufe der Vollstreckung keinerlei Einwände z. B. gegen die Höhe der Forderung, entdeckte Mängel oder eine Verletzung der Gewährleistung vorbringen.
Widerspricht der Schuldner dem Vollstreckungsbescheid, leitet er automatisch ein Gerichtsverfahren ein, in dem der Gläubiger seine Forderung beweisen und verteidigen muss. Gläubiger und Schuldner brauchen dann unter Umständen einen Anwalt: Das ist abhängig davon, welches Gericht für das Verfahren zuständig ist.
Im Verfahren prüft das Gericht während der mündlichen Verhandlung, ob die Forderung des Gläubigers rechtmäßig ist bzw. die erbrachte Leistung den Rechnungsbetrag rechtfertigt. Es gibt 3 mögliche Szenarien, wie das Gerichtsverfahren endet:
Widerspricht der Schuldner dem Vollstreckungsbescheid, obwohl die Forderung begründet und gerechtfertigt ist oder er das nicht begründen kann, hat das ernste Folgen: Im Rahmen des Gerichtsverfahrens kann der Gläubiger seine Forderung beweisen und den Prozess gewinnen.
Dann kommen weitere Gerichtskosten auf den Schuldner zu und er läuft Gefahr, mehr als nur seine Schulden tilgen zu müssen. Von einem Einspruch gegen einen gerechtfertigten Vollstreckungsbescheid ist daher abzuraten.
Widerspricht der Schuldner innerhalb der 2-Wochen-Frist dem Antrag auf Vollstreckungsbescheid nicht, ist der Vollstreckungsbescheid wirksam. Der Gläubiger darf somit dem Schuldner durch eine Vollstreckungsankündigung eine letzte Frist von 14 Tagen einräumen oder umgehend seine Forderung durchsetzen.
Das hat konkrete Folgen:
Pfändung:
Bei einer Pfändung stellt ein Gerichtsvollzieher Geld und Wertgegenstände des Schuldners sicher. Das bedeutet, er pfändet zunächst Konten und Lohnzahlungen, um die Forderung des Gläubigers zu befriedigen. Dazu kann er auch Gegenstände beschlagnahmen und versteigern – nicht verwertete Gegenstände erhält der Schuldner natürlich zurück.
Gepfändet wird lediglich in Höhe der Schulden. Der Gerichtsvollzieher darf aber nicht alles pfänden: Computer und Auto sind unpfändbar, wenn sie der Ausbildung oder dem Beruf dienen. Genauso wie Kleidung, Wasch- und Spülmaschinen, Fernseher und Möbel (soweit sie der “normalen” Lebensführung dienen) sowie Gegenstände des Partners.
Vermögensauskunft:
Ist eine erste Pfändung erfolglos, da der Gerichtsvollzieher keine geeigneten Gegenstände oder Konten beschlagnahmen konnte, kann er eine Vermögensauskunft verlangen. Damit prüft er, ob es überhaupt Konten, Wertgegenstände oder Finanzdepots gibt, die er pfänden kann.
Für eine solche Vermögensauskunft muss der Schuldner folgende Angaben und Nachweise erbringen:
Eine Vermögensauskunft führt automatisch zu einem Schufa-Eintrag, der Konsequenzen für den Schuldner hat: Banken können dann Kredite verweigern oder EC- oder Kreditkarten einziehen, der Abschluss von Handyverträgen oder Rechnungs- bzw. Ratenzahlungskäufen ist ggf. nicht möglich.
Eine Vermögensauskunft gleicht einer eidesstattlichen Versicherung. Falschangaben können deswegen zu Geld- und Freiheitsstrafen führen.
Wenn das Finanzamt Vollstreckungsmaßnahmen einleitet, gelten andere Regeln als bei privaten Gläubigern oder Unternehmern: Nach dem Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz (VwVG) hat das Finanzamt als Gläubiger eine deutlich privilegiertere Stellung inne.
Das Finanzamt kann z. B. bei ausstehenden Steuern sofort einen Gerichtsvollzieher beauftragen, der einen Vollstreckungsbescheid zustellt und einen ersten Pfändungsversuch unternimmt. Da das Amt nicht an das Mahngericht gebunden ist, muss es keine Zahlungserinnerungen versenden, Mahnfristen wahren oder einen Vollstreckungsbescheid beantragen.
Außerdem kann es ohne Ankündigung selbstständig Konten oder Gehalt pfänden.
Um ernste Folgen zu vermeiden, kann schnelles Handeln wichtig sein:
Ein solcher Antrag ist allerdings nur wirksam, wenn Schuldner berechtigte Zweifel an der Richtigkeit ihres Bescheids haben oder die Vollstreckungsmaßnahmen eine Existenzbedrohung für sie darstellen – er muss deswegen gut begründet sein.
Für jeden Dienstleister, Handwerker oder Lieferanten ist eine gute Kundenbeziehung wichtig. Bei offenen Rechnungen und ausstehenden Zahlungen ist die direkte Kundenkommunikation deswegen die erste Wahl: Damit erinnern Sie Ihren Kunden nicht nur an die offenen Zahlungen, sondern erfragen ebenfalls die Gründe des Zahlungsverzugs.
Hat der Kunde finanzielle Probleme, lässt sich das Problem meist aus der Welt schaffen, indem Sie Ihrem Kunden individuelle Zahlungsoptionen anbieten – z. B. Stundung oder Ratenzahlung.
Hat der Kunde Mängel an Produkt oder Leistung geltend gemacht und zahlt deswegen nicht, können Sie mit ihm Maßnahmen oder Garantieleistungen abstimmen. So beheben Sie die Mängel und kommen an Ihr Geld.
Können Sie auf diesem Weg Ihren Kunden nicht zur Zahlung bewegen, bleibt Ihnen nur noch der Rechtsweg: Sie können ein Mahnverfahren eröffnen und beantragen Sie einen Vollstreckungsbescheid.
Mit dem Antrag auf Vollstreckungsbescheid entstehen Kosten: Das Mahngericht verlangt für seine Arbeit Verwaltungs- und Gerichtskosten. Diese Kosten muss der Gläubiger im Voraus auslegen, erhält sie aber bei Erfolg zurück.
Die Verwaltungskosten betragen mindestens 32 €. Die Gerichtskosten sind gesetzlich festgelegt und orientieren sich am Streitwert:
Streitwert |
Gerichtskosten |
bis 1.000 € |
32 € |
5.000 € |
73 € |
10.000 € |
120,50 € |
25.000 € |
185,50 € |
Ist der Gläubiger mit seinem Mahnverfahren erfolgreich und kann seine Forderung gegen den Schuldner durchsetzen, kann er sich außerdem seine Kosten erstatten lassen. In diesem Fall muss der Schuldner neben seinen Schulden auch alle Kosten tragen, die dem Gläubiger entstanden sind – dazu gehören Gerichts-, Verwaltungs- und Anwaltskosten.
Auseinandersetzungen mit unkooperativen Schuldnern können langwierig und nervenaufreibend sein. Damit Sie sich nicht in einem endlosen und kostspieligen Mahnverfahren verlieren, kann ein Anwalt für Inkassorecht & Forderungseinzug helfen. Er bietet Ihnen Vorteile, die erfolgsentscheidend sein können:
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Ein Vollstreckungsbescheid berechtigt den Gläubiger, Schulden per Gerichtsvollzieher einzutreiben. Ein Gericht spricht dem Gläubiger dadurch das Recht zu, das Gehalt, Kontoguthaben oder Sachwerte des Schuldners pfänden zu lassen. Der Vollstreckungsbescheid ergeht erst, wenn der Schuldner nicht fristgerecht auf einen Mahnbescheid reagiert hat.
Ist die Forderung gerechtfertigt, können Schuldner den Vollstreckungsbescheid akzeptieren. Er lässt sich nicht mehr abwenden und es entstehen ansonsten unnötig weitere Kosten. Ist die Forderung falsch oder unberechtigt, bleiben 2 Wochen Zeit, um Einspruch einzulegen. Nach Ablauf der Frist ist der Vollstreckungsbescheid in jedem Fall rechtswirksam – selbst wenn die Forderung nicht gerechtfertigt war.
Der Vollstreckungsbescheid selbst kostet nichts, aber der Mahnbescheid, der ihm zwingend vorausgehen muss. Die Kosten hängen vom Streitwert ab und betragen mindestens 32 Euro. Im Erfolgsfall muss der Schuldner dem Gläubiger alle Auslagen erstatten, die ihm bei Durchsetzung seiner Forderung entstanden sind.