Werden nahe Angehörige enterbt, haben sie Anspruch auf einen Mindestanteil am Erbe. Um sich diesen Pflichtteil auszahlen zu lassen, müssen sie ihn aktiv vom Erben einfordern. Bis es zur Auszahlung kommt, können allerdings Jahre vergehen. Ein Anwalt kann helfen, wenn der Erbe die Auszahlung verweigert.
Um sich den Pflichtteil auszahlen lassen zu können, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein. Sind diese Voraussetzungen gegeben, ist der Erbe bzw. die Miterben im Erbfall zur Auszahlung verpflichtet.
Der Pflichtteil an der Erbschaft wird grundsätzlich nur an Pflichtteilsberechtigte ausgezahlt. Nach § 2303 BGB sind das folgende Verwandte des Erblassers:
Kein Pflichtteilsrecht hingegen haben entferntere Verwandte wie Geschwister, Onkel, Tanten, Nichten und Neffen des Erblassers.
Nicht alle der genannten Pflichtteilsberechtigten haben jedoch auch automatisch einen Pflichtteilsanspruch – dieser wird nämlich durch eine Rangfolge geregelt.
Direkte Abkömmlinge wie Kinder und der Ehe- bzw. Lebenspartner haben bei der Erbfolge ein Vorrecht. Die Eltern können sich ihren Erbteil also nur auszahlen lassen, wenn der Erblasser keine Kinder hinterlässt.
Der Pflichtteil wird grundsätzlich nur an gesetzliche Erben ausgezahlt, die von der Erbfolge im Testament oder Erbvertrag ausgeschlossen wurden. Als gesetzlicher Erbe ist aber auch ein Enterbter geschützt: Hat der Erblasser z. B. den Anspruch durch Schenkungen oder Vermächtnisse zu Lebzeiten reduziert, hat der Pflichtteilsberechtigte gemäß § 2325 BGB einen Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Schenkungen.
Schenkungen oder Zuwendungen, die der Erblasser während seiner letzten 10 Lebensjahre vorgenommen hat, werden vollständig zum Nachlasswert hinzugerechnet und erhöhen damit den Mindestanteil am Erbe
Wer sich im Erbfall seinen Pflichtteil auszahlen möchte, kann mögliche Pflichtteilsstrafklauseln beachten. Diese werden häufig von Ehepaaren im gemeinsamen Berliner Testament genutzt.
Ziel ist, dass die Erben (meist die gemeinsamen Kinder) nach dem Tod eines Ehepartners gegen den hinterbliebenen Ehegatten keine Pflichtteilsansprüche geltend machen können. So soll dieser vor einer finanziellen Notlage bewahrt werden.
Fordert er seinen Erbteil trotz Strafklauseln, erhält der Erbe im zweiten Erbfall keinen Erbanteil, sondern lediglich seinen gesetzlichen Pflichtteil – auch wenn der Nachlass insgesamt deutlich höher ist.
Wer pflichtteilsberechtigt ist, kann den Pflichtteil vom Erben in der Regel erst nach dem Tod des Erblassers einfordern – zu Lebzeiten können die Berechtigten ihren Pflichtteilsanspruch nicht geltend machen.
Um den Pflichtteil zu erhalten, muss der Pflichtteilsberechtigte ihn innerhalb von 3 Jahren nach dem Erbfall oder nach Kenntnis über diesen einfordern – andernfalls tritt die Pflichtteil-Verjährung ein. Die Frist beginnt jeweils am Ende des Jahres, in dem der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis über den Erbfall erhalten hat.
Der Erbe bzw. die Erbengemeinschaft muss unmittelbar nach der Einforderung den Pflichtteil auszahlen. Bis wann die Erbschaft bzw. der Pflichtteil ausgezahlt werden muss, unterliegt aber keiner festgelegten Frist.
Nein, es ist nicht möglich, sich das Erbe vorab (noch zu Lebzeiten des Erblassers) auszahlen zu lassen. Erblasser und gesetzlicher Erbe können aber einen Pflichtteilsverzicht unterzeichnen. Dieser wird in einem Pflichtteilsverzichtsvertrag festgehalten. Der Verzichtende hat dann im Erbfall keinen Pflichtteilsanspruch mehr – im Gegenzug kann er aber bereits zu Lebzeiten eine vertraglich vereinbarte Abfindung einfordern.
Möchten Sie sich nach dem Ableben des Erblassers Ihren Pflichtteil auszahlen lassen, können Sie wie folgt vorgehen:
Bevor Sie sich Ihr Mindest-Erbe auszahlen lassen, kann es sinnvoll sein, den Wert des Nachlasses zu kennen – schließlich ist die Höhe des Erbteils abhängig von der Höhe der Erbmasse.
Um den Pflichtteil zu berechnen, können Sie vom Nachlassverwalter bzw. Erben Informationen über den Nachlass anfordern. Dies ist meist erst nach der Eröffnung des Testaments oder Erbvertrags möglich. Erst ab diesem Zeitpunkt hat der Erbe rechtmäßigen Zugriff auf den Nachlass.
Um den Nachlasswert zu ermitteln, muss der Erbe dann ein Nachlassverzeichnis erstellen, in dem alle zum Nachlass gehörenden Vermögenswerte (Aktiva) und Verbindlichkeiten (Passiva) aufgelistet sind.
Wenn werthaltige Gegenstände nicht oder falsch angesetzt werden, bedeutet das einen zu geringen Nachlasswert. Pflichtteilsberechtigte erhalten dann womöglich einen geringeren Pflichtteil, als ihnen tatsächlich zusteht. Deswegen kann es ratsam sein, das Nachlassverzeichnis und den konkreten Nachlasswert zu überprüfen.
Ist der Wert einzelner Nachlassgegenstände – z. B. einer Immobilie oder eines Fahrzeugs – weiterhin unklar, haben Sie als Pflichtteilsberechtigter Anspruch auf Wertermittlung durch Sachverständige. Die Gutachterkosten werden aus dem Nachlass bezahlt.
Sind Sie über den Nachlasswert und die Höhe des Pflichtteils informiert, können Sie Ihren Pflichtteilsanspruch geltend machen und innerhalb der 3-jährigen Verjährungsfrist den Pflichtteil einfordern. Das geht mit einer schriftlichen Aufforderung an den Erben. Nach der Auszahlung des Pflichtteils kann der Erbe eine schriftliche Bestätigung von Ihnen einfordern.
Wichtig: Sie müssen sich selbstständig um die Durchsetzung Ihres Anspruchs kümmern – das Nachlassgericht ist dafür nicht zuständig. Sie können sich Ihren Erbteil nur auszahlen lassen, wenn Sie ihn einfordern.
Wann das Erbe ausgezahlt wird, ist nicht gesetzlich festgelegt. Wie lange die Auszahlung des Erbes dauert, kann also unterschiedlich sein. Grundsätzlich ist der Erbe umgehend nach Eintritt des Erbfalls verpflichtet, Pflichtteilsberechtigte auszuzahlen.
Testamentseröffnung, Erstellung des Nachlassverzeichnisses und Ermittlung der Pflichtteilshöhe können die Auszahlung jedoch in die Länge ziehen. Verweigert der Erbe bzw. die Erbengemeinschaft die Auszahlung gänzlich, können mitunter Jahre vergehen, bis der Pflichtteilsanspruch durchgesetzt ist.
Auch wenn Sie einen Anspruch auf einen Pflichtteil haben und dessen Auszahlung korrekt eingefordert haben, kann es sein, dass der Erbe den Pflichtteil nicht auszahlen kann – etwa weil die mit der Erbschaft vermachten Schulden zu hoch sind. Damit er nicht in finanzielle Not gerät, kann er laut § 2331a BGB eine Stundung der Pflichtteilszahlung beim Nachlassgericht beantragen. Während der Stundung setzt die Verjährung nicht ein.
Wie lange der Pflichtteil gestundet werden kann, entscheidet das Gericht. Es kann den Antrag aber auch ablehnen, z. B. wenn keine Besserung der finanziellen Situation des Erben absehbar ist oder dieser auch das geerbte Haus verkaufen kann, um den Pflichtteil auszuzahlen. Während der Stundung können Sie Ihren Anspruch nicht durchsetzen.
Verweigert der Erbe hingegen böswillig die Auszahlung des Erbteils, können Sie als Pflichtteilsberechtigter rechtliche Schritte einleiten. Es kann sich lohnen, dafür einen Anwalt zu beauftragen. Dieser kann den Erben mit einer Mahnung auffordern, den Pflichtteil auszuzahlen und ihn in Verzug setzen.
Sobald der Erbe als Schuldner in Verzug gerät, ist er Ihnen als Gläubiger gegenüber erstattungspflichtig. Das bedeutet: Hat er die Nichtzahlung verschuldet, können Sie die Ihnen entstehenden Anwaltskosten für die Einforderung des Pflichtteils von ihm zurückfordern.
Weigert sich der Erbe immer noch, können Sie Ihren Pflichtteil einklagen – auch hier gilt die Verjährungsfrist von 3 Jahren. Gibt das Gericht Ihnen Recht, ist der Erbe nicht nur zur Auszahlung des Pflichtteils verpflichtet, sondern muss auch sämtliche Prozesskosten übernehmen.
Sollte er sich dann immer noch weigern, kann das Gericht eine Zwangsvollstreckung anordnen. Sie erhalten dann einen Vollstreckungstitel, mit dem Sie einen Gerichtsvollzieher mit der Zwangsvollstreckung beauftragen können.
Obwohl ein gesetzlicher Anspruch auf den Pflichtteil besteht, wird der Pflichtteil nicht immer von den Erben ausgezahlt. Auch die Auszahlung eines zu geringen Pflichtteils an den Berechtigten kommt durch fehlerhafte und unvollständige Nachlassverzeichnisse vor.
In diesen Fällen kann juristische Unterstützung sinnvoll sein. Ein Anwalt für Erbrecht kann Sie bei der Einforderung Ihres Pflichtteils unterstützen.
Der Anwalt kann u. a. folgende Aufgaben übernehmen:
Sollte der Klageweg erforderlich sein, kann der Anwalt für Sie die Klage einreichen und Sie vor Gericht vertreten.
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Wenn Sie Ihren Pflichtteil mithilfe eines Anwalts einfordern möchten, entstehen Anwaltskosten. Wie viel zu zahlen ist, hängt vom Umfang seiner Tätigkeit und dem gewählten Vorgehen (außergerichtlich vs. gerichtlich) ab.
Die Kosten für eine außergerichtliche Einigung mit dem Erben richten nach der Höhe des Gegenstandswerts – also der Höhe des geforderten Pflichtteils. Auf Basis des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) wird der Gegenstandswert dann mit bestimmten Gebühren multipliziert – abhängig vom Aufwand des Anwalts.
Der Anwalt kann u. a. folgende Gebühren berechnen:
Das würde bei exemplarischen Streitwerten folgende Anwaltsgebühren bedeuten:
Streitwert bis ... |
Anwaltskosten |
500 Euro |
187 Euro |
2.000 Euro |
577 Euro |
4.000 Euro |
950 Euro |
Alternativ können Sie nach Absprache mit Ihrem Anwalt aber auch eine individuelle Vergütungsvereinbarung treffen – z. B. auf Grundlage einer Abrechnung auf Stundenbasis oder zum Pauschalpreis.
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Reichen Sie eine Pflichtteilsklage ein, entstehen neben Anwaltskosten Kosten für die Arbeit des Gerichts. Die Kosten, um den Pflichtteil einzuklagen, orientieren sich ebenfalls an der Höhe des Pflichtteils.
Für die gerichtliche Durchsetzung des Pflichtteils kann der Anwalt auf Grundlage des RVG folgende Gebühren berechnen:
Eine Klage würde bei exemplarischen Streitwerten folgende Kosten nach sich ziehen:
Streitwert bis ... |
Anwalts- und Gerichtskosten |
500 Euro |
170 Euro |
2.000 Euro |
518 Euro |
4.000 Euro |
851 Euro |
Haben Sie einen berechtigten Pflichtteilsanspruch, können Sie die entstehenden Anwaltskosten (außergerichtlich und gerichtlich) vom Erben zurückfordern. Entscheiden Sie sich für den Klageweg, wird das Gericht bei einem berechtigen Anspruch den Erben zur Zahlung des Pflichtteils und zur Übernahme sämtlicher Prozesskosten verpflichten.
Gibt es Pflichtteilsberechtigte, muss der Erbe den Pflichtteil auszahlen. Das gilt für jeden Miterben, wenn es noch andere nahestehende Verwandte des Erblassers gibt. Auch ein Alleinerbe muss also den Pflichtteil auszahlen. Allerdings müssen Pflichtteilsberechtigte ihren Pflichtteil selbst einfordern – der Erbe muss ihn nicht von sich aus zahlen.
Der Berechtigte kann vom Erben die sofortige Auszahlung der Erbschaft fordern – denn der Anspruch entsteht mit dem Ableben des Erblassers. Da der Erbe aber erst nach der Testaments- oder Erbvertragseröffnung Kenntnis über sämtliche Erben hat, liegt die Dauer der Auszahlung des Erbes mindestens bei einigen Wochen. Verweigert der Erbe die Zahlung, kann es Jahre dauern, bis der Pflichtteilsberechtigte sich den Pflichtteil auszahlen lassen kann. Gesetzliche Fristen für die Auszahlung des Pflichtteils gibt es im Erbrecht nicht.
Kann der Pflichtteil nicht gezahlt werden, können Pflichtteilsberechtigter und Erbe sich über eine Stundung des Pflichtteils einigen. Die Stundung ist beim Nachlassgericht zu beantragen. Lehnt das Gericht den Antrag hab, gelten strenge Regeln: Dann muss z. B. das geerbte Haus verkauft werden, um den Pflichtteil auszuzahlen.
Als Teil der juristischen Redaktion von advocado strebt Sophie Suske jeden Tag danach, komplexe Rechtsprobleme des Marken- und Versicherungsrechts für jeden Leser verständlich aufzubereiten. Grundlage ihrer lösungsorientierten Arbeit ist ihr Masterstudium der Sprach- und Kommunikationswissenschaft.